Süddeutsche Zeitung

Dachauer Kulturverein "Schere Stein Papier":Neue Willkommenskultur

Lesezeit: 3 min

Mit einer Kunstausstellung präsentiert sich der Verein "Schere Stein Papier" in der Kleinen Altstadtgalerie erstmals dem Publikum. Die Neugier auf das junge Dachauer Kollektiv, das eine kreative Plattform zum Mitmachen schaffen will, ist groß

Von Andreas Förster, Dachau

"Schere Stein Papier", auch bekannt als "Schnick Schnack Schnuck", ist ein beliebtes Kinderspiel: Der Stein schleift die Schere, die Schere schneidet das Papier, und das Papier umwickelt den Stein; die Handgeste entscheidet, wer gewinnt. Und so frei, spontan und spielerisch ist auch das Selbstverständnis des gleichnamigen Vereins Schere Stein Papier. Als Plattform für "freies kreatives Spielen, ohne Barrieren oder Schranken im Kopf" will der neue Verein auftreten, so formuliert es Theresa Wirthmüller, eines der acht Gründungsmitglieder. Doch es werden schon mehr: Am Eröffnungsabend kommen noch einmal etliche neue Leute hinzu, die sich für eine Mitgliedschaft interessieren.

Am Sonntagmorgen, dem Tag nach der Eröffnungsfeier, lugt Michael Kottermeier, ebenso Gründungsmitglied, beim veganen Brunch in die Box, die für die Interessenten am Vorabend aufgestellt worden ist. Rund 40 Zettel liegen darin, zusammen mit noch mal so vielen Polaroid-Fotos von der Party. Sie zeigen ein bunt gemischtes Publikum zwischen Ü20 und Ü60, nicht wenige aus der örtlichen Kunstszene wie Claudia Flach, Florian Marschall und Petra Leu sowie Mitglieder des Fördervereins Dachauer Wasserturm und der KVD. Alle waren neugierig auf "die Neuen" um die Vereinsvorsitzende Kristina Seeholzer, die in Dachau allerdings kein unbeschriebenes mehr Blatt ist. Die 27-Jährige ist Mitglied der KVD, selbständige Grafikerin und Illustratorin mit Ausstellungserfahrung. Der Rest der Truppe hat wenig (Theresa Wirthmüller spielte einige Zeit Saxofon in der Bigband Dachau, Susanne Natter und Trami Nguyen töpfern) bis keinen direkten Bezug zur Kunst (Michael Kottermeier und Andrea Schieri sind Sozialpädagogen, Alexandra Walcher ist im Einzelhandel und Sophia Mair-Kühnel in einer Gärtnerei beschäftigt). Dennoch spüren alle den drängenden Wunsch, dem ambitionierten Verein und damit auch Nachwuchskünstlern auf die Beine zu helfen, aber auch Impulse für mehr Geschlechtergerechtigkeit zu geben. OB Florian Hartmann sagte in seinem Grußwort, der Verein werde "nicht nur die Kleine Altstadtgalerie, sondern auch das gesamte Kulturleben unserer Stadt bereichern und erweitern".

Die Organisation der Premierenausstellung, in der sich der Name Schere Stein Papier wiederfinden sollte, war ein erster Schritt dazu. Insgesamt dauerte die Vorbereitungszeit rund ein Jahr, erzählt Kristina Seeholzer - bis alle Vereinsformalitäten geklärt, die Ziele klar, die Räume und die Künstler unter Dach und Fach waren. Herausgekommen ist bislang eine kurzweilige, fröhlich gestimmte Vernissage mit musikalischer Begleitung durch den Dachauer Karl Maria Benemann, der schon häufiger auf Vernissagen der KVD spielte und eher ruhige Klänge bevorzugt, sowie die Band Antun Opic aus München, die mit einer kraftvollen Mischung aus Blues und Gypsie-Folk begeisterten.

Die Künstler der Premierenausstellung hätten für die drei Räume der Kleinen Altstadtgalerie besser nicht ausgesucht sein können: Der Dachauer Grafiker, Maler, Zeichner und Musiker Martin Off zeigt seine filigranen Scherenschnitte hinter Glas, das Dachauer Sprayer-Kollektiv Outer Circle hat einen luftigen Wald aus hängenden Papierfahnen mit abstrakter Schrift und Form in Symbolsprache geschaffen, und die Landshuter Keramikerin Pauline Peter zeigt ihre Gebrauchsgegenstände aus Tonerde (Stein), darunter Tassen und Teller, aber auch liebenswerte Elefanten auf selbstgeflochtenen Rädern aus Draht und andere sehenswerte Gebrauchs- und Deko-Gegenstände. In ihrer Gesamtheit verkörpern die drei Künstler/-kollektive einen alternativ-verspielten kreativen Geist, der auch das Kollektiv von "Schere Ton Papier" anzutreiben scheint.

Der gemeinnützige Verein finanziert sich überwiegend aus Spenden. Allerdings waren die nach der Eröffnungsfeier mit zwei musikalischen Highlights, auf Spendenbasis angebotenem Essen (selbstgemachtes Chili) und dem, ebenfalls selbstgemachten veganen Brunch am nächsten Morgen bereits wieder aufgebraucht. Der Mitgliedsbeitrag von bescheidenen zwölf Euro im Jahr wird die laufenden Ausgaben wohl kaum decken. "Wir wollen die Preise niedrig halten, um jedem die Gelegenheit zum Mitmachen und zur Teilhabe zu geben, der das möchte", erklärt Seeholzer die Philosophie hinter dem Verein. Künftig soll vor allem jungen und unbekannten Kulturschaffenden eine Plattform geboten werden, ihre Kunst vorzustellen.

Sänger und Gitarrist Benemann hat sich gleich nach seinem Auftritt in Stellung gebracht, als Grafiker mache er auch Bilder, die er gerne über den Verein ausstellen würde. Seeholzer freut sich, wobei sie bereits einschränkt, dass das Programm für die nächsten sechs Monate bereits ziemlich voll sei, schließlich könne man über die Räume von Galerist und Schere-Stein-Papier-Mentor Frank Donath nicht unbegrenzt verfügen.

Zusätzlich zur Kunstförderung veranstalten sie eigene "Cafés", die "einen Raum der Information, des Austauschs und des Zusammenkommens bieten sollen", betont Theresa Wirthmüller, die für das "Feministische Café" verantwortlich ist. Das hat Ende Januar bereits zum ersten Mal stattgefunden, mit einem Impulsvortrag zum Thema "Aktuelle feministische Debatten und Bewegungen weltweit" und einem anschließenden regen Austausch zwischen interessierten Frauen und Männern.

Das nächste Café behandelt das Thema "Frauenstreik" und findet am 27. Februar statt; danach findet es immer jeden letzten Donnerstag im Monat statt. Der Verein selbst trifft sich jeden dritten Donnerstag zum monatlichen Plenum, ein offenes Treffen, das jedem Kulturinteressierten offensteht. Jeden zweiten Freitag im Monat trifft sich um 18 Uhr der Literaturkreis. Die aktuelle Ausstellung dauert noch bis 16. Februar. Die nächste Ausstellung trägt den Titel "Mark Kohlberg: Past Photo Future" und dauert vom 19. März bis 5. April.

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SZ vom 03.02.2020
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