Dachau:Zur Straftat verlockt

Amtsgericht Dachau lässt Milde walten und verurteilt 21-Jährigen wegen Kreditschwindels zu einem Arbeitswochenende.

Daniela Gorgs

Es klingt vermessen, den Angeklagten als das Opfer zu beschreiben. Das, was ihm vorgeworfen wird, wiegt schwer. Und doch: Der 21-jährige Mann, der sich wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung vor dem Amtsgericht verantworten muss, erweckt Mitleid. So sehr, dass ihn der Staatsanwalt am Ende sehr milde bestrafen möchte. Milder, als dies die Jugendgerichtshilfe will. Und das ist außergewöhnlich.

Prozess zu Telekom-Spitzelaffäre

Ein 18-Jähriger gerät in kriminelle Kreise und wird selbst straffällig.

(Foto: dpa)

Die Tat liegt schon sehr lange zurück. Es war im März 2009. Der Angeklagte ist gerade erst volljährig geworden. Er begleitet seinen Vater in den Landkreis Fürstenfeldbruck. Sie wollen sich ein Haus ansehen und warten auf die Maklerin. Um sich die Zeit zu vertreiben, spazieren sie durch das Viertel. Bleiben bei einem Autohändler hängen und schauen sich um. Ein engagierter Verkäufer kommt mit dem damals 18-Jährigen ins Gespräch und will ihm einen großen Kombi für knapp 17 000 Euro andrehen. Der Vater schüttelt den Kopf und zieht seinen Sohn weiter.

Dann fährt der 18-Jährige alleine zu dem Autohändler. Der Kombi hat ihm gefallen. Das wäre genau das richtige Auto für ihn. Er möchte sich als Gebäudereiniger selbständig machen. Skeptisch fragt er den Händler, ob der Kauf realistisch sei. Bis auf ein paar Kundenzusagen habe er als frisch gebackener Unternehmer nichts in der Hand. Er sei jung und habe noch nichts verdient. Doch der Verkäufer winkt ab. "Kein Problem." Der Händler stellt dem 18-Jährigen einen Kontakt her zu einem Bekannten, der ihm Lohnabrechnungen fälscht und dafür 100 Euro in bar kassiert. Mit diesen Fälschungen bekommt der junge Mann einen Kredit von 21 500 Euro bei der Bank und zahlt damit Auto und Versicherung.

Die monatlichen Raten von 349 Euro allerdings kann er nur vier Mal bezahlen. Ein Jahr später wird der Kombi sichergestellt und versteigert. Den Restbetrag stottert der inzwischen 21-Jährige monatlich mit 200 Euro ab. Jetzt sind noch knapp 5000 Euro offen.

Der Angeklagte erzählt die Geschichte zusammen mit seinem Verteidiger ausführlich und ruhig. All das, was in der Anklageschrift steht, stimme. Sein Anwalt fasst das Ganze so zusammen: "Da ist ein Verkäufer offensiv tätig geworden und hat einen jungen Burschen gefunden, der sich aus jugendlichem Leichtsinn heraus zu dem Kauf hat hinreißen lassen." Das Jugendgericht unter dem Vorsitz von Daniel Dorner sieht den Fall genauso. Der Amtsrichter hält dem jungen Mann zugute, dass er von Anfang an geständig war und bei der Aufklärung mitgeholfen hat. Doch spart er nicht mit Kritik: Die Reihenfolge, in welcher der Angeklagte sein Arbeitsleben beginnen wollte, sei falsch gewesen. "Man steigt nicht mit einem großen Auto in die Selbständigkeit ein." Die Jugendgerichtshilfe spricht von einer "jugendtypischen Tat" und "Reifeverzögerungen". Der junge Mann, der nach dem Hauptschulabschluss zwei Ausbildungen abgebrochen hat, lebt noch bei seinen Eltern. Zur Ahndung schlägt sie zehn Tage Sozialdienst vor. Dem Verteidiger wäre eine Geldstrafe lieber. Sein Mandant sei von Montag bis Samstag unterwegs, um seine Aufträge zu erledigen und die Schulden zu bezahlen. Der Staatsanwalt schlägt ein Arbeitswochenende bei der Brücke vor. Bei der pädagogischen Aufarbeitung könne der 21-Jährige anderen Straffälligen auf Augenhöhe von den Folgen seiner Tat berichten. Zu eben dieser Strafe verurteilt ihn der Richter. Zur Begründung merkt Dorner an, der Angeklagte sei zufällig in kriminelle Kreise geraten, aber selber straffällig geworden. "Sie wussten, dass Sie gefälschte Lohnabrechnungen unterschrieben haben." Das Urteil ist rechtskräftig. Der Autoverkäufer und der Urkundenfälscher haben das Gerichtsverfahren noch vor sich.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: