Neue Bauordnung:"Eine Frechheit der Staatsregierung"

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Kommunalpolitiker aus dem Landkreis Dachau kritisieren mit scharfen Worten die kurzfristige Umsetzung der neuen Bayerischen Bauordnung.

Von Horst Kramer und Julia Putzger, Dachau

Der Ärger ist groß in den Gemeinderäten des Dachauer Landkreises. Es sind weniger die Regelungen der Bayerischen Bauordnung (BayBO), die für Unmut in den kommunalen Gremien sorgen, sondern vielmehr das Vorgehen des Gesetzgebers. Altomünsters Bürgermeister Michael Reiter (FWG) spricht von einer "Frechheit der Staatsregierung", sein Haimhausener Amtskollege Peter Felbermeier (CSU) meint: "Über das Vorgehen kann man nur mit dem Kopf schütteln". Und Petershausens Rathauschef Marcel Fath (FW) kommentiert süffisant: "Wenn die Zielsetzung der Staatsregierung war, für Rechtsunsicherheit zu sorgen, dann hat sie dafür eine Eins mit Sternchen verdient!"

Am 1. Februar tritt die neue BayBO in Kraft. Das Gesetz wurde allerdings erst am 2. Dezember vom Bayerischen Landtag beschlossen. Am 7. Januar traf der Text in den Rathäusern ein. Am 11. Januar versammelten sich die Bürgermeister und ihre Bauamtsverantwortlichen per Videokonferenz, zugeschaltet waren einige Fachanwälte. Deren dringender Rat lautete: bis Monatsende eine eigene Abstandsflächensatzung mit Maximalabständen zu verabschieden, um nicht von den Neuregelungen überrascht zu werden.

"Wir haben nicht einmal einen Monat Zeit"

Es ist diese Kurzfristigkeit, die Bürgermeister wie kommunalen Gremien regelrecht auf die Palme bringt. Helmut Zech (CSU), Vizelandrat und Bürgermeister in Pfaffenhofen an der Glonn, wundert sich: "Üblich sind Übergangsfristen von einem Jahr, jetzt haben wir nicht mal einen Monat Zeit." Vierkirchens Ratschef Harald Dirlenbach (SPD) beklagt: "Wir können die Auswirkungen des Gesetzes noch gar nicht absehen."

Er meint insbesondere die geänderten Abstandsregelungen zwischen den Gebäuden. Der Rechtsanwalt Michael Beisse von der Münchner Fachkanzlei Döring und Spieß stellte in Hebertshausen die Problematik der Neubewertung von Giebelspitzen bei der Berechnung von Abständen zwischen Gebäuden so dar: "Dadurch vergrößern sich unter Umständen die erforderlichen Abstände, statt sich zu verringern." Ein Ziel der Novelle - die innerörtliche Verdichtung zu vereinfachen - werde damit konterkariert. Marcel Fath erklärt sich den "politischen Ungeduldsanfall" mit einem mutmaßlichen "Druck von interessierter Seite", dem sich das Bauministerium ausgesetzt sah. Anwalt Beisse wusste Genaueres: "Einige große Bauträger haben ihre Pläne schon in den Schubladen und warten nun ungeduldig auf den 1. Februar."

Beisse sprach auch die neue sogenannte "Genehmigungsfiktion" an, die am 1. Mai in Kraft treten soll. Eine Regelung, nach der ein Bauvorhaben als genehmigt gilt, wenn sich die Bauaufsichtsbehörde nicht innerhalb von drei Monaten rührt. "Das wird dazu führen, dass das Landratsamt Vorhaben im Zweifelsfall öfter ablehnen wird", spekuliert der Anwalt. Dirlenbach, Fath wie auch sein Hebertshausener Kollege Richard Reischl (CSU) sehen mit den verkürzten Bearbeitungsfristen zudem das "Kooperationsprinzip" zwischen Bauämtern und Bauwilligen gefährdet: "In der Regel setzt man sich ja vorher zusammen und versucht, Unklarheiten zu beseitigen", berichtet Dirlenbach. "Dazu fehlt jetzt die Zeit", ergänzt Reischl.

"Eine Orientalisierung des Stadtbilds"

Fast alle Gemeinden aus dem Dachauer Land beschließen dieser Tage neue Abstandsflächensatzungen, zumeist mit den Abstandsflächentiefen von 0,8 H (H steht für Wandhöhe) bei Wohngebäuden außerhalb von Gewerbe-, Kern- und Industriegebieten sowie festgesetzten urbanen Gebieten und von 0,5 H bei Außenwänden von nicht mehr als 16 Meter Länge. In dem Wissen, "dass wir sie demnächst wieder ändern müssen, wenn die Gerichte erste Entscheidungen getroffen haben", erklärt Felbermeier, der eine Klagewelle befürchtet.

Auch in der Stadt Dachau hat sich der Bauausschuss mit dem Thema beschäftigt, final entscheiden wird der Stadtrat in der nächsten Woche. Bisher haben sich die Politiker auf 0,8 H und 0,4 H geeinigt. Dass eine Satzung notwendig ist, stand außer Frage. So hieß es in der Sitzungsvorlage unter anderem, dass andernfalls der Erholungswert und die Wohnqualität sinken würden und auch das Mikroklima und der Lebensraum für Tiere und Pflanzen negativ beeinflusst werde. Zweiter Bürgermeister Kai Kühnel (Bündnis) verglich die drohenden Effekte durch die Novelle gar mit "einer Orientalisierung des Stadtbilds", wie im Blog des Bündnis zu lesen ist.

Die einzige Kommune, die aus dem Konsens ausschert, ist Odelzhausen. Rathauschef Markus Trinkl (parteifrei) verweist auf die zahlreichen Bauleitplanverfahren, die seine Gremien in den vergangenen Jahren durchgeführt oder angestoßen haben: "Bei uns sind Gebäudehöhen und Abstände detailliert geregelt." Den Ärger seiner Kollegen über die Kurzfristigkeit der Baurechtsnovelle kann er nicht nachvollziehen: "Unser Bauamt und ich haben uns schon im August den Text der ersten Lesung intensiv angeschaut. Eigentlich war klar, was kommt."

© SZ vom 21.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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