KZ-Gedenkstätte Dachau:Hoffen auf einen Ausweg

KZ-Gedenkstätte Dachau: Die Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau.

Die Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau.

(Foto: Toni Heigl)

Die Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern berät am Samstag über den Stellenabbau an der Versöhnungskirche. Vereine und KZ-Überlebende fordern zuvor erneut, die Sparpläne zurückzunehmen.

Von Helmut Zeller, Dachau/München

Der letzte Hoffnung für die Versöhnungskirche in Dachau ruht nun auf der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB). Bereits an diesem Samstag, 13. März, berät der Ausschusstag der Synode über die Zukunft der Versöhnungskirche an der KZ-Gedenkstätte. Das Landeskirchenamt in München wird die Diakonenstelle der Kirche von 2024 an nicht mehr finanzieren. Dagegen erhob sich in Dachau breiter Protest: Kommunalpolitiker, Zeitgeschichtsvereine, Wissenschaftler und KZ-Überlebende befürchten eine massive Einschränkung der bisherigen Erinnerungsarbeit. Die Lagergemeinschaft Dachau etwa versteht die geplanten Kürzungen auch "als einen Akt der Selbstschädigung auf Seiten der Evangelischen Kirche". Glaubwürdigkeit in der Erinnerungsarbeit, schreibt der Vorsitzende und Holocaust-Überlebende Ernst Grube, gebe es nicht zum Spartarif.

Doch es bleibt, wenn die Synode nicht eingreift, beim Stellenabbau. Oberkirchenrat Michael Martin hat im SZ-Interview den enormen Spardruck verdeutlicht, der auf der Landeskirche liegt. Den Eindruck bei Kritikern, dass die Landeskirche das Engagement gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus nicht konsequent verfolge, weist Martin jedoch energisch zurück. Er betont, dass man gemeinsam nach Wegen suchen müsse, die wichtige Arbeit des Dachauer Teams um Kirchenrat Björn Mensing weiterzuführen. Martin setzt für die Zukunft auf außerkirchliche Kooperationspartner und Geldgeber.

Pfarrer Björn Mensing hat schon eine andere Geldquelle aufgetan

Während der Streit noch andauert, hat Pfarrer Mensing schon eine Geldquelle aufgetan, eine Stiftung außerhalb Bayerns, die einen Teil der Diakonenstelle von 2024 an mit jährlich 22 000 Euro finanzieren würde. Die Kritiker sehen darin eine Chance, dass die Landessynode und ihre Präsidentin Annekathrin Preidel für eine weitere Finanzierung durch die ELKB stimmen werden, die jetzt weniger Geld für Diakonenstelle aufbringen müsste. Nach dem früheren Diakon der Versöhnungskirche, Klaus Schultz, hat auch der ehemalige Naziverfolgte und Pfarrer Walter Joelsen eine Eingabe an die Synode gemacht. Der Ausgang der Ausschussberatung gibt ein starkes Signal für die Landessynode.

Björn Mensing in der KZ Gedenkstätte Dachau, 2018

Pfarrer Björn Mensing hat bereits vorsorglich eine Stiftung aufgetan, welche die Stelle mitfinanzieren würde.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Oberkirchenrat Martin macht den Akteuren hingegen wenig Hoffnung, dass die Sparpläne im Falle der Versöhnungskirche gekippt werden könnten. Die Situation der ELKB stellt sich denkbar schlecht dar: Allein im vergangenen Jahr erlitt die Kirche einen Einnahmenverlust von 130 Millionen Euro. "Das muss erst einmal verkraftet werden", sagt Martin. Der Spardruck hat zwei Ursachen: In Bayern zählt die evangelische Kirche 2,3 Millionen Mitglieder (Stand: Ende 2019) - der Trend zu immer mehr Kirchenaustritten hält an. 2019 hatten rund 32 000 Menschen der evangelischen Kirche den Rücken gekehrt; das war im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg von 17 Prozent. Es betrifft auch die katholische Kirche. Die Austritte von Protestanten und Katholiken im Jahr 2019 entsprechen zusammen etwa der Einwohnerzahl von Erlangen, rund 111 000 Menschen. Und dann kam das Corona-Jahr 2020. Der Anteil der Steuern für die bayerische Landeskirche sank durch Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit in der Pandemie weiter.

Diese Lage schilderte Oberkirchenrat Martin auch dem Kuratorium der Versöhnungskirche auf einer Sitzung am vergangenen Freitag. Das Gremium hat danach, anders als erwartet, keine öffentliche Erklärung abgegeben, aber der Synodalpräsidentin Annekathrin Preidel einen Brief geschrieben. Auch der Förderverein für Internationale Jugendbegegnung und Gedenkstättenarbeit hat inzwischen Preidel um Unterstützung gebeten. "Mit der Streichung nimmt die Arbeit der Versöhnungskirche großen Schaden. Der Kirchenname, der ja programmatisch gewählt worden ist, verkommt so zu einer bloßen Worthülse. Auf Worthülsen, Sonntagspredigten, die die Wichtigkeit von Erinnern betonen, kann verzichtet werden, wenn nicht gleichzeitig aktiv ein Beitrag dazu geleistet wird", schreibt die Vereinsvorsitzende Ulrike Mascher.

"Die Versöhnungskirche ist ein unverzichtbarer Bestandteil"

Auch der runde Tisch gegen Rassismus, ein Zusammenschluss von 100 Mitgliedern aus Politik und Zivilgesellschaft, appelliert an die Evangelische Kirche Deutschland (EKD) und an deren Ratsvorsitzenden, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, die Sparpläne zurückzunehmen. Die EKD will ihre Förderung der Versöhnungskirche ebenfalls zurückschrauben. Betroffen davon wären die Teamassistenz-Stelle an der Dachauer Kirche und die Arbeit der jeweils beiden AsF-Freiwilligen. Gerade in einer Zeit, da die Demokratie gefährdet erscheint, ist "die Unterstützung durch die Versöhnungskirche unverzichtbarer Bestandteil unserer Arbeit", erklären die Sprecher Peter Heller und Sören Schneider. Hervorzuheben sei als nur ein Beispiel die Federführung beim Friedensgebet der Dachauer Kirchen bei der Demonstration des runden Tisches gegen eine Wahlkampfveranstaltung der AfD im September 2018 in Dachau. Die Demonstration mit 2500 Teilnehmern war eine der größten Veranstaltungen, die es seit Kriegsende in Dachau gegeben hat.

Oberkirchenrat Martin bedauert, wie er sagt, den falschen Eindruck der KZ-Überlebenden und ihrer Nachkommen, dass die Landeskirche ihr jahrelanges Engagement in der Erinnerungsarbeit nicht würdigen würde. Das Gegenteil sei der Fall. Den Protest insgesamt kann er jedoch nicht nachvollziehen: Man wolle die Arbeit der Versöhnungskirche doch weiterführen, nur müsse man sie künftig aus anderen Geldquellen finanzieren. Die Landessynode tagt vom 21. bis zum 25. März.

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