Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Die Zwanziger, Folge 2:Es geht langsam vorwärts

Von einer verkehrspolitischen Wende im Landkreis ist wenig zu spüren, doch zahlreiche Maßnahmen wurden bereits auf den Weg gebracht. Sie zielen darauf ab, Radfahren attraktiver und Bus- und Bahn zuverlässiger zu machen.

Von Julia Putzger, Dachau

Fliegende Kutschen, motorisierte Rollschuhe oder sogar von Walen gezogene U-Boote - so stellten sich die Menschen zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Zukunft der Mobilität vor, das zeigen Postkartenserien aus dieser Zeit. Eine Vorhersage über mehrere Jahrzehnte zu treffen, ist eben nicht so leicht. Weniger utopische Visionen erhält man bei der Frage, was sich in den nächsten zehn Jahren beim Thema Verkehr im Landkreis tun wird. Einig sind sich die Experten, Interessensvertreter und Politiker aus dem Landkreis in einem Punkt: Es muss sich etwas ändern. Denn momentan sind nicht nur verstopfte Straßen - besonders in Karlsfeld und Dachau - ein tägliches Ärgernis, sondern auch überfüllte Busse und Bahnen und die teils mangelhafte Infrastruktur für den Radverkehr.

Die Verantwortlichen im Landratsamt sprechen von einem derzeit "im Normalbetrieb gespannten, punktuell überlasteten System, welches bei jeder kleinsten Störung großflächige Beeinträchtigungen hat". Weder für den Straßen-, noch für den Schienenverkehr gebe es "adäquate Redundanzen". Landrat Stefan Löwl (CSU) erklärt, dass es keinesfalls nur eine Lösung für die zukünftige Gestaltung des Verkehrs im Landkreis gebe, sondern viele kleinere Projekte nötig seien, die jeweils Teilbereiche abdeckten. Diese seien aufeinander abgestimmt und würden sukzessive zu einem Fortschritt führen.

Es kommt Schwung in die Planungen

In den vergangenen Jahren zeigten diese Effekte sich aber oft nur sehr zögerlich, die Ergebnisse vieler groß angekündeter Vorhaben lassen immer noch auf sich warten. Aus dem Landratsamt kommen dazu beschwichtigende Aussagen: Da es die aktuelle Wachstumsdynamik erst seit rund zehn Jahren gebe, sei die vermeintlich zögerliche Umsetzung vor allem langwierigen Planungs- und Entscheidungszeiträumen geschuldet. "Was in zehn Jahren gebaut wird, müssen wir heute planen", stellt Löwl klar. Das heißt: Erste Verbesserungen sollten sich demnächst bemerkbar machen. Doch auch was heute diskutiert wird, kommt erst am Ende des neuen Jahrzehnts zum Tragen.

Generell kommt Schwung in die aktuellen Planungen und den Verkehrsbetrieb der Zukunft - was unter anderem der anhaltenden Debatte über den Klimawandel geschuldet ist, wie der Petershausener Josef Mittl vom Fahrgastverband Pro Bahn vermutet. Er glaubt, dass der ÖPNV gute Chancen habe, sich als echte Alternative zum Auto zu etablieren, denn "Autofahren und die damit verbundene Parkplatzsuche ist heute auch kein Spaß mehr". Monika Zott, Vorsitzende des Dachauer Radclubs ADFC glaubt ebenfalls, dass sich in nächster Zeit einiges tun wird: "Die Menschen begreifen zunehmend, dass weniger Verkehr mehr Lebensqualität bedeutet." Das Fahrrad sei deshalb - zumindest innerstädtisch - das Verkehrsmittel der Zukunft und die Alternative schlechthin. Einerseits brauche es viel weniger Platz als ein Auto und verschmutze nicht die Luft, erklärt sie. Andererseits wirke sich Radfahren auch positiv auf die Gesundheit aus und gestalte die alltägliche Mobilität weniger stressig.

Neben allerlei Vermutungen und Wünschen für die Zukunft gibt es im Landkreis aber auch konkrete Planungen für das Thema Verkehr. Diese sind unter anderem im Nahverkehrsplan formuliert. Bereits fixiert sind dabei qualitative und quantitative Verbesserungen beim Bus- und Ruftaxiverkehr sowie die Planung von Umfahrungen, zum Beispiel in Markt Indersdorf und Odelzhausen. Im Radwegenetz sollen Lücken geschlossen werden, auch Radschnellwege sind immer wieder in der Diskussion. Ebenfalls auf der Agenda: der Bahnausbau. Wichtig für all das ist die Zusammenarbeit der Kommunen, qualifiziertes Personal und ausreichende finanzielle Mittel, antworten die Verantwortlichen im Landratsamt auf die Frage nach möglichen Stolpersteinen.

Manche verkehrstechnische Zukunftsvorstellungen sind von ihrer Umsetzung derzeit allerdings noch weit entfernt. Landrat Löwl hofft bei den weniger gut abschätzbaren Entwicklungen vor allem auf die Digitalisierung: "Wir können nicht genau abschätzen, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf unser Mobilitätsverhalten haben wird, aber sie wird in allen Bereichen Fortschritt bringen", ist er sich sicher.

"Das sture Denken, dass wir überall Parkplätze brauchen, muss aufhören"

Auch Josef Mittl erwartet sich durch die digitale Technologie in Zukunft zahlreiche Verbesserungen, besonders wenn es um das Umsteigen geht. Mithilfe des Integrationssystems für Echtzeitdaten (ISE) könnten zum Beispiel Busse auf eine nur wenige Minuten verspätete S-Bahn warten und Pendlern so viel Stress ersparen. "Die Anschlussgarantie ist der entscheidende Knackpunkt", betont Mittl, der seit 37 Jahren selbst pendelt. Er ist überzeugt, dass wesentlich mehr Menschen den ÖPNV nutzten, wenn er den verlässlich funktionieren würde - unabhängig vom Preis. Eine Express-S-Bahn könnte die Attraktivität zusätzlich steigern. Generell sei die Taktung aber bereits jetzt sehr gut.

Die ADFC-Vorsitzende Zott sieht im Verkehr der Zukunft vor allem mehr Platz für das Fahrrad. Bis es soweit ist, sei aber noch viel zu tun: "Das sture Denken, dass wir überall Parkplätze brauchen, muss aufhören", kritisiert Zott. "Das Auto müsste ein bisschen verschwinden."

Ein weiteres Verkehrsmittel der Zukunft, das im Landkreis in letzter Zeit häufig thematisiert wurde, ist die Seilbahn. Ob und wie genau eine solche schwebende Umgehung voon Staus umgesetzt werden könnte, ist aber nach wie vor unklar.

Was passiert bis 2030 in Themenbereichen wie Klima, Verkehr, Wohnen oder Arbeit im Landkreis? Anlässlich des Starts in ein neues Jahrzehnt beschäftigt sich die Dachauer SZ in einer losen Serie mit den großen Zukunftsfragen.

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Quelle:
SZ vom 24.01.2020
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