Dachau:Zeitreise in die Gegenwart

Die Ausstellungen über die Kunst des Holzschnitts von Walter Klemm und Carl Thiemann in der Gemäldegalerie und in der zeitgenössischen Neuen Galerie von Stadt und Landkreis ergänzen sich

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Was für Gegensätze. Die lichtdurchflutete Sonderausstellung der Gemäldegalerie zeigt Werke zweier kunsthistorisch bedeutsamen Künstler des Holzschnitts, Walter Klemm und Carl Thiemann. Sie prägten die Zeit der Künstlerkolonie Dachau zu Beginn des 20. Jahrhunderts und brachten mit ihrer Technik eine neue Bildsprache in die damals kleine Stadt. Besonders konzentrierten sie sich auf den japanischen Holzschnitt in seiner Filigranität.Für jeden Vorgang des aufwendigen Druckverfahrens brauchten die beiden eine eigene geschnitzte Vorlage.

Unten in der Neuen Galerie für zeitgenössische Kunst, im Hinterhof der Altstadt, hat der 37-jährige Jan Borkof Hausfluchten von Großstädten und auch seinen eigenen Blick aus dem neunten Stock eines Plattenbaus in Schwedt an der Oder in einem brachialen Stil aufs Papier geworfen. Im Gegensatz zu den von Jugendstil und dem Beginn der Abstrakten Kunst beeinflussten Klemm und Thiemann braucht Borkof nur jeweils eine Vorlage, die er sich für alle Druckvorgänge zurecht schnitzt. Dieses Prinzip der verlorenen Platte - sie ist nach dem Drucken nicht mehr zu verwenden - ist nicht weniger technisch anspruchsvoll als die japanische Variante. Das sieht man an den Grauschattierungen, wie der Regen in einem der Bilder auf eine Stadtlandschaft hinabfällt. Stadtlandschaften haben auch die beiden Dachauer Künstler in wunderbaren Lichtspielen Prager Ansichten gezaubert. Borkof braucht die Wucht, um die Hochhäuserfluchten in Paris, Berlin und anderswo angemessen umzusetzen. Holzschnittartig eben.

Die Ausstellung in der Neuen Galerie ist ein geglücktes Pendant zu Klemm und Thiemann, weil sie darlegt, wie sich eine Technik entwickelt und dabei zeitgemäße Ausdrucksformen schafft. Dadurch gelingt es den beiden kommunalen Galerien von Stadt und Landkreis die Geschichte der Kunst in Dachau in die heutige Zeit fortzuführen. Zum einen präsentiere n sie die Auseinandersetzung mit einer künstlerischen Technik. Zum anderen zeigen sie den geänderten Blickwinkel auf ein zentrales Dachauer Thema: die Landschaft. Das Idyll ist weg. In der Karikatur heutigen städtischen Lebens, das Borkoff zynisch-kindlich als "Problemviertel" dreidimensional in Szene setzt, ist der Wunsch nach Schönheit nur noch in seinem Gegenteil präsent.

Die Gegenwart als Albtraum findet sich auch in den Werken von der 40-jährigen Susanne Hanus aus Berlin. Sie druckt nicht mehr, sondern gestaltet die Holzplatzen zu geschnitzten Kunstwerken. Dabei kehrt sie das Verfahren um. Sie färbt die Platten zuerst ein und schnitzt dann ihre Figuren und Szenen heraus. Susanne Hanus ist eine Erzählerin, die Geschichten über mehrteilige Paravents ineinander verwebt. Die Gleichzeitigkeit einzelner Geschichten lässt eine Traumlandschaft entstehen, in der das Muster eine Sofas, auf dem ein Mann liegt, sich in eine Straße verwandelt, die im nirgendwo endet. Die Figuren, die der schlafenden jungen Frau mit Handy erscheinen, reichen zurück in mythologische Zeiten.

Kuratorin Jutta Mannes hat für die Neue Galerie Werke ausgewählt, die sich um das Reisen drehen und den Betrachter in eine schlafwandlerische Atmosphäre eintauchen lassen. Der innere Gegensatz dazu sind die realistisch anmutenden und schonungslosen Architekturbilder von Jan Borkof. In dieser Konfrontation lotet Jutta Mannes die heutigen Möglichkeiten des Holzschnitts aus. Deshalb schaut man sich die Klemm-Thiemann-Ausstellung und die beiden Künstler in der Neuen Galerie am besten nacheinander an.

Vernissage in der Neuen Galerie, Konrad-Adenauer-Straße 20 ist an diesem Donnerstag, 12. Mai, 18.30 Uhr.

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