Kolumne:Sprachnachricht? Unromantisch! Ein Plädoyer für den guten alten Liebesbrief

Postkasten Augsburger Straße Dachau

Diesen Apell hat jemand auf den Briefkasten in Dachau in der Augsburger Straße gekritzelt.

(Foto: Thomas Radlmaier THRA)

Die Welt der Liebenden hat sich gewandelt. Ein Plädoyer für den Klassiker der Liebesbekundungen: den Liebesbrief.

Kolumne von Thomas Radlmaier

Verehrte vermeintliche Verehrer, der Killer jeder Liebesbeziehung ist die Sprachnachricht, die Diktatur unter den Kommunikationsmöglichkeiten. Jeder weiß: Das Wichtigste in einer Beziehung ist, dass die Verliebten miteinander sprechen. Mausi sagt etwas zu Schatzi, der/die darauf seinen/ihren liebevollen Senf dazu gibt.

Kommunikation ist nicht, wenn Mausi minutenlang in sein/ihr Smartphone blablat, das Gelaber per Whatsapp an Schatzi schickt, versehen mit der schriftlichen Nachricht: "Hi Schatzi, hab dir eine Voice gemacht:-*!" Schließlich bleibt dem machtlosen Schatzi nichts anderes übrig, als sich diese "Voice" anzuhören, ohne direkt widersprechen zu können. Die Sprachnachricht macht den Empfänger mundtot.

Einen Liebesbrief findet man nach 40 Jahren auf dem Dachboden

Was nun folgt, soll kein Früher-war-alles-besser-Abgesang werden. Aber früher war alles besser. Die Menschen schickten sich Liebesbriefe. Dafür überlegten sie stundenlang, welche Komplimente sie dem/der Angebeteten machen wollten. Anschließend schrieben sie ihre Gefühle auf ein Blatt Papier, das sie in ein Kuvert steckten und per Post verschickten. Die Briefträger waren die Liebesboten.

Heute sehnt sich so manch Liebender nach den alten Zeiten zurück: Jemand hat in Dachau auf den Postkasten in der Augsburger Straße/Ecke Brucker Straße folgende Zeilen mit schwarzem Edding geschrieben: "Schreib ihr einen Liebesbrief. Dass sie in 40 Jahren Whatsapp-Nachrichten auf dem Dachboden findet, ist eher unwahrscheinlich." Wegen der schönen Handschrift geht man davon aus, dass es sich bei dem Urheber um eine Frau handelt, die auf einen Brief wartet. An dieser Stelle will man ihre Aufforderung mit einem Appell an den unbekannten Empfänger dieser Postkasten-Nachricht unterstützen: Schreib ihr endlich einen Brief, du Hirsch! Wenn das zu viel verlangt ist, dann ruf sie an! Aber was auch immer du tun wirst: Schick ihr alles, bloß keine Sprachnachricht!

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