Dachauer Tafel:"Mehr Kunden können wir nicht aufnehmen"

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Albert Solleder ist Zweiter Vorsitzender der Dachauer Tafel. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Zahl der Bedürftigen im Landkreis wächst. Doch die Dachauer Tafel kann keine weiteren Menschen mit kostenlosen Lebensmitteln versorgen. Dafür bräuchte es mehr Helfer und mehr Lebensmittelspenden.

Von Anna Schwarz, Dachau

Strom, Gas, Heizöl und Nahrungsmittel: Vier Dinge, die jeder braucht und die in diesen Zeiten immer mehr kosten. Die Energiekosten etwa sind für Verbraucher um 38 Prozent im Vergleich zum Vorjahr angestiegen. Im Juli verteuerten sich Nahrungsmittel gegenüber dem Vorjahresmonat um 15 Prozent, ein Rekordanstieg seit Beginn der Messung im Jahr 1991 - ebenfalls eine Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine.

350 Kinder im Landkreis werden durch die Tafel versorgt

Staatliche Hilfen gibt es deshalb nicht, teilt das Landratsamt Dachau mit: "Bisher hat der Bundesgesetzgeber keine Leistungen zur Abfederung gestiegener Preise für Nahrungsmittel vorgesehen." Doch die höheren Lebenshaltungskosten machen auch Landkreisbewohnern zu schaffen, sagt Albert Solleder. Seit fünf Jahren engagiert er sich bei der Dachauer Tafel und ist deren Zweiter Vorsitzender. Jeden Mittwoch ist die Tafel in der Brunngartenstraße geöffnet, damit sich Bedürftige dort kostenlose Lebensmittel für sich und ihre Familien holen können. Solleder sagt: "Unsere Kundengruppe ist komplett gemischt", darunter seien Rentnerinnen, Hartz-IV-Empfängerinnen, ukrainische Geflüchtete sowie kinderreiche Familien.

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Die Zahl der Kunden bleibe in etwa konstant, sagt er, denn: "Mehr können wir nicht aufnehmen" - dafür reichten die Lebensmittelspenden nicht aus. "Es macht ja keinen Sinn, wenn Leute kommen und viele mit leeren Tüten nach Hause gehen." Wer einen Berechtigungsschein für die Tafel braucht, muss sich seine Bedürftigkeit erst beim Landratsamt bestätigen lassen und die Unterlagen beim Tafel-Träger, dem BRK Dachau, einreichen. Wer wegen der begrenzten Aufnahmekapazitäten keinen Schein bekommt, kann nachrücken, etwa wenn ein bisheriger Tafelkunde wegzieht oder ein Hartz-IV-Empfänger wieder eine Arbeit findet.

"Die Zahl der Bedürftigen wächst."

Auf Anfrage der SZ Dachau teilt das BRK Dachau mit, dass es aktuell 441 Tafel-Ausweisinhaber beziehungsweise Bedarfsgemeinschaften registriert hat, insgesamt werden damit 1006 Kundinnen und Kunden im Landkreis durch die Tafel mitversorgt, darunter 350 Kinder. Außerdem habe das BRK einige Menschen registriert, die auf einen Berechtigungsschein warten. Eine konkrete Zahl nennt Kreisgeschäftsführer Dennis Behrendt nicht, weil ihm zufolge keine klassische Warteliste geführt wird. Wenn Plätze frei werden, ruft das BRK die Bedürftigen an: "Klar ist, dass wir deutlich höhere Kapazitäten benötigen würden, um alle Anfragen bedienen zu können", sagt er. "Das ist ein unerfreulicher Umstand, da die Zahl der Bedürftigen aus unserer Sicht wächst."

Um mehr Menschen mit Lebensmitteln zu helfen, müsste die Tafel an einem zweiten Wochentag öffnen, doch dafür würden doppelt so viele ehrenamtliche Mitarbeiter benötigt. Hinzu komme, dass die Supermärkte nicht mehr so viele Lebensmittel übrig hätten. Außerdem teilt das BRK mit: "Grundsätzlich ist es so, dass die Tafeln einen Beitrag zur Linderung der Situation leisten", sie könnten aber keine Vollversorger sein. Trotzdem arbeite die Tafel daran, möglichst viele Kunden zu bedienen und Berechtigungsscheine auszugeben.

Wer mit einem Berechtigungsschein zur Tafel kommt, kann auch nach bestimmten Lebensmitteln fragen. Doch nicht immer können die Wünsche erfüllt werden. In den vergangenen Monaten haben die Preise für Öl und Mehl angezogen, doch die Tafelkunden fragen nicht explizit danach, sagt Solleder: "Sie wissen, dass wir nur das geben können, was wir von den Lebensmittelspendern bekommen".

Jeder kann für die Tafel spenden

Immer dienstags fahren er und weitere Ehrenamtliche Geschäfte ab und sammeln dort Kisten mit Lebensmitteln ein: "In den Ferien haben wir vergleichsweise viel bekommen, weil wohl viele Menschen im Urlaub waren. Aber das wird sich auch wieder ändern." Grundsätzlich könne jeder für die Tafel spenden. Benötigt werden haltbare Lebensmittel, wie Kaffee, Nudeln, Reis, verpackte Wurst oder Käse und Zucker. "Milchprodukte bekommen wir reichlich." Inwiefern Bürgerinnen wegen der Inflation von staatlicher Seite unterstützt werden sollen, dazu möchte sich Solleder nicht äußern: "Das muss die Politik entscheiden" - er und weitere Ehrenamtliche kümmern sich lediglich um die praktische Hilfe vor Ort.

Das Landratsamt empfiehlt Personen, die ihre Lebenshaltungskosten nicht mehr stemmen können, einen Beratungstermin in der Sozialverwaltung des Amtes. Dort werde die Lebenssituation besprochen und geprüft, ob sozialhilferechtliche Leistungsansprüche bestehen, etwa auf Wohngeld oder auf Bildung und Teilhabe. In Einzelfällen werden einmalige Gutscheine ausgestellt, etwa für einen Supermarkteinkauf, eine Sehhilfe oder Zahnersatz. Je nach Situation sei auch eine Beratung bei der Schuldnerberatung der Caritas ratsam. Auch der Verein Lichtblick und der Sozialverband VdK bieten (Lebensmittel-)Gutscheine an.

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