Dachau:Unterricht mit Hund

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Fasziniert von der Hündin Sansa sind die Schüler von Julia Prediger. (Foto: Toni Heigl)

An der Greta-Fischer-Schule nimmt die Lehrerin Julia Prediger ihre "Sansa" mit ins Klassenzimmer. Und die Schüler benehmen sich rücksichtsvoll und umgänglich wie nie zuvor.

Von Angelika Aichner, Dachau

Niemand schreibt noch rasch die Hausaufgabe ab oder steckt seinem Sitznachbarn unter der Schulbank ein Zettelchen zu; niemand brüllt oder spaziert durch die Klasse; die Schüler sind leise, still. Aber nicht etwa, weil sie eingeschüchtert sind von ihrer Lehrerin, sondern weil sie fasziniert sind: von der Hündin Sansa, die während des Unterrichts in der Mitte des Klassenzimmers sitzt.

Julia Prediger, 26, die Klassenlehrerin der 7 B, nahm das Tier vor einem Jahr bei sich auf, nachdem ein italienischer Tierschutzverein es aus einer Bretterhütte befreit hatte. "Sie war völlig verwahrlost, übergewichtig, mit viel zu langen Krallen", erinnert sich Prediger. Weil die Tierheime in Italien völlig überfüllt seien, habe man die heute neun Jahre alte Sansa in Deutschland vermitteln wollen. Eine Freundin, die sich im Tierschutzverein engagiert, bat Prediger darum, sich einige Tage um den Hund zu kümmern. Danach wollte die Lehrerin Sansa behalten.

Sozialer Verstärker

Hin und wieder bringt Prediger, die momentan im zweiten Jahr ihres Referendariats ist, Sansa mit in die Greta-Fischer-Schule. "Als sozialen Verstärker", wie sie sagt. Oder, um es für einen Laien zu erklären, als Belohnung. Wenn die Kinder brav sind, bekommen sie Besuch von Sansa. Und die Kinder, ein Mädchen und neun Jungen, sind brav. Jeder versucht so leise wie möglich zu sein, damit Sansa auf seinem Schoß oder einem Stuhl daneben sitzen darf. Ganz sachte, als sei Sansa das Wertvollste der Welt, streicheln die Kinder sie. Als Prediger befiehlt, dass die Kinder einen Stuhlkreis bilden sollen, gilt es zu überlegen, wie man das bewerkstelligen kann, ohne Sansa zu stören.

Eine Hand nach der anderen schnellt in die Höhe: "Während die anderen die Stühle und die Tische verrücken, könnte ich mit Sansa vor die Tür gehen", schlägt einer vor. Ein anderer will währenddessen mit ihr in einer Ecke sitzen. So wird es gemacht und man merkt, wie gut es den Kindern tut, dass Sansa im Unterricht mit dabei ist. Es geht nicht nur darum, dass die Kinder leise sind, weil Sansa als Belohnung motiviert. Es geht auch darum, dass sie lernen, rücksichtsvoll mit dem Tier und auch miteinander umzugehen. "Die sozialen Kompetenzen stärken", nennt Prediger das. Auch wenn der Hund gar keine Therapieausbildung hat, funktioniert das. Die Eltern und die Schulleitung finden es gut, die Kinder sowieso.

Alle mögen Sansa

Prediger deutet auf einen Jungen, der in der letzten Reihe sitzt und ein wenig wie Michel aus Lönneberga aussieht. In einer Hand hält er einen Füller und schreibt in sein Deutschheft, mit der anderen streichelt er über Sansas Fell. Manchmal sei er unkonzentriert, sagt Prediger, aber wenn Sansa in der Klasse sei, gebe er sein Bestes. Und tatsächlich benimmt er sich während des Unterrichts einwandfrei und erledigt seine Aufgabe ordentlich. Er und seine Mitschüler sollen Sansa beschreiben. Bevor sie damit beginnen, alles zu notieren, werden Stichworte gesammelt. Pausenlos fliegen Satzfetzen durch die Luft, die eines gemeinsam haben: Sie sind ausschließlich positiv. Alle mögen Sansa.

Bereits im vergangenen Schuljahr profitierte die Lehrerin Julia Prediger davon. Während sie in der Greta-Fischer-Schule momentan jene unterrichtet, die Lernschwächen haben, kümmerte sie sich damals an einer anderen Schule im Landkreis um Kinder, die teilweise an Bindungsstörungen litten. Manche scheuten sich vor jeglichem Körperkontakt, einige prügelten sich untereinander. Zunächst seien sie gar nicht froh gewesen über die Gegenwart des Tieres, "doch dann begriffen sie, dass die Hündin sie bedingungslos akzeptierte, solange sie von ihnen gut behandelt wurde", berichtet Prediger. Ihr Verhältnis zur Klasse habe sich gebessert, genauso wie das Verhalten der Kinder. Und das nur, weil Sansa hin und wieder mit in den Unterricht kam.

© SZ vom 08.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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