Unbändige Vorfreude mischt sich in die aufgeregte Spannung am Samstagvormittag in der Dachauer Altstadt: Schon lange vor Beginn des Festzugs strömen Frauen, Männer und Kinder aus den vielen Gassen der Altstadt zum Rathausplatz und säumen die Ränder der Straßen, vornehmlich im Schatten. Tische und Bänke vor dem Zieglerbräu sind bereits restlos besetzt. Viele Dachauerinnen und Dachauer sind auf den Beinen, wie stets zum Auftakt des Volksfestes, der zunehmend immer mehr Touristen anlockt – wohl wegen der gelebten Tradition, der herrlichen Trachten und geschmückten Pferdegespanne, aber auch wegen der familiären Stimmung.
Während sich die Zuschauer entlang der Festzugstrecke positionieren, wuselt es noch auf dem Festplatz: Hinter den noch verschlossenen Buden scheppern Gläser, klappert Geschirr, hier werden noch Früchte für Cocktails geschnippelt, dort drehen die lustigen Badeentchen schon ein paar Proberunden. Im Festzelt lehnen sich die Bedienungen auf den Bänken zurück, die Ruhe vor dem Ansturm bleibt nicht ungenutzt. Ein Security-Chef weist derweil sein Personal ein. Mit festen Schritten führt er sein Team über die Thoma-Wiese. „Keine Panik“, beruhigt er die Neuen. Probleme gebe es selten auf dem Dachauer Volksfest, hier gehe es überwiegend gemütlich zu, auch wenn an manchen Tagen viel los sei, sagt er. Still und beschaulich ist es auf der Thoma-Wiese vor dem Festeinzug, obwohl die Partyband Ois Easy bereits am Vorabend im Festzelt aufspielte.
Doch am Samstagvormittag sind erst oben am Rathausplatz angekommen Tuba, Klarinette und Trompete zu hören. Zart klingeln die Schellen an den Geschirren der Pferde, die vor die festlich geschmückten Wagen gespannt sind. Die Besucher haben sich herausgeputzt, in traditionellen Trachten oder ihrem modernen Pendant. Blumen stecken in geflochtenen Haaren oder im Ausschnitt der Blusen, schmücken die Kutschen, aber auch die Fenster der Häuser. Für Touristen muss das inmitten der Kulisse bunter Altstadthäuser bei strahlend blauem Himmel wie die Szene aus einem kitschigen Heimatfilm wirken. Aber hier ist nichts inszeniert. Die Authentizität der gelebten Tradition ist es, die jedes Jahr aufs Neue begeistert, berührt und so manche Gänsehaut auslöst.







Ausgelassen und fröhlich ist die Stimmung entlang der Festzugstrecke. Menschen treffen sich – „lange nicht gesehen“ – tauschen sich darüber aus, wer im vergangenen Jahr gestorben ist, wer Nachwuchs bekommen hat. Beim Volksfest, so scheint es, wachsen die Dachauer zusammen.
Die Spannung steigt, als sich die Gruppen aufstellen. Die Vorreiterin auf ihrem imposanten Ross an der Spitze, der Taferlbub hintenan. Mütter machen stolz Fotos von ihren Kindern, die in Tracht mitlaufen. Eine letzte Zigarette wird von dem einen oder der anderen Musiker noch angesteckt, bevor sich der Zug pünktlich um 11.15 Uhr in Bewegung setzt. Durch ein Spalier hochgestreckter Handys zieht er los.
Blumensträuße regnen auf die jubelnden Passanten
Fröhlich spielend spazieren die Ludwig-Thoma-Musikanten durch die Altstadt, gefolgt von der Kutsche der „D’Ampertaler“ mit einer großen Erntekrone und den Ampermusikanten. Dann rollt die Kutsche mit Oberbürgermeister Florian Hartmann, seiner Ehefrau Julia und Sohn Vitus sowie den Gästen aus der Partnerstadt Fondi vor. Kleine Blumensträuße regnen auf die jubelnden Passanten, die gleichzeitig hochspringen, um die Blumen zu fangen. Es folgen Delegierte der Dachauer Partnerstädte, die Kutsche mit Landrat Stefan Löwl und den Bundestagsabgeordneten und die der Landtagsabgeordneten. Süßigkeiten prasseln auf das Volk nieder, immer wieder rufen sich Zuschauer und Teilnehmer ein herzliches oder überraschtes „Servus“ zu: Man kennt sich, sieht sich wieder.
Wie aus dem Nichts tauchen immer wieder neue Kutschen, Fußgruppen und Kapellen auf: Das Augustiner-Brauereigespann, die Kutsche der Festwirte, gefolgt von Bedienungen, dahinter die Stadtkapelle, die Schlossbergler, Schützen, Jägerverein und schließlich die Schausteller. Heiß wird es an diesem Sommertag nicht nur den Zuschauern – darum schnell runter zur Festwiese. Längst ist die Spitze des Zuges im Festzelt angelangt. Hier herrscht bereits reges Treiben.





Immer wieder ein Gänsehaut-Moment ist der Einzug der über 100 Ampertaler in ihrer eleganten Dachauer Tracht: Mit ihren Stecken im Rhythmus auf den Holzboden klopfend stellen sie sich zum Spalier auf. Klopf, klopf, klopf und zwischendurch ein Jauchzer, sie halten so lange durch, bis alle wichtigen Herr- und Frauschaften eingetroffen sind. Was ein bisschen dauert. Derweil ziehen die Kapellen durch die mit blauweißen Decken geschmückten Tischreihen.
Immer voller wird es im Zelt und immer stickiger die Luft: Speisekarten und der überdimensionale Werbeflyer eines Immobilienmaklers werden als Fächer umfunktioniert. Schweißtücher wischen über die Stirn. Vor allem bei denen, die in ihren wolligen Trachten gut verpackt sind. Ein Bierfass wird in Position gebracht. Dekorativ stellen sich die Schützen vor die Bühne. Die Pressefotografen stehen bereits auf den Bänken, um das beste Bild zu bekommen. Alle Blicke sind auf die Bühne gerichtet. Blick auf die Uhr: Alles läuft nach Zeitplan. Und es bleiben sogar noch ein paar Minuten Zeit, damit OB Florian Hartmann Zapfhahn und Einschlagloch inspizieren kann.
„Es war wieder ein wunderbares Bild“
Punkt 12 Uhr schlägt er zu: Zack, Zack. Das war’s auch schon. Kein Tropfen spritzt daneben. Das Bier sprudelt in die Krüge, die Landtagsabgeordneter Bernhard Seidenath weiterreicht: an MdL Johann Groß, Bezirksrätin Stephanie Burgmaier, Landrat Löwl, Volksfestreferent Robert Gasteiger und an die Gäste der Partnerstädte Léognan, Fondi und Klagenfurt.
Ein Prosit gilt auch der Familie Rettinger, die heuer das erste Mal das große Festzelt auf dem Dachauer Volksfest betreibt, so Hartmann. Zudem dankte er den Teilnehmern des Festzugs: „Es war wieder ein wunderbares Bild.“
Heiß ist es im Festzelt, heiß geht es aber auch von der ersten Minute an auf der Festwiese zu. Action ist überall geboten, an den Buden, aber auch an allen Fahrgeschäften. Am Autoscooter wird kräftig ins Gaspedal getreten, im Kinderkarussell sind alle Fahrzeuge besetzt. Dabei vermischt sich das Geräusch der Gewinntröte beim Entenfischen mit den schrillen Schreien von Mädchen in einem wilden Fahrgeschäft. Und überall lachende Gesichter. So fröhlich kann es bis Montag gerne weitergehen.