Süddeutsche Zeitung

Dachau:Zoff ums Moos

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Kindgerecht, aber bisweilen arg didaktisch vermittelt das Wandertheater Konflikte in Dachaus Natur

Am 26. November 2021 gegen 15.30 Uhr fuhr ein etwa 45 Jahre alter Fahrradfahrer mit seinem Rennrad nördlich des Obergrashofs in eine Wandergruppe. Fast wäre es zu Handgreiflichkeiten gekommen.

Was sich liest wie aus einem Polizeireport, ist Teil eines Theaterstücks, das am vergangenen Sonntag rund um das Umwelthaus des Vereins Dachauer Moos auf dem Obergrashof bei Dachau seine Uraufführung hatte. An sieben Stationen konnten die 35 Besucher mit allen Sinnen in die Geschichte und Gegenwart des Dachauer Mooses eintauchen.

Besagter Kampfradler - erschreckend wirklichkeitsnah gespielt von Markus Nau - vertrat dabei die widerstreitenden Interessen unserer individualisierten und widersprüchlichen Zeit: Lust auf freie Landschaft, aber ein neu gebautes Eigenheim mittendrin. Natur ja gerne, aber bitte ohne Stanzen und Schlaglöcher. An weiteren Stationen konnte man Bekanntschaft machen mit einer exaltierten Schwabinger Landschaftsmalerin (zum Schreien komisch: Lisa Schamberger) aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts, einem Torfstecher (ebenfalls Markus Nau) aus dem 19. Jahrhundert und einem "Schnäppchen-Deifi" der Gegenwart. Gerahmt wurde das Stück von allegorischen Figuren für die Natur, die Zivilisation und das Wasser, den Kräften, die die Entwicklung und Nutzung des Dachauer Mooses über die Jahrhunderte prägten. Kongenial: Carolin Schubert als Madame Kultura und Markus Nau als ein die Natur verkörpernder Schrat. Manfred Nadler führte als "Guter Geist des Dachauer Mooses" - so auch der Titel des Stücks - mit Lederhose und Zylinder von Station zu Station. Begleitet und herausgefordert wurde er von einem anarchistischverspielten Kobold (Lisa Schamberger), der das didaktisch zuweilen etwas arg aufgeladen wirkende Stück konterkarierte.

Tatsächlich lautete der Auftrag des Vereins Dachauer Moos und der Landeshauptstadt München auch, ein Theaterstück zu entwickeln, das auf kreative Art den Wert der Mooslandschaft vor unserer Haustür verdeutlicht und gleichzeitig auf die Problematik der unterschiedlichen Nutzungsinteressen aufmerksam macht. Diesen Auftrag hat das Ensemble des Wald-der-Bilder-Projekts unter Leitung von Michaela Soiderer innerhalb kürzester Zeit hervorragend umgesetzt und die Landschaft zur Bühne gemacht.

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Quelle:
SZ vom 16.10.2021 / SZ
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