Süddeutsche Zeitung

Dachau:Vortrag über Kinder aus radikalen Elternhäusern

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Ein elfjähriges Mädchen steht in Karlsruhe während einer Querdenker-Demo auf der Bühne und vergleicht sich mit Anne Frank, weil sie ihren Geburtstag mit ihren Gästen in aller Heimlichkeit feiern musste, um nicht von den Nachbarn wegen Verstoß gegen die Kontaktbeschränkungen verpetzt zu werden. Auf der Demo erhält sie Applaus. Die Öffentlichkeit reagiert entsetzt, hauptsächlich wegen der Verharmlosung von Anne Franks Verfolgungsschicksal im Holocaust, aber auch wegen der Instrumentalisierung der Elfjährigen. Hier zeigt sich die Spitze eines Eisberges: das bisher wenig beachtete Problem, dass Eltern mit radikalen Weltanschauungen ihre Kinder indoktrinieren und instrumentalisieren. Dabei ist allgemein bekannt, dass die Erziehung im Elternhaus maßgeblichen Einfluss auf den Lebensweg der Kinder hat, auch ideologisch. Genau auf diese Problematik will die KZ-Gedenkstätte am Donnerstag, 30. September, um 19.30 Uhr in der Evangelischen Versöhnungskirche mit einem Vortrag aufmerksam machen.

Das NS-Regime habe gemeinsam mit der gleichgeschalteten Schule und der Hitlerjugend versucht, die Eltern dazu zu bringen, dass ihre Kinder nichts mehr Anderes lernen als "deutsch zu denken und deutsch zu handeln", heißt es in einer Pressemitteilung. Auch nach 1945 sei man sich in rechtsradikalen Kreisen sehr bewusst gewesen, dass in der "Keimzelle der Familie" die ideologischen Kämpfer und Kämpferinnen von morgen heranwüchsen. Sie würden, oft unbemerkt von der Öffentlichkeit, "daran gehindert, eine selbstbestimmte und freie Persönlichkeit zu entwickeln", heißt es in der Pressemitteilung weiter.

Der Vortragsabend in Kooperation mit der Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus in Bayern will für dieses Thema sensibilisieren und über Hilfsangebote für Kinder aus radikalen Familien informieren. Bei der Veranstaltung gelten die 3G-Regeln.

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SZ vom 29.09.2021 / SZ
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