Dachau:Völlige Blockade

Weil Anwohner Heinz Eder klagt, könnte sich der Um- und Neubau des Schlossbergareals in der Dachauer Altstadt auf Jahre hinaus verzögern. Stadträte können die Sorgen und Bedenken des Künstlers sehr gut verstehen.

Von Wolfgang Eitler

Dachau: Es war einmal ein Biergarten mit Wirtschaft direkt unterhalb des Schlosses. Jetzt verfällt das Areal, auch weil niemand sagen kann, wann das Gebäude saniert werden darf.

Es war einmal ein Biergarten mit Wirtschaft direkt unterhalb des Schlosses. Jetzt verfällt das Areal, auch weil niemand sagen kann, wann das Gebäude saniert werden darf.

(Foto: npj)

Die Auffahrt zum Schloss ist eine Enttäuschung. Zunächst geht es an sauber hergerichteten Häusern vorbei. Dann aber folgt ein Anblick der Verwahrlosung: Die zentralen Gebäude des Schlossbergs einschließlich des früher beliebten Biergartens modern vor sich hin. Die einst altbairische Atmosphäre ist nur noch zu erahnen. Es könnte sein, dass Touristen und vor allem Dachaus Bürger diesen Schandfleck über viele Jahre aushalten müssen. Denn um den Bauplan für den Abriss der ehemaligen Flaschenabfüllerei und den Neubau von 23 Wohnungen hat ein Rechtsstreit begonnen. Damit wäre auch die Sanierung des denkmalgeschützten Areals auf der gegenüberliegenden Straßenseite blockiert.

Anlieger Heinz Eder will die von Bauherr Jobst Kayser-Eichberg vorgesehene Ein- und Ausfahrt für den Neubau auf dem Areal der Flaschenabfüllerei nicht hinnehmen: Sie liegt genau gegenüber seiner Wohnung im Erdgeschoss und an der engsten Stelle der gesamten Klosterstraße. Eder fürchtet nicht nur den Lärm durch die Ein- und Ausfahrt, nicht nur die Lichtkegel, die sich an seiner Fassade reflektieren werden, sondern mehr noch den permanenten Stopp des fließenden Verkehrs von und zum Schloss direkt vor seinem Haus. Deshalb klagt er gegen das Bauvorhaben.

Trotzdem kritisiert ihn niemand im Dachauer Stadtrat. Peter Denk von den Überparteilichen Bürgern hat eh gegen das Bauvorhaben gestimmt, weil er nicht einsieht, dass die historischen Kellerräume mit abgerissen werden sollen. Kai Kühnel vom Bündnis für Dachau ist Architekt und sagt: "Die Ein- und Ausfahrt ist verkehrstechnischer Schwachsinn." Der Fraktionsvorsitzende der CSU, Christian Stangl, ist in seiner Wortwahl zurückhaltender als Kühnel und spricht von einem "verkehrlich auch nicht gerade der Weisheit letzten Schluss". Quer durch alle Fraktionen stimmten die Mitglieder im Bauausschuss mehrheitlich mit großem Unbehagen dem Entwurf für den Neubau auf dem Areal der ehemaligen Flaschenabfüllerei zu.

Dagegen sieht Stadtbaurat Michael Simon im Entwurf der Dachauer Architekten Konrad Deffner und Dorothea Voitländer eine Lösung, welche die Sorgen von Heinz Eder ausräumen müsste. Denn die Einfahrt soll von der Straße zurückgesetzt werden, so dass ein überdachter Bereich entsteht, der gleichzeitig als Lärm- und Schallschutz dient. Das weitere Problem sind die Lichtkegel der Autos bei der Ausfahrt. Simon glaubt nicht, dass Nachbar Eder dadurch gestört werden könnte. Die Scheinwerfer würden sich wegen der Neigung der Klosterstraße und des Ausfahrtswinkels nicht an der Fassade von Eders Haus reflektieren, sondern am Bordstein. Außerdem verweist Simon auf ein Lärmschutzgutachten des Eigentümers, das zu dem Schluss kommt, dass alle Grenzwerte eingehalten würden. Wie Simon weiter mitteilt, hat die Stadtverwaltung kein eigenes in Auftrag gegeben, sondern das des Bauherrn übernommen. Darauf bezieht sich CSU-Fraktionsvorsitzender Stangl als Grundlage für seine Zustimmung zu dem Bauvorhaben. Er sagt aber auch, dass er und seine Kollegen die Lösung mit einer Ein- und Ausfahrt oben beim Biergarten besser gefunden hätten. Die jetzige dagegen ist die technisch und finanziell einfachste, weil die Autos ebenerdig in das Gebäude einfahren können. Ansonsten müsste eine Rampe in die Tiefgarage führen.

"Die CSU hat das Vorhaben durchaus kritisch gesehen", sagt Stangl über seine Fraktionsmitglieder weiter, "aber wir wollten es nicht noch weiter verzögern." Damals befürchteten sie, dass Bauherr Kayser-Eichberg sich wegen einer Tiefgarage mit Rampe quer stellen würde. Jetzt müssen sie mit erheblichen Verzögerungen rechnen, weil ein Bürger klagt. Stangl: "Wie man es macht, macht man es falsch." Mit einem Anflug von Sarkasmus fügt er hinzu: "Dem Problem", damit meint er den anstehenden Rechtsstreit, "hätte Kayser-Eichberg entgehen können, wenn er die Ein- und Ausfahrt oben belassen hätte."

Seit bald 20 Jahren wird über die Zukunft der Gebäude der ehemaligen Schloßbergbrauerei verhandelt. Eine Verein um die parteilose Stadträtin Elisabeth Schilhabel scheiterte vor vier Jahren mit ihrem Bürgerentscheid und damit mit ihrem Versuch, den Abriss der ehemaligen Flaschenabfüllerei zu verhindern. Nur die Kellergewölbe haben noch historische Bausubstanz im Gegensatz zum eigentlichen Brauereigebäude gegenüber. Nach dem Bürgerentscheid schien der Weg für den Bauherren Jobst Kayser-Eichberg frei für Abriss, Neubau und Sanierung. Allerdings hatte der Stadtrat die bereits erteilte Baugenehmigung an dessen Rechtskraft gebunden. Mit anderen Worten: Abreißen und neu bauen darf Kayser-Eichberg erst, wenn sämtliche Klagen ausgeräumt sind.

Eders Anwalt Fabian Gerstner aus München hat zwar vor drei Monaten Klage erhoben, aber noch keine Begründung eingereicht. Er kann sich Zeit lassen. Er muss sie erst binnen eines Jahres vorlegen. In der Dachauer Gerüchteküche spielt Gerstner eine Hauptrolle. Denn er hatte Stadträtin Elisabeth Schilhabel beim Bürgerbegehren gegen den Abriss kurzfristig beraten. Jetzt heißt es in Dachau wahlweise: "Eder ist nur ein Strohmann." Es wird vermutet, dass Gerstner das Verfahren "mit advokatischen Winkelzügen" hinaus zögern wolle. Die andere Seite drängt Widerstand: "Kämpfen Sie gegen die Stadt."

Der Künstler will weder das eine noch das andere sein. Er erzählt, dass ihm Fabian Gerstner von Grundstücksbesitzern in Dachau, nicht aber von Elisabeth Schilhabel empfohlen worden sei. Zu der parteilosen Stadträtin pflege er keinerlei Kontakte. Heinz Eder beteuert: "Ich möchte nur erreichen, dass meine Familie und ich in Ruhe wohnen und schlafen können." Der Künstler will an diesem Dienstag mit seinem Rechtsanwalt grundsätzlich überdenken, ob er die Klage aufrecht erhalten soll.

Bauherr Kayser-Eichberg rechnet bei einem Klageweg mit jahrelangen Verzögerungen für das gesamte Projekt. Denn den historischen Teil wird er vertragsgemäß erst sanieren, wenn der Neubau steht. Im Gespräch mit der SZ gibt er sich skeptisch: "Ich hoffe nicht, dass hinter der Klage Personen stecken, die mit dem Bauvorhaben nichts zu tun haben." Indirekt fordert er Eder auf, mit ihm Kontakt aufzunehmen: "Wenn er Wünsche hat, die wir erfüllen können, dann ist das okay." Und: "Ich bin dafür bekannt, dass ich hart verhandle, aber sehr fair bin."

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