Süddeutsche Zeitung

Dachau:Verkalkuliert

Die Besitzer der ehemaligen Koschade-Klinik kommen mit den Quadratmeterpreisen nicht zurecht, weil die Kosten wegen der nötigen Tiefgarage massiv ansteigen. Deshalb wollen sie jetzt mehr Wohnungen bauen.

Von Wolfgang Eitler und Christine Heumann

Die Zukunft der ehemaligen Koschadeklinik in der Dachauer Altstadt entscheidet sich in den nächsten Wochen. Die Stadtverwaltung hat der mittlerweile dritte Bauantrag innerhalb von zwei Jahren erreicht, in dem der Bauherr, die Kaga GmbH&Co. KG, statt 31 nunmehr 37 Wohnungen errichten will. Das Unternehmen muss nach eigenen Angaben den Erlös aus dem Projekt dringend erhöhen, um sich den angeblich ständig teuer werdenden Umbau noch leisten zu können. Die Quadratmeterpreise, die noch vor zwei Jahren kalkuliert und verlangt worden seien, hätten sich als viel zu niedrig herausgestellt, sagt Kaga-Geschäftsführer Jakob Kandler, ein gebürtiger Dachauer.

Mitglieder des Bauausschusses erwarten, dass darüber in ihrem Gremium öffentlich verhandelt wird. Gegenteiliger Ansicht ist der Antragsteller, der nur Stadtbaurat Michael Simon und dessen Behörde gefordert sieht: "Denn wir erhöhen ja nicht das Bauvolumen, sondern bauen in das bestehende Gebäude mehr Wohnungen ein." Insofern ändere sich am bereits durch den Bauausschuss genehmigten Bauvorhaben nichts Grundlegendes.

Der neuerliche Bauantrag hat Stadtbaurat Michael Simon erst Ende vergangener Woche erreicht. Der SZ sagte Simon, dass es sich nach einer ersten Einschätzung um umfangreiche Änderungen handle, die eingehend geprüft werden müssten. Deswegen erwäge er eine neuerliche Vorlage im Bauausschuss des Stadtrats, weil es sich um einen Antrag von öffentlichem Belang handeln könnte. "Aber entschieden ist noch nichts."

In den vergangenen Monaten staunten Passanten über den Stillstand an der ehemaligen Koschade-Klinik. Vorletzte Woche wurde der einzig verbliebene Kran abgezogen. Vor fast drei Jahren hatte die Schweizer Real Estate Opportunities das Gebäude von der Amper Kliniken AG erworben. Wenig später gründete sie die Kaga Dachau GmbH&Co.KG und übertrug ihr das ehemalige Klinikum. Innerhalb von zwei Jahren hat die Kaga nacheinander zwei Architekten den Auftrag entzogen und jetzt das Büro Imco in München beauftragt, den nun dritten Bauantrag im städtischen Bauamt durchzusetzen.

Das Problem ist die Tiefgarage mit fast 60 Stellplätzen in der Hanglage am Altstadtberg, die obendrein in ein bestehendes Gebäude integriert werden muss. Neben der Kritik von Anliegern, die sich über die Zu-und Ausfahren beschwerten, müssen erhebliche statische Probleme gelöst werden. Frank Weber, Bevollmächtigter der Real Estate Opportunities (Reo), gibt sich zuversichtlich: "Die statischen Probleme sind gelöst." Außerdem seien mit den Käufern Verhandlungen nötig gewesen, weil sich wegen der geplanten zusätzlichen Wohnungen ein neuer Teilungsschlüssel für Privat- und Gemeinschaftseigentum ergeben habe. Weber: "Fast alle haben den neuen Vertrag unterzeichnet."

Webers Stimmung hat sich anscheinend noch nicht auf alle Käufer übertragen. 15 von einst 26 hatten sich zu einer Gruppe zusammengeschlossen, um gemeinsam mit der Kaga Dachau verhandeln zu können. Einer, der anonym bleiben möchte, erzählt die Geschichte des Klinik-Umbaus zum erwünschten "Wohnen am Park mit Me(h)rblick" aus seiner Sicht: Eigentlich wollte der Mann schon seit Frühjahr in seinem neuen Domizil in der ehemaligen Koschade-Klinik wohnen. "Diesen Einzugstermin habe ich von der Reo sogar schriftlich", sagt er. Doch statt einer exklusiven Wohnanlage steht in exponierter Lage der Dachauer Altstadt noch immer ein skelettierter Altbau: "Es passiert nichts." Und so haben 15 Betroffene, statt Umzugskisten zu packen, viel Zeit damit verbracht, sich zu finden und eine Interessengemeinschaft zu bilden. "In der Zwischenzeit sind neun ausgestiegen und von ihrem Immobilienkauf zurückgetreten", berichtet der Käufer. "Um sich die derzeit niedrigen Zinsen zu sichern, haben die Leute Darlehensverträge abgeschlossen - und zahlen jetzt für nichts."

Warum sich das Bauvorhaben immer wieder verzögert, liegt für ihn auf der Hand: "Mittlerweile ist das dritte Architekturbüro mit dem Vorhaben betraut. Immer wieder werden neue Tekturen eingereicht - und über die letzte ist seitens der Stadt Dachau noch nicht entschieden." Das Bauvorhaben sei von Frank Weber völlig planlos angegangen worden, kritisiert der Käufer. "Und die Nachbarn hat er auch gleich sauer gefahren."

Zudem habe Weber von Anfang an Einwände des Statikers bezüglich der Tiefgarage ignoriert und vom Tisch gefegt. "In der ersten Version der Planung sollte fünf Stockwerke tief gebaut werden. Fachleute haben mir schon damals, also vor zwei Jahren gesagt, dass das bautechnisch nicht realisierbar ist."

Der Mann kritisiert auch das Konstrukt von Firmen, das sich seit der Ausschreibung des Projekts entwickelt hat. Sein erster Ansprechpartner, Frank Weber von der Real Estate Opportunities mit Sitz in der Schweiz, sei für ihn schon längst nicht mehr zu sprechen. Real Estate ist Kommandantist der Kaga Dachau&CO.KG mit Sitz im Chieming am Chiemsee. "Ich bin dort hin gefahren", erzählt er. "Dieses Büro ist inaktiv und dient nur als Briefkastenadresse. Die Post lässt sich Weber zu seinen Schwiegereltern nach Knittlingen am Bodensee umleiten." Kaga-Geschäftsführer Jakob Kandler meldet sich aus München. "Wenn ich die Schwierigkeiten gekannt hätte, hätte ich von dem Bauvorhaben die Finger gelassen", sagt er. Vor zwei Jahren habe er sich dazu verleiten lassen, "weil ich in der alten Koschade-Klinik geboren wurde".

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Quelle:
SZ vom 19.09.2013
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