Veganismus:Wenn Essen zur Philosophie wird

Immer mehr Menschen ernähren sich vegan. Restaurants, Caterer und Lebensmittelmärkte stellen sich darauf ein.

Von Fam Marie Schaper, Dachau

Immer mehr Menschen legen Wert darauf, sich gesund zu ernähren, wie Umfragen belegen. Der Trend ist überall zu spüren. In den Buchhandlungen füllen sich die Regale immer mehr mit Kochbüchern, die Low-Carb-Gerichte anpreisen. Rohkost gilt als Wundermittel, um schlank zu werden, und grüne Smoothies sind die homöopathische Medizin von heute. Aber es kommt schon lange nicht mehr nur auf die eigene Gesundheit an - auch die Moral spielt nun beim Einkaufen eine Rolle. Und es gibt nicht mehr nur Vegetarier, die sich davon abwenden, Fleisch zu verzehren: Jetzt werden auch Eier, Milch und Honig abgelehnt. Veganismus ist der neue Ernährungstrend.

Auch in Dachau servieren Restaurants nicht mehr nur Braten und Hendl, inzwischen gibt es auch rein pflanzliche Burger und Gebäck ohne Ei. Es wird sich auf eine Bewegung eingelassen, der immer mehr Menschen angehören. Nach einer Erhebung des Vegetarierbunds Deutschland e.V. leben deutschlandweit etwa eine Million Menschen vegan, das macht 1,1 Prozent der Bevölkerung aus. Damit gehören sie zwar zu einer Minderheit, doch nicht nur Veganer kaufen Mandelmilch und Sojajoghurt. Viele Menschen greifen neuerdings zu pflanzlichen Alternativen.

"Auch vegetarisch war mal eine belächelte Außenseiterernährung"

Diese Bewegung wirkt sich auch auf die Geschäfte von Dachauer Lebensmittelhändlern und Restaurantbesitzern aus. Das Reformhaus Simm und die Naturkostinsel führen beide schon seit ungefähr zehn Jahren vegane Lebensmittel, haben sich also schon mit dem Thema befasst, bevor es überhaupt zu einer Modeerscheinung wurde. Das Reformhaus Simm gibt es schon seit 61 Jahren, deswegen haben Friedrich Simm, der heutige Inhaber, und seine Familie auch erlebt, wie der Vegetarismus aufkam. "Auch vegetarisch war mal eine belächelte Außenseiterernährung", sagt Simm. "Jetzt haben wir einen Kundenstamm." Die gleiche Entwicklung vollziehe sich nun auch mit dem Veganismus. Seit fünf Jahren habe er ein größeres Sortiment eingerichtet, da es immer gefragter wurde. Und es lohnt sich. Die Produkte werden gut verkauft.

Auch Maria Scheiblhuber, Besitzerin der Naturkostinsel, erzählt von dieser Entwicklung. Sie spüre den Trend seit fünf Jahren. Früher seien vegane Lebensmittel nicht so gefragt gewesen, heute wollen ihre Kunden bewusst Produkte kaufen, die frei von tierischen Bestandteilen sind. Dabei seien es nicht zwingend strenge Veganer, die an pflanzlichen Nahrungsmitteln interessiert seien. Auch Fleischesser testen immer wieder neue Rezepte, berichtet Scheiblhuber. "Viele wollen einfach etwas Neues ausprobieren."

Ein ganz anderes Kochen

Aber inzwischen sind vegane Dachauer nicht mehr nur darauf angewiesen, für sich selbst zu kochen. Restaurants im Landkreis gehen mit dem Trend mit, weil sie jedem Gast Gerichte anbieten möchten. Die Wirtschaft Finale des ASV Dachau gehört zu diesen Restaurants. Die Umstellung habe mit dem Catering begonnen, berichtet Ewald Zechner, Leiter des Restaurants. Die Firmen oder Privatpersonen, die bei ihnen für Feste das Catering angefordert hatten, fragten immer häufiger nach veganen Gerichten und in manchen Fällen sogar nach ganzen Menüs. "Das Repertoire musste erweitert werden", sagt Zechner. "Es war uns wichtig, unseren Kundenstamm zu pflegen." Da er sich immer wieder weiterbildete, war er in der veganen Küche bereits bewandert, als die Nachfrage wuchs. Sein Team konnte er somit intern schulen und an die neuen Umstände anpassen. "Was nötig war", sagt Zechner. "Es ist ganz anderes Kochen."

Doch noch sei das vegane Geschäft nicht lukrativ. Die Nachfrage sei bislang nicht groß genug. Aber trotzdem halten er und sein Team daran fest. Und bieten die veganen Gerichte nicht mehr nur im Catering, sondern auch im Restaurant an. Doch nicht jede Wirtschaft hat sich erst auf den Trend eingestellt: Der Burgergrill Effe und Gold in der Dachauer Altstadt führt seit seiner Eröffnung vor zwei Jahren Burger ohne tierische Bestandteile. Sie testeten vorher nicht, ob die Nachfrage dafür überhaupt vorhanden war. "Dass die Nachfrage dafür kommen würde, war abzusehen", sagt der zweite Geschäftsführer Marold Wimmer. Und sie haben damit Recht behalten. Viele Dachauer greifen auf die pflanzlichen Burger zurück und es werden immer mehr, so Wimmer.

Die Metzger profitieren von dem Trend

Aber trotz der fleischfreien Bewegung, die immer mehr Zudrang erhält, bleibt das Fleisch nicht in Supermärkten liegen, die Metzger sitzen nicht arbeitslos auf der Straße. Fabian Schneider, Besitzer der Bio-Metzgerei Schneider, ist sogar der Meinung, dass sich die neue Mode positiv auf sein Geschäft auswirkt. Der Veganismus habe eine Diskussion über Qualität und die Verhältnisse in der Massentierhaltung entfacht. "Die Menschen leben bewusster", sagt Schneider. Da die Menschen Massentierhaltung in Frage stellten, würden sie eher auf das Fleisch des regionalen Metzgers zurückgreifen. Hier könnten sie sicher sein, dass die Tiere artgerecht gehalten werden. "Für uns Fachmetzger ist das eine gute Entwicklung." Dem Einzelhandelssterben würde mit der bewussten Lebensweise entgegengewirkt.

Menschen aus Dachau, die sich mit Bio-Produkten ernähren wollen, sind also gut versorgt. Doch zum Leben als Veganer gehört mehr als nur eine Ernährung ohne Fleisch, Ei, Milch und Honig. Auch bei der Herstellung der Kleidung dürfen keine Tiere gestorben oder ausgebeutet worden sein. Leder und Pelz sind bekanntlich nicht moralisch vertretbar für Veganer, aber auch Wolle und Seide sind tabu. Hier müssen Tiere zwar nicht sterben, aber sie sind häufig schlechten Haltungsbedingungen ausgesetzt.

In Dachauer Schuhläden jedoch ist Kunstleder definitiv nicht gefragt, da sind sich die Verkäufer der Schuhläden Rössler, Siemens, Hablitzel und Schuh Marcus einig. Die Dachauer seien an qualitativem Leder interessiert und nicht an moralisch einwandfreien Materialien. Auch stehe Style oft noch über dem Tierwohl. Die Ernährung auf rein pflanzlicher Basis mag sich durchgesetzt haben, die Umstellung auf vegane Kleidung lässt jedoch noch auf sich warten. Dies zeigt, dass sich nicht alles um die Unversehrtheit des Tieres dreht, sondern, dass auch persönliche Interessen des Menschen eine Rolle spielen. Von der veganen Ernährung können auch die Menschen profitieren, der Cholesterinspiegel senkt sich und man beugt das Verkalken der Arterien vor. Solche Nutzen fallen bei dem Tragen von Kleidung, die frei von tierischen Bestandteilen ist, weg. Aber auch hier muss man abwarten, was der tierfreie Trend bringt, denn er hat gerade erst begonnen.

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