Dachauer Familienleben in Zeiten von Corona:Geht nicht gibt's nicht

Selbständigkeit und Elternschaft

"Manchmal geht es um Minuten": Julia Romeiß und Gregor Faubel versuchen jeden Tag aufs Neue, ihre kreativen Jobs und das Familienleben unter einen Hut zu bringen. Ist die Stimmung am Abend gut, ist es ihnen gelungen. In der Corona-Krise war die Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch schwieriger als sonst, Tochter Ella wird zu Hause betreut.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Corona hat den Alltag vieler Menschen auf den Kopf gestellt. Auch Julia Romeiß und Gregor Faubel aus Dachau kennen das Chaos, wenn Job und Familie aufeinanderprallen oder wenig Geld da ist. Davon lassen sie sich das Leben aber nicht vermiesen. Zu Besuch bei zwei Optimisten

Von Jacqueline Lang, Dachau

Auch wenn dieser Eindruck schnell entstehen kann, wenn man die beiden ihrem stylishen Büro in der Dachauer Jocherstraße besucht: Das Leben von Julia Romeiß und Gregor Faubel ist nicht immer perfekt. Ganz im Gegenteil, häufig ist es das pure Chaos. Beziehung, Kinder und Arbeit unter einen Hut zu bringen, ist nicht immer einfach, erst recht nicht, wenn beide Partner beruflich selbständig sind. Zu allem Überfluss arbeiten die beiden Kreativschaffenden dann auch noch regelmäßig an gemeinsamen Projekten. Sind die verrückt, könnte sich da mancher fragen. Oder schaffen sie, woran viele verzweifeln: Familie und Job unter einen Hut zu kriegen?

Julia Romeiß, 40, ist das, was man gemeinhin wohl als Tausendsassa bezeichnen würde; sofern es eine weibliche Form des Wortes gäbe. Sie ist Grafik- und Kommunikationsdesignerin, betreibt mit einer Freundin die Papeterie "Herzlichst", hat einen Blog namens "Ein Stück vom Glück", macht Auftragsarbeiten für Kunden und schreibt Bücher, vor allem zum Thema DIY, kurz für do it yourself - mach' es selbst. Mittlerweile ist sie auch Teil des Studio Faubel, das ihr Partner, der Innenarchitekt Gregor Faubel, 39, gegründet hat. Seitdem entwickeln sie Produkte und Kreativkonzepte zusammen, zum Beispiel das Lichtkonzept im Café Samstagskinder in der Dachauer Altstadt. Sogar mehrere Bücher haben die beiden schon gemeinsam herausgebracht.

Für das erste Buch zum Thema Upcycling hat Romeiß 2016 eine Anfrage vom Verlag bekommen und schließlich Faubel kurzerhand mit ins Boot geholt. Erst im Mai dieses Jahres ist ihr letztes Buch "Tiny Balcony: Raumwunder für Balkon und Terrasse zum Selberbauen" erschienen. Das Thema könnte in Zeiten von Corona-Urlaub "auf Balkonien" wohl kaum aktueller sein. Und die Zusammenarbeit? Das sei "wie einen Ball hin und herzuspielen", beschreibt es Faubel. Es sei ein ständiger Austausch, der stets auf Augenhöhe stattfinde. Denn: Neben den gemeinsamen Projekten gibt es eben auch noch die eigenen Projekte - und mittlerweile zwei Kinder. "Am Ende ist das eine ganz feinfühlige Geschichte, manchmal geht es um Minuten", sagt Faubel. Was er meint: Jeden Tag wird aufs Neue mit der Zeit jongliert. Ob die gerechte Aufteilung geklappt hat, können die beiden abends daran festmachen, ob die Stimmung gut oder schlecht ist. Einen strikten Tagesplan gibt es nicht, "eher eine "grobe Taktung" - einmal mehr, seit die Corona-Krise das Leben aller auf den Kopf gestellt hat.

Denn kurz vor dem Lockdown und der damit einhergehenden Kita-Schließung war Ella, ihre Jüngste, gerade in der Eingewöhnungsphase. Weil der Kleinen das ganze Hin und Her nicht gut getan hat, bleibt sie nun bis auf weiteres zuhause, obwohl die Kitas wieder geöffnet haben. Ein Kind ist somit immer zu Hause, was die Sache mit dem Zeitmanagement nicht gerade einfacher macht. Aber bei Romeiß und Faubel lautet das Motto: Geht nicht gibt's nicht. "Wir haben dieses Riesenglück, dass der eine vom anderen weiß, wie wichtig ihm seine Arbeit ist", sagt Faubel. Ein Vorteil sei sicherlich gewesen, sagt Romeiß, dass sie und ihr Partner schon selbständig gewesen seien, als das erste Kind kam.

Existenzängste, wie sie zu Beginn der Krise viele hatten, kennen die beiden deshalb zwar auch, aber eben nicht erst seit einem halben Jahr. "Es war vorher auch nicht immer alles rosarot", sagt Romeiß. Wenn beide selbständig seien, sei man es einfach gewohnt, "dass manchmal keine Kohle da ist". Aber weil die beiden es sich so ausgesucht haben und ihre Prioritäten anders setzen, bedrücke sie diese Zeit der Unsicherheit nicht so sehr wie vielleicht manch anderen. "Corona hat gezeigt: Es gibt ohnehin keine Sicherheit", sagt Romeiß.

Was bei der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben hilft, ist dass die Familie mittlerweile in Dachau wohnt - obwohl das ursprünglich nie so geplant gewesen war. Kennengelernt haben sich der gebürtige Dachauer und Romeiß, die aus Mosbach in Baden-Württemberg stammt, in München. Mit Justus, ihrem ersten Kind, sind sie dann aber in das elterliche Haus von Faubel gezogen. Anfangs, so erzählt es Romeiß, habe sie immer noch gedacht, das sei nur eine Übergangslösung. "Wenn es uns nicht gefällt, dann ziehen wir wieder zurück nach München", habe sie sich eingeredet. Das ist mittlerweile fünf Jahre her. Und müsste sie, sagt Romeiß, heute eine Pro-und-Contra-Liste machen, dann würden die Vorteile des Lebens in der Kleinstadt wohl überwiegen. Auch Faubel habe, so sagt er, seine Heimatstadt durch seine Partnerin noch einmal neu entdeckt.

Anfangs sei da die Angst gewesen, in einer kleinen Stadt wie Dachau abgehängt zu werden, sich "gewissen Strukturen" anpassen zu müssen. Doch das Gegenteil sei der Fall, sagt Romeiß: "Das Bild, das wir uns jetzt geschaffen haben, hatte ich schon immer im Kopf." Sie meint: kurze Arbeitswege, eine Werkstatt direkt neben dem Haus, in der auch die Kinder Platz haben, aber auch der Austausch mit anderen jungen Kreativen, etwa in der Bürogemeinschaft "Jocher 8" oder auch Maria Luis von "Hello Dachau", die genau wie Romeiß eine Zugezogene ist. Grundsätzlich, so die Grafikdesignerin, könne sie wahrscheinlich mittlerweile von überall arbeiten, "wenn das Internet funktioniert".

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