Dachau:Tennishalle als Notquartier

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Der Landkreis muss an diesem Mittwoch kurzfristig 120 Asylbewerber aufnehmen. Sie sollen in Markt Indersdorf unterkommen. Unter Kommunalpolitikern wächst der Unmut über die Regierung

Von Gregor Schiegl, Benjamin Emonts und RObert Stocker, Dachau

Die Unterbringung von Flüchtlingen nimmt immer chaotischere Züge an. Am Montag wurde das Landratsamt um 16.30 Uhr telefonisch informiert, dass es von diesem Mittwoch an bis zu 120 Menschen für mindestens zehn Tage im Landkreis Dachau unterbringen muss. Die Hälfte der Flüchtlinge soll nach drei bis fünf Tagen in andere Bundesländer verlegt werden, der Rest etwas später wieder in Erstaufnahmeeinrichtungen. Der Krisenstab des Landratsamts hat für die Unterbringung die Tennishalle in Markt Indersdorf vorgesehen.

Dort muss laut dem Pressesprecher des Dachauer Landratsamts, Wolfgang Reichelt, für alle 120 ankommenden Flüchtlinge Platz geschaffen werden. Um diesem Ansturm gerecht zu werden, haben die ehrenamtlichen Helfer noch am Dienstagabend Feldbetten und Biertischgarnituren in die Halle gestellt. Zusätzlich werden im Inneren Bereiche zur Essensausgabe aufgebaut und Bauzäune aufgestellt, "um zumindest ein bisschen die Privatsphäre der Flüchtlinge zu wahren". Weil die vorhandenen Sanitäranlagen bei weitem nicht genügen, werden an diesem Mittwochmorgen zusätzliche Toilettenwagen und Duschcontainer zu der Halle gebracht. "Die Verpflegung der Asylbewerber übernimmt ein Catering-Service", sagt Reichelt.

Die 17 Flüchtlinge, die bisher in der Tennishalle untergebracht waren, wurden bereits am Dienstagnachmittag in die neue Containerunterkunft in Erdweg verlegt. "Das war ohnehin geplant", sagt Reichelt. Eigentlich sollte die Containeranlage in Erdweg mit 54 Plätzen aber erst am Montag kommender Woche eröffnen. "Nun aber ist der Notfall eingetroffen", sagt Reichelt, "die zuständige Firma wird die Unterkunft in den kommenden Tagen mit Hochdruck fertig stellen."

Neben Mitarbeitern des Landratsamtes sind auch Hilfsorganisationen, die Polizeiinspektion Dachau sowie die medizinischen Einrichtungen im Landkreis und die Caritas mit den Helferkreisen in die Organisation der Hilfe in Markt Indersdorf eingebunden. Landrat Stefan Löwl (CSU) sicherte Indersdorfs Bürgermeister Franz Obesser (CSU) jede mögliche Unterstützung zu. "Ich appelliere an alle anderen Gemeinden im Landkreis Dachau, diese Aufgabe gemeinsam zu bewältigen." Markt Indersdorf leiste bereits seit Monaten einen erheblichen Beitrag bei der Unterbringung der Hilfesuchenden. Landrat Löwl hat alle interessierten Indersdorfer in die Aula der Grundschule eingeladen, um sie am Donnerstag, 13. November, um 18 Uhr gemeinsam mit Bürgermeister Obesser über das weitere Vorgehen zu informieren.

Derzeit leben 454 Asylbewerber im Landkreis, die Sammelunterkunft an der Kufsteiner Straße in Dachau mit eingerechnet. Die Zahl der Flüchtlinge soll sich bis Jahresende auf gut 550 erhöhen, bis Ende 2015 rechnet der Landkreis sogar mit gut 900 Flüchtlingen. Für deren Unterbringung gibt es im Landkreis inzwischen mehr als zehn Anlaufstellen. Die Unterkunft in Erdweg ist nun vorzeitig in Betrieb genommen worden, eine weitere soll bis Jahresende in Indersdorf bezugsfertig sein. "Wenn nichts Außergewöhnliches dazwischenkommt, kriegen wir das gut hin", sagte Brigitte Detering, Sachgebietsleiterin für das Sozialwesen im Landratsamt Dachau. Das war allerdings noch in der Kreistagssitzung am Freitag.

Unter Dachaus Kommunalpolitikern wächst der Unmut, wie die Regierung mit dem Flüchtlingsandrang umgeht. So hat die Gemeinde Karlsfeld schon im August 2013 einen Bebauungsplan für eine längerfristige Unterkunft für etwa 100 Flüchtlinge beschlossen; eine Gruppe von Bürgern steht in den Startlöchern, um sich als Helferkreis für die Flüchtlinge zu engagieren. Doch seitdem ist nichts passiert. Wegen interner Querelen von Regierung und Ministerien, wer wie viel bezahlt, kann der Landkreis nicht mit dem Bau der Karlsfelder Unterkunft beginnen. "Es ist schändlich, dass der Staat seine Aufgaben nicht wahrnimmt", sagte Karlsfelds Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) bei einer Veranstaltung der Korneliuskirche am Montag. "Die Menschen, die zu uns kommen, haben Hilfe verdient." Er forderte schnelle unbürokratische Hilfe: "Beim Hochwasser gab es einen Sondertopf für Soforthilfe, und jetzt wird herumgeritten auf dem Haushaltsrecht." Dafür habe er kein Verständnis. Die Untätigkeit der Regierung sei schuld daran, dass der Landrat nun Notfallpläne ausarbeiten müsse. "Menschen in Turnhallen zu pferchen, ist eigentlich ein Unding."

Der Landkreis muss sich darauf vorbereiten, dass er bis zu 300 Asylbewerber kurzfristig in winterfesten Notunterkünften unterbringen muss. Dazu hat die Regierung von Oberbayern das Landratsamt aufgefordert, einen sogenannten "Winterplan" auszuarbeiten. 150 Plätze stehen laut Landrat Stefan Löwl dafür jetzt schon bereit - wo genau, darüber hält sich das Landratsamt noch bedeckt. Es gebe eine Prioritätenliste mit mehreren Objekten, zu denen auch leer stehende Hallen gehören. Die Belegung von Turnhallen soll möglichst vermieden werden, um den Schulbetrieb nicht zu beeinträchtigen. Gleichzeitig sollen die gesetzlichen Regelungen für die Errichtung dezentraler Unterkünfte gelockert werden.

© SZ vom 12.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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