Musiker Toby Gad:Zurück zu den Wurzeln

Seine erste Begegnung mit dem Klavier hatte er in der Ruckteschell-Villa. Heute lebt Toby Gad in den Hollywood Hills und komponiert Hits für die Größen der Popmusik. Jetzt besuchte der prominente Dachauer seine Heimatstadt

Von Niels P. Jørgensen, Dachau

Ein Popmusiker trägt sich ins Goldene Buch seiner Stadt ein, neben prominenten Politikern und Gästen Dachaus, neben Ehrenringträgern und dem Ehrenbürger. So ganz selbstverständlich ist das erst einmal nicht. Noch dazu, wenn seinen Namen eigentlich nur Insider kennen - obwohl seine Musik von Millionen gehört wird. Aber es kommt auch nicht oft vor, dass ein aus Dachau stammender Musiker für hochrangige Politiker bei UN-Generalsekretär Ban Ki-moon in der UN-Vollversammlung spielt.

Toby Gad ist in Dachau aufgewachsen und gehört inzwischen zu den erfolgreichsten Pop-Musikern und Produzenten weltweit. Aus Anlass eines Besuches bei seinem Vater, dem immer noch als Jazzmusiker aktiven Christian Gad, hat ihn Oberbürgermeister Florian Hartmann zusammen mit Familie und ehemaligen Band-Kollegen in die Ruckteschell-Villa eingeladen, um sich dort ins Goldene Buch der Stadt Dachau einzutragen.

Der Ort ist natürlich nicht zufällig gewählt: In der Ruckteschell-Villa hat Toby die ersten Jahre seines Lebens verbracht, in den sechziger Jahren wohnte hier sein Großvater, der Flugzeugfabrikant Egon Scheibe, und hier hat Toby Gad seine ersten Begegnungen mit der Musik gehabt. Im Atelier gab es damals eine kleine Bühne, auf der seine Eltern, Christian und Gaby Gad, mit der Formation Jazzkids Musik machten. Wenn das Klavier frei war, konnten Toby und sein Bruder Jens darauf spielen. Dass hier heute ein kleines Museum, eine Kunstschule für Kinder und Appartements für Gastkünstler untergebracht sind, beeindruckt ihn sichtlich. Er erzählt von den teilweise sehr provisorischen Schuppen, in denen er mit Bands wie den Gad-Rollers oder Blow Up, gemeinsam mit dem Gitarristen Helge Sondermann, in Dachau angefangen hat. "Ich konnte mir damals nicht vorstellen, dass man von Musik wirklich leben kann", sagt er, lächelt und schaut sich die Arbeiten Ruckteschells im ehemaligen Wohnzimmer seiner Großeltern an.

Heute kann Toby Gad sehr komfortabel von seiner Musik leben. Nach Einschätzung des ehemaligen Bandkollegen und Münchner Studiomusikers Julian Feifel ist sein Erfolg geradezu historisch: "Ich kenne keinen anderen Deutschen, der es in dieser Szene so weit gebracht hat." Dabei ist der in Günding und Dachau aufgewachsene ehemalige Schüler des Ignaz-Taschner-Gymnasiums streng genommen gar kein Deutscher. Von Papa Christian hat er einen dänischen Pass, neben dem jetzt endlich erworbenen amerikanischen.

Closing ceremony of Climate Summit.

Toby Gad trat mit Natasha Bedingfield beim Klimagipfel der Vereinten Nationen auf.

(Foto: UN Photo/Yubi Hoffmann)

Seine Karriere verlief auf jeden Fall atemberaubend. Das Talent war ihm in die Wiege gelegt und er hat eine Menge daraus gemacht. Ende der achtziger Jahre kamen erste kommerzielle Erfolge, als Frank Farian ihn und seinen Bruder als die wirklichen Musiker hinter der Playback-Band Milli Vanilli verpflichtete. Ende der neunziger Jahre entschloss sich Toby, ein Studio in New York City aufzumachen. Es folgten 14 Jahre, in denen er nach eigenen Worten "nur gearbeitet" hat.

2008 kam dann der Durchbruch. Nach der Grammy-Nominierung für Fergie's Interpretation seines Songs "Big Girls Don't Cry" wurden die Großen der Popwelt auf den talentierten Komponisten aufmerksam. Er arbeitete fortan mit Künstlern wie Miley Cyrus, Natasha Bedingfield, Mandy Capristo, Fergie, Shakira, Nick Carter, Donna Summer, Selena Gomez und Beyoncé, deren Megaerfolg "If I were a Boy" aus seiner Feder stammt. Sein New Yorker Studio hat er verlassen, lebt und arbeitet jetzt auf den Hollywood Hills in Los Angeles und versucht, möglichst viel Zeit mit seiner Frau und den zwei Kindern im Haus am Meer in Malibu zu verbringen. Wenn er nicht gerade, wie in den vergangenen Wochen, mit Superstars wie Madonna unterwegs ist, um an deren nächsten Album mitzuarbeiten, oder in London eine neue Platte für Leona Lewis produziert. Von dort ist er zu seinem Kurzbesuch beim Papa in Dachau herübergejettet.

"Es fühlt sich schon gut an, wenn man für einen Hit achtmal Platin innerhalb eines Jahres bekommt", erzählt der Komponist und meint den von ihm mitkomponierten und mehr als viereinhalb Millionen Mal verkauften Hit "All of me", mit dem Sänger John Legend im vergangenen Sommer die US-Hitparaden stürmte.

Fast nebenbei berichtet er während des Rundgangs durch die alte Villa von Projekten, die ihm besonders am Herzen liegen. So durfte er zum Abschluss des UN-Klimagipfels 2014 am 23. September vor Hunderten Staatschefs aus aller Welt im UN-Plenarsaal mit Natasha Bedingfield seinen "Love Song to the Earth" vortragen. Dieses Lied will er in den kommenden Monaten mit Popstars aus aller Welt ähnlich wie den Titel "We are the world" zu einer Hymne gegen die Erderwärmung machen. Der Einsatz gegen den Klimawandel liegt Toby Gad am Herzen und er möchte seine Möglichkeiten dafür nutzen. In Amerika rede man viel zu wenig darüber, findet er.

Musiker Toby Gad: Hier trägt er sich ins Goldene Buch der Stadt Dachau ein.

Hier trägt er sich ins Goldene Buch der Stadt Dachau ein.

(Foto: npj)

Der Song ist nicht das erste Wohltätigkeitsprojekt, für das sich Dachaus prominentester Musiker engagiert: Zum Weltflüchtlingstag, am 20. Juni 2013, war er gemeinsam mit John Legend und dem Song "Peace" Gast bei US-Außenminister John Kerry in Washington. Zuvor hatte er sich mit musikalischen Beiträgen im Auftrag der Vereinten Nationen für mehr Humanität und die Förderung von Frauen in Afrika eingesetzt. "Es ist noch befriedigender und schöner, wenn es über die Musik hinausgeht", begründet er sein soziales und politisches Engagement.

Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass ihm Umweltschutz auch im privaten Bereich wichtig ist. Eine 13-Kilowatt- Solaranlage auf dem Dach seines Hauses produziert mehr Strom, als er selber verbraucht. Und neuerdings legt er den Weg zur Arbeit auf einem für Los Angeles eher exotischen Verkehrsmittel zurück: "Mit dem Fahrrad brauche ich nur zwölf Minuten von der Wohnung zum Studio - und man fühlt sich jünger dabei", sagt Toby Gad schmunzelnd, bevor er sich an den Runden Tisch im Erker der Ruckteschell-Villa setzt und sich, umringt von allen drei Dachauer Bürgermeistern, ins Goldene Buch der Stadt einträgt. "Es ist schön, wieder mal hier zu sein und eine große Ehre für mich", sagt er und blättert durch die früheren Einträge im Goldenen Buch, entdeckt direkt vor seinem den von Bundeskanzlerin Angela Merkel und verspricht, wiederzukommen, um beim nächsten Besuch in seiner Heimatstadt die jungen Musiker von heute in ihren Übungsräumen kennenzulernen.

Er ist einer, der es geschafft hat, ohne abzuheben. Toby Gad steht mit beiden Beinen fest auf der Erde. Er kann seinen Erfolg genießen, hat ihn sich ehrlich erarbeitet. Aber er weiß auch, wie vergänglich der Erfolg ist: "Nach ein paar Wochen in den Hitparaden interessiert sich keiner mehr für einen Song." Sofort muss etwas Neues her. Da ist Amerika noch schnelllebiger als das gute alte Europa.

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