Dachauer Symposium:Experimente an Mensch und Natur

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Unter anderem auf dem Areal des sogenannten Kräutergartens mussten Dachauer KZ-Häftlinge Zwangsarbeit verrichten. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das diesjährige Dachauer Symposium geht der Frage nach, wie Zwangsarbeit, Medizin und Wissenschaft in der NS-Zeit zusammenhingen – und was das für die Gegenwart bedeutet.

Von Walter Gierlich, Dachau

Josef Mengele dürfte der einer breiten Öffentlichkeit bekannteste Arzt sein, der in deutschen Konzentrationslagern medizinische Menschenversuche durchgeführt hat – aber er war bei Weitem nicht der Einzige. Und in den KZs wurden auch nicht nur Leben und Arbeitskraft von Häftlingen ausgebeutet, sondern auch deren geistiges Wissen unter mörderischen Bedingungen. Im Dachauer Symposium zur Zeitgeschichte geht es deshalb in diesem Jahr um „Konzentrationslager und andere NS-Zwangsstätten als Orte von Experimenten an Mensch und Natur“, überschrieben mit dem Titel: „Zwangsarbeit, Medizin und Wissenschaft“.

Die Tagung findet am Freitag und Samstag, 18. und 19. Oktober, im Max-Mannheimer-Studienzentrum statt. Die wissenschaftliche Leitung des diesjährigen Symposiums hat Moritz Epple, Professor für Wissenschaftsgeschichte am Historischen Seminar der Goethe-Universität Frankfurt. Die Projektleitung der Veranstaltungsreihe liegt seit 2012 bei Sybille Steinbacher, Leiterin des Fritz-Bauer-Instituts und Lehrstuhlinhaberin für Geschichte und Wirkung des Holocaust, ebenfalls an der Goethe-Universität.

Unter welchen Umständen wurde Wissen erlangt?

In der Ankündigung betonen die beiden Organisatoren, dass das diesjährige Symposium den „Zusammenhängen in den Feldern der Medizin, der Naturwissenschaften und der Zwangsarbeit für wissensbasierte Industrien nachgehen“ wolle. Dabei werde es zum einen um Experimente an Häftlingen oder die Ausbeutung ihrer Arbeitskraft und ihres Wissens gehen, zum anderen aber auch um die Spielräume, die sie möglicherweise „unter den verbrecherischen Bedingungen der Lager nutzen konnten und nutzten“.

Nicht zuletzt stehe die Frage im Raum, welches Verhältnis die Gewinnung der Kenntnisse der gefangenen Wissenschaftler zum akademischen System der NS-Zeit gehabt hat. Daraus ergebe sich wiederum die Frage, was das für die betroffenen Wissensgebiete „von der Medizin über die Landwirtschaft bis zur Rüstungstechnologie“ in der Gegenwart bedeute – und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.

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Von Walter Gierlich

Zu Beginn des Symposiums wird der wissenschaftliche Leiter Moritz Epple eine halbstündige Einführung in den Themenkomplex geben, ehe im ersten Feld die Medizin betrachtet wird. Volker Roelcke, Medizinhistoriker an der Justus-Liebig-Universität Gießen, referiert über Experimente an Menschen in den Lagern Dachau und Ravensbrück. Astrid Ley, stellvertretende Leiterin der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen, geht auf das Dilemma der Häftlingsärzte durch deren Kollaboration mit der SS ein. Karsten Wilke (Hochschule Düsseldorf) spricht über Luftfahrtmedizin zwischen Standesethik und Wissenschaftlichkeit am Beispiel der Höhenversuche an Häftlingen im Konzentrationslager Dachau von Siegfried Ruff, der nach dem Krieg weiter Karriere machte.

Mark Spoerer von der Universität Regensburg leitet mit seinem Vortrag über „Rüstung und Zwangsarbeit“ den Themenbereich Naturwissenschaft ein. Mit dem entomologischen Institut des SS-Ahnenerbes befasst sich Nelli Kisser (Goethe-Universität Frankfurt) in ihrem Referat über „Schädlingsbekämpfung und biologische Kriegsführung“. Der wissenschaftlichen Zwangsarbeit bei den Forschungen zur ökologischen Landwirtschaft im KZ Dachau widmet sich Anne Sudrow von der Berliner Humboldt-Universität. Mit Primo Levi, Überlebender des KZ Auschwitz, endet der erste Tag. Seine Texte werden von Herbert Müller, Leiter des Hoftheaters Bergkirchen, gelesen.

Wie immer endet das Symposium mit einer Podiumsdiskussion

„Wissenschaftler unter Zwang“ ist das Themenfeld benannt, mit dem der zweite Tag des Symposiums beginnt. Der Titel von Moritz Epples Vortrag lautet „Medizinische Zwangsarbeit, Sabotage, wissenschaftliche Probleme“. Darin geht es um den polnischen Mikrobiologen Ludwik Fleck. Der betätigte sich nach Aufenthalten im Lemberger Ghetto und dem KZ Auschwitz im KZ Buchenwald als Saboteur.

Über die „wissenschaftliche Deutung der Zwangssituation durch Überlebende und Nachfahren“ im Lager Theresienstadt wird im letzten Referat Wolfgang Benz sprechen, emeritierter Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin. 

Wie immer endet das Dachauer Symposium am Samstagmittag mit einer Podiumsdiskussion. Unter Leitung von Moritz Epple debattieren dabei Wolfgang Benz, Volker Roelcke, Anne Sudrow und Dirk Riedel von der KZ-Gedenkstätte Dachau über die Frage: „Was bedeutete wissenschaftliche (Zwangs-)Arbeit und Forschung in den nationalsozialistischen Zwangsstätten für das akademische System – damals und heute?“

Das Dachauer Symposium zur Zeitgeschichte findet am Freitag, 18. Oktober, von 13 Uhr bis 19 Uhr, und am Samstag, 19. Oktober, von 9.30 bis 12.30 Uhr statt. Anmeldungen für das Symposium sind beim Max-Mannheimer-Studienzentrum im Jugendgästehaus Dachau per E-Mail bis 10. Oktober möglich unter bildung@mmsz-dachau.de. Besucher und Besucherinnen mit Wohnsitz in Dachau zahlen keine Teilnahmegebühr. 

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