Dachau:Von Ganoven und Spießern

Regisseur Wolfgang Möckl stellt mit der Dachauer Ludwig-Thoma-Gemeinde die "Bettleroper" von Rainer Werner Fassbinder auf die Bühne, die im München der sechziger Jahre spielt.

Dorothea Friedrich

Dachau: Dachau Ludwig-Thoma-Haus Kostümprobe Die Bettler-Oper Thomagemeinde Dachau Mecki....................................Matthias Hörl Lucy...............................Angelika Mauersich npj / Foto Jørgensen

Dachau Ludwig-Thoma-Haus Kostümprobe Die Bettler-Oper Thomagemeinde Dachau Mecki....................................Matthias Hörl Lucy...............................Angelika Mauersich npj / Foto Jørgensen

(Foto: © joergensen.com)

Dieser Mann polarisiert noch heute. Für die einen ist er immer noch der personifizierte neue deutsche Film. Die anderen schreien immer noch "Skandal", wenn sein Name fällt. Die Rede ist von Rainer Werner Fassbinder, der nur 37 Jahre alt wurde. Der Regisseur und Theaterintendant Peter Zadek hat einmal gesagt, dass er Fassbinder einerseits bewunderte, weil dieser so vehement gegen Spießer und Mitläufer Stellung bezog, hat ihn andererseits als "ungemütlichen Typ" charakterisiert. Passt so einer auf die Bühne des Ludwig-Thoma-Hauses, gespielt von Darstellern der Ludwig-Thoma-Gemeinde?

Ja, sagt Regisseur Wolfgang Möckl. Er habe, so erzählt er, durch Zufall auf der Auer Dult eine antiquarische Ausgabe der "Bettleroper" von Fassbinder gefunden. Und war elektrisiert. Warum? Weil die Thoma-Gemeinde bereits seit Jahren - neben den Klassikern ihres Namensgebers - zeitgenössisches Theater spielt. "Bayerische Moderne" nennt Möckl das. Ein weiterer Beweggrund: Fassbinder lässt die auch durch Bertolt Brechts "Dreigroschenoper" bekannte Geschichte im München der wilden sechziger Jahre spielen, erzählt sie nicht in wohlgesetzten Worten, sondern derb, direkt, jenseits der seinerzeit gültigen Konventionen.

Also ein Stück Nostalgie? Stichwort: Schwabing, Kommune, Studentenprotest. Nein, sagt Möckl. Das damals als unmoralisch empfundene Kommunardenleben rege doch heute niemanden mehr auf. "Aber die sechziger Jahre haben die Zeit geprägt - und uns auch." Sehr nachvollziehbar, wenn man kurz darüber nachdenkt, was aus dem "langen Marsch durch die Institutionen" geworden ist. Ihm gehe es aber auch "um den Konflikt zwischen Konformismus und Individualität", um Einsamkeit und Vereinsamung, sagt Möckl weiter. Das klingt nach ziemlich schwerer Kost. Ist aber nicht so. "Für ein Fassbinder-Stück hat es eine gewisse Leichtigkeit. Und wir wollen ja das Publikum nicht mit aller Macht vor den Kopf stoßen", sagt der Regisseur.

Aber ist Fassbinders 1969 in seinem Münchner antitheater uraufgeführtes Werk denn heute noch skandalverdächtig? Nicht wirklich, wie man bei der Premiere am morgigen Freitag sehen wird. Dann kämpfen Polle, die Tochter eines Bauunternehmers, und Lucy, das Polizeipräsidenten-Kind um Mecki und gegen ihre Eltern. Der Kleinganove Mecki aber hat mehr das Flipperspielen - ja, das war mal total angesagt - und Huren im Sinn als die Bürgerstöchterlein. Und die Eltern? Wollen wie alle Mütter und Väter "nur das Beste für ihr Kind" - im angemessenen Rahmen selbstverständlich. In den passt aber Mecki nicht hinein. Er steht symbolisch für die Freiheit, für ein Leben ohne Konventionen. Die Eltern der beiden Mädchen sind dagegen typische Spießer. Mit der ebenso typischen Rollenverteilung, wie sich bei einer Probe beobachten lässt: Da lullt Peachie ihren Peach gurrend ein. Und er spielt Herr im Haus. Keine gute Basis für eine Beziehung, nicht vor bald 35 Jahren und heute schon gar nicht. Und schon gar keine guten Voraussetzungen, um die eigene Tochter so zu beschützen, dass sie dennoch ihren Weg gehen kann.

Das alles mit den Mitteln der Thoma-Gemeinde umzusetzen, ist kein leichtes Unterfangen. Weder für die Mitwirkenden auf noch für die hinter der Bühne. Gertrud Weber beispielsweise schafft auch dieses Mal wieder den Spagat zwischen den Ansprüchen des Regisseurs und den Wünschen der Darsteller. Sie ist seit Jahren die "Gewandmeisterin" der Ludwig-Thoma-Gemeinde. Aus ihrem schier unerschöpflichen Fundus zaubert sie für die Bettleroper schrille Outfits und achtet dabei auf jedes Detail. Ihr Anspruch: "Die Schauspieler sollen sich wohlfühlen, dann spielen sie freier." Die scheinen sich gut zu fühlen in den nun wahrhaftig nicht alltäglichen Kostümen. Schließlich betreten sie kein Neuland.

Und so nehmen sie auch die Hürden der nicht immer jugendfreien Fassbinder-Sprache mit Verve. Diese "verbalerotischen Kraftausdrücke", wie es im Programm heißt, sind vielleicht nicht immer das, was man von Aufführungen der engagierten Theatertruppe gewohnt ist. Und haben durchaus zu Diskussionen unter den Schauspielern geführt. Das Stück zu entschärfen, wäre aber falsch gewesen, sagt der Regisseur. Sprache charakterisiere schließlich die Personen auf der Bühne. Und verglichen mit den verbalen Entgleisungen im täglichen Trash-TV, lässt Fassbinder seine Protagonisten geradezu im gepflegten Salonstil kommunizieren.

"Die Bettleroper" von Rainer Werner Fassbinder. Premiere am Freitag, 15 März, 20 Uhr, weitere Aufführungen: Sonntag, 17. März, 18 Uhr, Freitag/Samstag, 23./24. März, 20 Uhr, Sonntag, 25. März, 18 Uhr.

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