Dachau:Vertreibung aus dem Paradies

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Feldlerche, Sperling, Stare, Rebhühner, Wiesenpieper und Stieglitz haben es bei uns immer schwerer. Zahlreiche Vogelarten sind bereits um bis zu 80 Prozent zurückgegangen. Das ist auch eine Folge des ungebremsten Landschaftsverbrauchs.

Renate Zauscher

- Amsel, Drossel, Fink und Star: Es steht schlecht um Dachaus Vogelbestände. Zum Teil dramatisch abgenommen haben die Zahlen von Vögeln, die vor 20, 30 Jahren noch durchaus häufig waren: die Feldlerche, ebenso wie der Feldsperling, Stare, Rebhühner oder auch Wiesenpieper und Stieglitz. Experten warnen vor einer weiteren Abnahme. Zum Beispiel durch die geplante Nord-Ost-Umfahrung Dachaus. Sie könnte die Artenreduzierung weiter beschleunigen. Ebenso der Flächenverbrauch durch Gewerbegebiete und durch die Landwirtschaft.

Die Feldlerche, vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) zum Vogel des Jahres 1998 ausgerufen, ist aus dem Landkreis fast verschwunden. (Foto: dpa)

Die Erkenntnisse im Großen decken sich auch mit Beobachtungen im Kleinen im Landkreis Dachau. Das zeigt ein Brief eines Gartenbesitzer aus dem westlichen Landkreis an den Bund Naturschutz. Darin beklagt er den starken Rückgang von Gartenvögeln in seinem großen, durch keinerlei eigenen Pestizideinsatz beeinträchtigten Naturgarten und ruft zur Offenlegung der Ursachen auf.

Vögel aber sind nicht nur Lieblingsobjekt vieler Gartenbesitzer oder Hobbyornithologen: Sie gelten darüber hinaus als wichtiger und zuverlässiger Indikator der biologischen Artenvielfalt in ihrem Lebensraum insgesamt. Bei vielen Arten liegt die Bestandsabnahme zwischen 50 und 60 Prozent, in manchen Fällen sogar bei 80 oder 90 Prozent im Vergleich mit Zahlen von 1980. Die neuen Bestandsuntersuchungen zeigen, dass der Artenschwund in Agrarlandschaften gerade in den letzten Jahren noch einmal deutlich zugenommen hat.

Dies geht aus Zahlen hervor, die vor kurzem vom Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) und der Organisation BirdLife International - einem Zusammenschluss von 45 europäischen Naturschutzverbänden - vorgelegt wurden. Demnach hat sich die Zahl der Feldvögel in der EU seit 1980 halbiert: 300 Millionen Vögel sind in dieser Zeit aus den Agrarlandschaften Europas verschwunden.

Als der Bayerische Umweltminister Marcel Huber kürzlich die Amperauen bei Haimhausen besuchte, wurde das Thema Biodiversität von verschiedenen Rednern aufgegriffen: So warnte der Vorsitzende des Landesbunds für Vogelschutz in Bayern, Ludwig Sothmann, nachdrücklich vor weiteren Verlusten der Biodiversität: "Es geht bergab mit der Artenvielfalt", erklärte er mit Blick auf die dramatischen Verluste an artenreichen Landschaften. Ziel müsse sein, "die Landnutzung wo immer es geht zu ökologisieren", weil der Mensch mit der Biodiversität die wichtigste Nahrungsgrundlage überhaupt verliere. Als Beispiel führte Sothmann die Bedeutung von Bienenpopulationen für den Obstanbau an: "Wenn es keine Bienen mehr gibt, können Sie auch in keinen Apfel mehr beißen und keine Erdbeere mehr essen", hielt er seinen Zuhörern eindringlich vor Augen.

Um die für 2020 vereinbarten Biodiversitätsziele tatsächlich umsetzen zu können, will man erreichen, dass die EU den Bezug von Direktzahlungen an Landwirte an die verpflichtende Einhaltung naturverträglicher Bewirtschaftungsmethoden knüpft. Jeder landwirtschaftliche Betrieb mit Ausnahme von Ökolandbaubetrieben soll demnach mindestens sieben Prozent seiner Fläche als "ökologische Vorrangfläche" bereitstellen. Damit will man Rückzugsräume für Tier- und Pflanzenarten schaffen, die es auf intensiv genutzten Agrarflächen sonst nicht mehr gibt.

Die aktuellen Vogelbestandsdaten wurden in 23 EU-Mitgliedsstaaten nach wissenschaftlichen Standards und mit Unterstützung der Europäischen Kommission erhoben und von BirdLife International in Zusammenarbeit mit dem European Bird Census Council ausgewertet. Der DDA übernimmt dabei die Analyse der für Deutschland relevanten Zahlen.

© SZ vom 05.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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