Dachauer Kammerchor:Sorgsam austarierte Leidenschaft

Dachauer Kammerchor: Der Dachauer Kammerchor und das Ensemble Stross sorgen für eine fast intime Atmosphäre.

Der Dachauer Kammerchor und das Ensemble Stross sorgen für eine fast intime Atmosphäre.

(Foto: Toni Heigl)

In der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt bringen der Dachauer Kammerchor und das Ensemble Stross Bachs meisterhaftes Weihnachtsoratorium mit großer Empathie zur Aufführung

Von Dorothea Friedrich, Dachau

"Musik für die Himmelsburg" hat der Dirigent und Grandseigneur der Alten Musik, John Eliot Gardiner, seine Biografie über Johann Sebastian Bach genannt. Der renommierte Bach-Forscher Michael Maul hat erst kürzlich in einem Interview gesagt: "Göttliche Musik und doch so menschlich, humanistisch. So große Kunst und doch so zwingend, einnehmend. Oder können Sie noch die Weihnachtsgeschichte bei Lukas lesen, ohne Bachs 'Soundtrack' in den Ohren zu haben?" Nun ist die katholische Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt rein äußerlich eine eher bescheidene Himmelsburg, doch in ihr erklingt immer wieder göttliche Musik. So auch am vergangenen Samstag mit dem Dachauer Kammerchor, dem Ensemble Stross, mit Organistin Anne Horsch sowie den Solisten Monika Klamm (Sopran), Jutta Neumann (Alt) Bernhard Schneider (Tenor) und Daniel Weiler (Bass). Auf dem Programm stand Bachs Weihnachtsoratorium (BWV 248) mit den beliebten Kantaten I bis III. Die Gesamtleitung hatte Christiane Höft.

Nach all dem lauten Festtagstrubel war dieses Weihnachtsoratorium Erholung pur für gestresste Gemüter. Denn der Dachauer Kammerchor mit seinen knapp 30 Sängerinnen und Sängern hat es weniger mit üppigem "Jauchzet, frohlocket", sondern eher mit den stillen, kontemplativen Tönen, mit von Herzen kommenden Chorälen. So liegt in aller Freude über die Geburt Christi schon eine Ahnung vom Leiden und Sterben Jesu', die nicht nur gläubige Christen berührt. Denn Bachs Weihnachtsoratorium ist mittlerweile so unverzichtbar wie profane Lebkuchen und Stollen und bisweilen zum Kulturevent im Konzertsaal mutiert.

Dass diese Musik aber unbedingt in ein Gotteshaus gehört, zeigte der Dachauer Kammerchor erneut eindrucksvoll, nachdem er bereits vor einigen Jahren mit dem Weihnachtsoratorium überzeugt hatte. Zwar trübte die - je nach Sitzplatz - leicht problematische Akustik des Kirchenraums bisweilen etwas den vollen Genuss. Doch insgesamt überzeugte diese Aufführung, auch weil Chor, Orchester und Solisten nicht zum ersten Mal gemeinsam ein Konzert gestalteten. Das trug erheblich zum stimmigen, harmonischen Gesamtbild dieser musikalischen Erzählung der Weihnachtsgeschichte nach Lukas und Matthäus bei. Zudem ist Christian Höft keine Dirigentin der großen Gesten; nur wenige Handbewegungen, ein Nicken hier, ein Drehen da genügen für das gelungene Zusammenspiel aller Mitwirkenden, auch wenn ab und an ein Einsatz nicht hundertprozentig klappte. Das spielte jedoch keine Rolle, ist doch der Dachauer Kammerchor kein Profi-Ensemble, dem technikverwöhnte Zuhörer heutzutage kaum einen Fehler verzeihen würden. Er überzeugte vielmehr durch sorgsam austarierte Leidenschaft, mit jedem Ton hörbare intensive Probenarbeit und großer Empathie für dieses Meisterwerk der Sakralmusik.

Seine Entsprechung fand der Dachauer Kammerchor im Ensemble Stross. Die Musikerinnen und Musiker glänzten im Eingangschor "Jauchzet, frohlocket" mit Pauken und Trompeten, mit einer Sinfonia, der Hirtenmusik, aus der Kantate II, die das ungläubige Staunen der Hirten auf dem Felde fast sichtbar machte und mit Soli von wundersamer Eindringlichkeit. So wurde die von Jutta Neumann traumhaft gesungene Alt-Arie "Schließe mein Herz, dies selige Wunder fest in deinen Glauben ein" mit Geiger Ferenc Kölcze zur echten Himmelsmusik, um nur ein Beispiel zu nennen. Mindestens ebenso ergreifend war Neumanns bis in den letzten Ton ausgekostetes, schier nicht enden wollendes "Schlafe, mein Liebster" und die sensible Flötenbegleitung. Tenor Bernhard Schneider war ein ausdrucksstarker Evangelist, der die Geschehnisse der Heiligen Nacht so mitfühlend sang, als wäre er Augenzeuge gewesen. Die zögerlichen Hirten trieb er mit voller Stimme förmlich an, sich auf den Weg zu machen, "das holde Kind zu sehen". Sopranistin Klamm, Bassist Weiler, Daniel Higón und Franziska Pixis (beide Oboe d'amore) machten aus dem tröstlichen "Herr, dein Mitleid, dein Erbarmen" ein seelenvolles Glaubensbekenntnis, ganz im Sinne und Geiste Bachs, der schließlich noch in einer längst verlorenen Zeit scheinbar unumstößlicher Gewissheiten gelebt hatte. Diese Zeit wieder ins Bewusstsein gerufen zu haben, ist das große Verdienst des Dachauer Kammerchors, des Ensembles Stross und der vier Solisten mit einem Weihnachtsoratorium der fast intimen Art.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: