Mitten in Dachau:Anna, 88 Jahre, wünscht sich einen Tausendfüßler

Mitten in Dachau: Auch in diesem Jahr steht ein Wunschbaum vor der Dachauer Candisserie.

Auch in diesem Jahr steht ein Wunschbaum vor der Dachauer Candisserie.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Eine Dachauerin zieht einen Zettel vom Wunschbaum. Nur: Sie weiß nicht, was die Seniorin, deren Zettel sie gezogen hat, genau braucht. Über die Tücken des Wunschzettels.

Glosse von Jacqueline Lang, Dachau

Wunsche erfüllen, das ist gar nicht so einfach. Den Geschmack der zu Beschenkenden oder des zu Beschenkenden zu treffen, ist eine wahre Kunst. Nicht umsonst rennen in den Tagen nach Weihnachten alle Jahre wieder Zigtausende in die Geschäfte, um die kratzigen Pullover und scheußlichen Tassen von Tante Elsbeth und Onkel Rudi umzutauschen - gegen etwas, das wirklich gefällt. Es gehört zum Fest dazu: wie viel zu viele Plätzchen und übergriffige Fragen.

Auf die Idee, einfach zu fragen, was der geliebte Mensch, dem man eine kleine Freude machen will, sich wünschen könnte, kommen nur die Allerwenigsten. Vermutlich, weil sie denken: Vorfreude sei die schönste Freude. Nur: Neben schönen Überraschungen gibt es eben auch böse. Deshalb ist so ein Wunschzettel in vielen Fällen wirklich eine gute Sache, erspart er doch Tränen, Frust und Müll.

Nur was, wenn, wie im Fall einer Seniorin, der niedergeschriebene Zettel so formuliert ist, dass die Schenkerin ratlos ist, was gewünscht ist? "Hallo liebes Christkind, ich bin die Anna und ich bin 88 Jahre alt. Ich habe es gerne warm, deshalb wünsche ich mir sehr gerne einen Tausendfüßler (Pulswärmer) für dieses Weihnachten."

Eine Dachauerin hat den Wunsch der 88-jährigen Anna vom Wunschbaum vor der Candisserie gefischt. Doch nun ist sie unsicher, "was ein Tausendfüßler in Zusammenhang mit Pulswärmer sein könnte". Die Suche im Internet jedenfalls habe "nichts Brauchbares ausgespuckt" - also ist die Schwarmintelligenz des "Dachauer Ratsch" mal wieder gefragt. Und die Facebook-Gruppe liefert: "Sie meint Armstulpen. Ich glaube, Tausendfüßler ist ein alter Ausdruck dafür."

Um auf Nummer sicher zu gehen, will die gute Fee trotzdem noch einmal bei der Seniorin direkt nachfragen lassen - sicher ist sicher. Eines, das verspricht sie aber jetzt schon: "Der Wunsch wird erfüllt!" Anna, 88 Jahre, bekommt also ihren Tausendfüßler.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusErinnerungskultur
:Zeitreise in die Gegenwart

Für das Theaterstück "News from the Past" der Münchner Kammerspiele an der KZ-Gedenkstätte werden ukrainische und deutsche Perspektiven auf die Vergangenheit und Gegenwart aufgezeigt - und auf bedrückende Weise vermischt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: