Süddeutsche Zeitung

Dachauer Altstadt:"Ich will die Menschen glücklich sehen"

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Kulturamtsleiter Tobias Schneider organisiert jedes Jahr den Dachauer Musiksommer. Bei den drei Konzerten am Rathausplatz treten wieder große Namen auf - doch die Auftaktveranstaltung "Jazz in allen Gassen" liegt ihm besonders am Herzen

Interview von Gregor Schiegl

Am schönsten ist die Dachauer Altstadt im Sommer, denn dann ist hier richtig was los. Zu verdanken ist das auch Kulturamtsleiter Tobias Schneider, der jedes Jahr im Auftrag der Stadt den "Dachauer Musiksommer" organisiert. Neben hochkarätigen Konzerten von Künstlern aus Deutschland, Europa und den USA sind auch das Barockpicknick im Hofgarten des Dachauer Schlosses und die Auftaktveranstaltung "Jazz in allen Gassen" fester Bestandteil des Programms. Über mangelnden Zuspruch kann sich Schneider nicht beklagen - die Herausforderungen liegen ganz woanders.

SZ: "Moop Mama" war vor einigen Jahren extrem gehypt, Olli Schulz ist seit seinen Fernsehauftritten bei "Circus Halligalli" einem breiten Publikum bekannt. Täuscht das oder ist das Lineup des Musiksommers in diesem Jahr etwas massengängiger als in früheren Jahren?

Tobias Schneider: Ich finde, Moop Mama und Olli Schulz haben immer noch eine hohe Credibility, was die Musikalität und den Anspruch betrifft. Natürlich sind beide Bands in den vergangenen Jahren sehr bekannt geworden, aber es ist jetzt nicht so, dass sie Tausende von Menschen anziehen würden. Der Qualitätsanspruch ist mir schon wichtig. Das heißt nicht, dass ich von jeder Band persönlich ein Riesenfan sein muss. Die Konzerte sollen attraktiv sein für die Bürger in Dachau, für die Besucher aus der Metropolregion, aber auch für Leute, die von ganz weit weg kommen. Es sollen Konzerte für alle sein.

Ist die Nähe zu München für Sie als Veranstalter eher ein Vorteil oder ein Nachteil?

Es ist beides: Es ist ein Pluspunkt, weil wir auch Publikum aus der Metropolregion ziehen können. Die Schwierigkeit besteht allerdings daran, dass viele Bands nicht in Dachau und München spielen. Das würden auch die Veranstalter nicht wollen.

Musiker finanzieren sich heute mehr denn je über Gagen. Was bedeutet das für ein relativ kleines Konzertformat wie das Ihre? Erhöhen Sie die Preise oder buchen Sie jetzt billigere Bands?

Es ist eine Mischkalkulation. Wir schauen, dass wir mit den Preisen etwas hochgehen, aber netto immer noch unter 30 Euro bleiben, damit jeder, der wirklich zu einem Konzert kommen will, sich das auch noch leisten kann. Die ganz großen Namen wie Revolverheld, Patti Smith und Fleet Foxes - das waren die drei ausverkauften Konzerte bisher - das war in Zeiten, als so etwas noch bezahlbar war: Aber die Gagenspirale dreht sich relativ schnell nach oben. Es ist schwieriger geworden, Bands zu buchen, bei denen der ganze Rathausplatz ausverkauft ist.

In den Dachauer Musiksommer fließen auch städtische Mittel.

Wir haben ein Budget für den Musiksommer, das heißt, wir müssen nicht alles über Eintritte refinanzieren. Das ginge auch gar nicht. Wir können rund 50 000 Euro in den Musiksommer stecken, aber da ist Jazz in allen Gassen und das Barockpicknick schon mit dabei. Bei Jazz in allen Gassen kann im Idealfall eine schwarze Null rauskommen, bei schlechtem Wetter kann es mir aber auch ein großes Loch ins Budget reißen. Dass ein Konzert sich selbst trägt, passiert selten, wir haben ja keinen festen Veranstaltungsort. Wir müssen alles anmieten: die Bühnen, die Technik. Das ist ein großer Kostenfaktor. Aber egal wie viele Besucher kommen, der Musiksommer bringt der Stadt Publicity - in der Metropolregion und in Oberbayern.

Dachau ist aufgrund seiner Geschichte keine Stadt wie jede andere. Sie bieten den Musikern sogar an, sie in die KZ-Gedenkstätte zu begleiten. Warum ist Ihnen das als Kulturamtsleiter so wichtig?

Die Bands sollen sehen, dass wir die Stadt als ein Ganzes sehen. Diese Internationalität und die Lebendigkeit der Musik sehe ich als unmittelbare Verbindung zu uns als Lern- und Erinnerungsort. Das sind keine zwei getrennten Sachen: Ich will ja mit dem Dachauer Musiksommer nicht ein neues Image für Dachau schaffen.

Als 2016 die Besucherzahlen erstmals zurückgingen, haben Sie gesagt: "Man muss aufpassen, dass man es mit den Superlativen nicht übertreibt." Haben Sie manchmal Angst, dass der Musiksommer Opfer seines eigenen Erfolgs werden könnte?

Eigentlich nicht. Der Erfolg darf sich aber auch nicht allein daran messen, ob der Rathausplatz, der 1800 Leute fasst, proppevoll ist, oder ob mal nur 1000 Leute da sind. Es soll ein gutes Konzert sein, die Leute sollen Spaß haben und sagen: "Das war ein toller Abend." Viele sagen mir, dass der Rathausplatz in Dachau ihr Lieblings-Open-Air-Ort ist; die kommen sogar dann, wenn ihnen die Band mal nicht so zusagt.

Zum besonderen Flair gehört, dass die Konzerte mitten in der Altstadt über die Bühne gehen. Gibt es da keine Konflikte mit den Anwohnern?

Ich denke, grundsätzlich freuen sich die Dachauer, dass so etwas wie der Musiksommer in ihrer Stadt stattfindet. Wir schauen ja auch, dass wir um elf, spätestens um halb zwölf fertig sind und dass der Abbau bis ein Uhr vorbei ist. Alles wird so verträglich wie möglich gestaltet. Die unmittelbaren Anwohner laden wir ein zum Konzert, wenn es in ihrer Wohnung zu sehr scheppert. Wir haben nur ganz wenige Beschwerden, nichts Gravierendes. Ich hoffe, das klappt mit den Leuten, die jetzt neu in die Altstadt ziehen, genauso gut.

Die für die Dachauer wichtigsten Veranstaltungen, "Jazz in allen Gassen" und das Barockpicknick, waren in den vergangenen Jahren oft sehr überlaufen. Wie soll das auf Dauer funktionieren in einer stetig wachsenden Stadt?

Das ist definitiv eine Herausforderung bei Jazz in allen Gassen: Wir haben dieses Jahr auch zum ersten Mal ein formelles Sicherheitskonzept erstellen lassen müssen, in dem viele Details geregelt sind und auch kontrolliert werden. Die Altstadt fasst theoretisch eine ganze Menge Besucher. Tatsächlich ist der Schwellenpunkt aber bei etwa 14 000 bis 15 000, danach wird es ungemütlich. Es ist mir auch ganz wichtig, dass Jazz in allen Gassen die erste Veranstaltung des Musiksommers ist. Es definiert schon die Stimmung der Stadt für den Rest des Sommers, und es ist immer wieder toll, zu sehen, wie die Menschen sich freuen. Das Schöne an der Kulturarbeit ist für mich vor allem, die Menschen glücklich zu machen und sie glücklich zu sehen.

Beim Barockpicknick ist auch jedes Jahr mehr los, wenn das Wetter mitspielt.

Das Barockpicknick ist auch eine wichtige Veranstaltung für die Dachauer. Wir machen keinerlei gesonderte Werbung, weil wir vermeiden wollen, dass dieser eine Abend, an dem der Hofgarten für die Bürger geöffnet ist, zu einem Massenspektakel wird. Man muss ja teilweise jetzt schon relativ lange anstehen. Wir versuchen, das dieses Jahr etwas zu entzerren mit zwei Eingängen. Wir werden das Einlasssystem auch so verändern, dass die Leute schneller reinkommen. Aber auch hier wollen wir Augenmaß behalten: Es soll ein schöner Abend mit 1500 bis 2000 Leuten werden, dann ist der Hofgarten gut gefüllt, aber es gibt immer noch Platz für jeden.

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Quelle:
SZ vom 28.05.2018
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