Dachau:Unerhört musikalisch

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Die große Abendmusik der Chorgemeinschaft Dachau in Sankt Jakob

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

"Durch die Jahrhunderte" wollte eine "Abendmusik" der Chorgemeinschaft Dachau führen, und tatsächlich waren das ausgehende 16., das 17., das 18. und auch noch das 20. Jahrhundert in ihrem Programm vertreten - wenn auch in recht unterschiedlicher Gewichtung. Besonders glanzvoll gerieten dabei die Beiträge der Chorgemeinschaft Dachau zum 17. Jahrhundert.

Sie ist neben der Liedertafel einer der beiden großen Chöre Dachaus. Und sie besann sich auf die hohe Tugend des Singens, nämlich des Gesangs a cappella, ohne begleitende Instrumente, also kein "Messias", keine "Schöpfung", kein Mozart- oder Brahms-Requiem, keine Orchestermesse, sondern "Kyrie" und "Gloria" unbegleitet, Psalmen und Motetten. Der Purismus tat nicht nur der Chorgemeinschaft und ihrem Singen gut, er war auch für die Zuhörer in Sankt Jakob ein zwar ungewohntes, aber doch gleichzeitig großes musikalisches Erlebnis.

Vielleicht ist in dieser Kirche der Altstadt noch nie eine Musik erklungen, die so genau in diesen barocken Raum passt, bei der die Musik mit der Renaissance-Architektur geradezu verschmolz. Das machte das "Kyrie" und das "Gloria" aus der "Missa octo vocum", also für achtstimmigen Doppelchor von Hans Leo Hassler besonders eindrucksvoll. Dass sich die des Singens a cappella ungewohnte Chorgemeinschaft gleich an sehr schwierige achtstimmige Chorsätze gewagt hat, ist mit Respekt zu vermelden. Aber dass und wie sie diese Herausforderung geschafft hat, ist nur noch zu bewundern.

Beim Psalmkonzert "Jauchzet dem Herren, alle Welt" und der Motette "Singet dem Herrn ein neues Lied", jeweils für zwei Chöre von Heinrich Schütz, teilte sich der Chor in zwei auf, die im Altarraum einander gegenüber postiert waren. Die so aufgeteilten Chöre vermochten sich auf einen Basso continuo und ein kleines Instrumentalensemble stützen, das beim Psalm "Herr, unser Herrscher" zusätzlich als eigener Instrumentalchor wirkte. Diese aufwendige Inszenierung war prachtvoll, sie bewirkte nicht nur ein großes klangliches Erlebnis, sie war auch und ganz herausragend, sie war unerhört musikalisch.

Dirigent Rudi Forche, der Initiator und musikalische Leiter dieser Pracht, hat nicht nur richtig erkannt, wie sehr die Musik von Heinrich Schütz auch bei der seiner nach italienischem Vorbild gestalteten Chorpracht nur von der Sprache her zu verstehen ist, er hat das auch realisiert. Ein solcher Anspruch ist für einen Kammerchor schon schwer genug, für einen eher an Händel, Haydn, Mozart und Brahms geschulten sehr großen Chor aber eine enorme Leistung.

Der Schritt ins 18. Jahrhundert wurde mit einer kleinen Kirchensonate von Mozart gemacht, worauf die Chorgemeinschaft Mozarts berühmtes, aber äußerst empfindliches "Ave verum" sang. Ihre Fassung für großen Chor konnte sich hören lassen. Christian Baumgartner, der Kirchenmusiker von Sankt Jakob, hängte noch eine kleine, von ihm farbig instrumentierte "Sonata per l'Organo a Cilindro" - was immer das bedeuten mag - dran, und schon war man mit Musik des 1945 geborenen John Rutter am Ende des 20. Jahrhunderts angelangt.

Dieser Komponist hat mit seiner in harmonischer Tonalität und Musical-Harmonien schwelgenden Musik unerhörten Erfolg, an den sich jetzt die Chorgemeinschaft Dachau mit Genuss (für sich selbst und ihr Publikum) anhängte. Das vor allem von Arnold Schönberg und seiner Schule verkörperte dissonante 20. Jahrhundert wurde gemieden. Selbst bei den von Christian Baumgartner bereits zwischen Haßler und Schütz gespielten Stücken von Jean Langlais, dessen Leben - von 1907 bis 1991 - beinahe das ganze Jahrhundert ausfüllte, dominierte nicht die Dissonanz, sondern die Farbe.

© SZ vom 14.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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