Dachau:"Wahre Kriegshelden"

Dachau: Das Schicksal ihrer jüdischen Familie hielt Dina Dor-Kasten (rechts) in ihrem Buch auch für ihre Schwester Tonia fest.

Das Schicksal ihrer jüdischen Familie hielt Dina Dor-Kasten (rechts) in ihrem Buch auch für ihre Schwester Tonia fest.

(Foto: Toni Heigl)

Dina Dor-Kasten erzählt vom Überlebenskampf ihrer jüdischen Familie in der Ukraine zwischen 1942 und 1944

Von Sophia Dittmann

DachauStolz und andächtig präsentiert Dina Dor-Kasten den goldenen Ring. Er ist das Einzige, was ihr von ihrer Mutter übrig blieb. Seit dem Krieg sind mehr als 70 Jahre vergangen. Die Israelin Dina-Eta Dor Kasten hat eine eigene Familie gegründet und ein Buch von dem unfassbaren Schicksal ihrer Familie zur Zeit des Zweiten Weltkriegs geschrieben, das jüngst veröffentlicht wurde. Darüber, wie ihre Mutter Lina-Liba Kasten den Hochzeitsring von den SS-Soldaten rettete, indem sie ihn geschickt in ihr Haar hinein flocht.

Alle Juden in der Ukraine waren gezwungen, jegliche Wertgegenstände an das NS-Regime abzugeben, so musste sich auch die jüdische Familie Kasten von ihren Gemälden, von Schmuck und Porzellan trennen. Erst kurz vor ihrem Tod überließ sie den Ring ihrer ältesten Tochter Dina. In der Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau las sie jetzt aus ihrem Buch über die Geschichte ihrer Familie, die aus der Ukraine stammt und die von 1942 bis 1944 in einer eigenhändig gegrabenen Höhle in den ukrainischen Wäldern die NS-Verfolgung und damit den Holocaust überlebte. Sie ist aus Erzählungen der Mutter entstanden. Die Autorin selbst war bei der Befreiung durch die Rote Armee noch ein Kleinkind.

Es war im März 1942, als das Ehepaar Jossel und Lina-Liba Kasten mit ihren beiden kleinen Kindern Schmulik und Dina aus dem Ghetto Rohatyn in der Ukraine flohen, das die Deutschen nach dem Überfall auf die Sowjetunion 1941 in dem ukrainischen Ort eingerichtet hatten. Die Familie versteckte sich zweieinhalb Jahre lang in einer eigenhändig gegrabenen Höhle im ukrainischen Wald. Mit einem beeindruckenden Lebenswillen und einem gar "tierischen Lebensdrang", wie die Autorin es im Gespräch mit der Moderatorin umschreibt, überstanden sie die Bedrohungen durch das deutsche NS-Regime und die ukrainischen Kollaborateure.

Dina Dor-Kasten muss während der Lesung an sich halten. Denn die Geschichte ihrer Familie geht ihr sehr nahe. Es ist unvorstellbar, was es bedeutet, zweieinhalb Jahre in einem Erdloch zu leben. Es grenzt an ein Wunder, dass sie überlebten. Täglich verließ der Vater das Versteck, um seine Familie zu ernähren. Kleidung hatten sie kaum, Säcke mussten stattdessen herhalten. Im Erdloch starb der kleine Bruder Munjale eine Stunde nach seiner Geburt, die dort 1944 geborene Schwester Tonia überlebte. Sie wohnt seit vielen Jahren in München. Die Familie überstand mit vereinten Kräften die Kälte, den unsäglichen Hunger und zahlreiche Krankheiten, bis Soldaten der sowjetischen Armee sie im August 1944 aus dem Erdloch befreiten. Nach der Befreiung kam noch Klara-Chaja zur Welt. Die Familie emigrierte nach Israel.

Eigentlich schrieb Dina-Eta das Buch nicht, um es anschließend zu veröffentlichen, sondern vielmehr, um es ihrer Familie zu hinterlassen und die unfassbaren Geschehnisse für ihre Nachfahren festzuhalten. Am Ende des Abends verabschiedet sich Dina mit einer Danksagung auf Hebräisch, sie persönlich sei hier hergekommen um ihrer Eltern zu gedenken. Sie bleiben ihr, wie sie betont, als "wahre Kriegshelden" in Erinnerung.

Dina Dor-Kasten: "Versteckt unter der Erde - Die Überlebensgeschichte der Familie Kasten. Nach Erzählungen von Lina-Liba Kasten." Erschienen im Verlag Metropol, im Buchhandel erhältlich.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: