Einzelhandel in Dachau:Die Auto-Einkaufsstadt

Einzelhandel in Dachau: Mit einer Verkaufsfläche von rund 5200 Quadratmetern ist Kaufland einer der größten Einzelhändler in Dachau-Ost. Fast alle Kunden kommen hier mit dem Auto.

Mit einer Verkaufsfläche von rund 5200 Quadratmetern ist Kaufland einer der größten Einzelhändler in Dachau-Ost. Fast alle Kunden kommen hier mit dem Auto.

(Foto: Toni Heigl)

Der Einzelhandel in Dachau punktet mit einer breiten Palette von Angeboten, doch die konzentrieren sich in der Peripherie. Fußläufige Läden im Zentrum fehlen. Mit der Bebauung des ehemaligen MD-Geländes ergibt sich nun die Chance, dies zu ändern.

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Die Dachauer Altstadt hat vieles zu bieten: Restaurants, Bars, Bäckereien, Feinkostläden und ein malerisch gelegenes Schloss samt Café mit Panoramaausblick. Doch was seit Jahren fehlt, ist ein Supermarkt. Ob wie geplant im kommenden Mai ein Nahkauf im Untergeschoss des Modehauses Rübsamen eröffnen kann, steht auf der Kippe. Wegen der Corona-Krise tut sich die Stadt schwer, den Umbau des Birgmannforums zu bezuschussen. Zementiert Corona damit ein Defizit, das für eine Stadt mit fast 50 000 Einwohnern bemerkenswert ist?

Dass in der Dachauer Altstadt seit Jahren eine Nahversorgungslücke klafft, ist nur ein Symptom eines viel größeren Problems, das sich auch in anderen Teilen Dachaus zeigt: Es gibt zwar sehr viele Supermärkte, Drogerien oder Lebensmittelläden in Dachau, doch die sind ungünstig im Siedlungsgebiet verteilt. Das geht aus dem neuen Nahversorgungskonzept hervor, das die Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA) für die Stadt erstellt und nun jüngst im Bau und Planungsausschuss präsentiert hat. "In Dachau ist alles vertreten, was Rang und Namen hat", sagte der GMA-Vertreter in der Sitzung, "die räumliche Verteilung ist das Problem."

Supermärkte sind in Dachau ungünstig verteilt

Laut Nahversorgungskonzept haben 60 Prozent der Dachauer Bevölkerung keinen größeren Lebensmittel- oder Drogeriemarkt in fußläufiger Entfernung. Für fast Zweidrittel aller Dachauer liegt der nächste Supermarkt mehr als 600 Meter entfernt. Versorgungslücken gibt es insbesondere in der Altstadt, im Dachauer Südwesten sowie im Norden und Nordwesten - das sind die Wohngebiete im Umgriff Himmelreichweg und der Hermann-Stockmann-Straße sowie nördlich der Augsburger Straße, Mittermayerstraße, Freisinger Straße und Sudetenlandstraße. Nach Ansicht der Stadtverwaltung ist es ein Problem in zweifacher Hinsicht: Einerseits müssen weniger mobile Menschen, die weder Fahrrad noch Auto fahren können, hohe Anstrengungen auf sich nehmen, um täglich einkaufen zu gehen. Andererseits führt diese unvorteilhafte Verteilung zu deutlich mehr Verkehr. Schließlich setzen sich viele Dachauer für den Weg zum Supermarkt ins Auto.

Die Angebotsschwerpunkte befinden sich ausgerechnet in dezentralen Lagen, die am besten mit dem Auto zu erreichen sind: in den Gewerbegebieten Dachau Ost und Wettersteinring. In Dachau Ost gibt es ein Kaufland (mit einer Verkaufsfläche von rund 5200 Quadratmetern), ein Rewe Center, das AEZ, einen Aldi und Lidl. Im Vergleich mit diesem Supermarkt-Hotspots ziehen andere Einzelhandelsstandorte den Kürzeren. Das Gewerbegebiet habe mit dem umfangreichen Sortiment eindeutige Wettbewerbsvorteile, heißt es im neuen Nahversorgungskonzept. Die Marktforscher erkennen eine "deutliche Lagenzersplitterung in Dachau". Dies führe zu "deutlichen Konkurrenzbeziehungen zu Lasten der kleinteiligen Angebote im zentralen Versorgungsbereich" der Stadt.

Insgesamt befinden sich 70 Prozent aller Verkaufsflächen in Dachau in den Gewerbegebieten. "Eine Schwäche", wie Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) anmerkte. Es wäre schöner gewesen, die Stadt hätte sich vor vielen Jahren stattdessen um "hohe Gewerbesteuerzahler" bemüht. Das werde sich aber so schnell nicht mehr ändern lassen. Auch Stadtrat Sören Schneider (SPD) erkannte darin Fehler, die in den Neunzigern gemacht worden seien. Das müsse man jetzt korrigieren, sagte er.

Entscheidende Rolle des MD-Geländes

Die städtebauliche Entwicklung des ehemaligen MD-Geländes wird bei der Korrektur der Nahversorgungsschieflage entscheidend sein. Das sehen sowohl Stadträte als auch die Marktforscher so. Auf dem 18 Hektar großen Areal am Fuße des Dachauer Altstadtberges soll ein ganzes Viertel für mehr als 2000 Menschen entstehen. Nicht nur Wohnungen, auch Flächen für Kultur und Einzelhandel sind vorgesehen. Geplant ist ein Gewerbeanteil von 40 Prozent. Mit der Entwicklung des MD-Geländes ergebe sich für die Stadt die "entscheidende Möglichkeit, sowohl dem wachsenden Wohnungsdruck zu begegnen, als auch der bestehenden handelsbezogenen Lagezersplitterung entgegenzuwirken", heißt es im Nahversorgungskonzept. Das Gelände habe nicht nur eine große Bedeutung für die Nahversorgung der Altstadt, sonder verfüge über eine Schlüsselfunktion für das Kernstadtgebiet". Die Gutachter empfehlen, den Angebotsschwerpunkt auf dem MD-Areal im Bereich der Nahversorgung zu legen. Sie schlagen vor, bis zu 6900 Quadratmeter für Supermärkte, Drogerien oder Apotheken und Zeitschriftenläden zur Verfügung zu stellen. Dadurch würde dieses "ein innenstadtnahes Gegengewicht zum dezentralen Standort Dachau Ost" bilden.

Doch bisher ist fraglich, welche Betriebe sich überhaupt auf den Gewerbeflächen eines entwickelten MD-Geländes ansiedeln werden und wie groß der Anteil der Nahversorger sein wird. Klar ist, dass die Meinungen vonseiten der Stadt und des Investors bei der Frage der Gewerbeflächen auseinander gehen. OB Florian Hartmann sprach Ende September vor diesem Hintergrund von einem "Interessenkonflikt". Während es Isaria um eine zeitnahe Vermarktung der Gewerbeobjekte und eine gute und sichere Rendite geht, spielt für die Stadt das Gewerbesteueraufkommen und die Schaffung von Arbeitsplätzen eine zentrale Rolle. Die Stadt erwägt deshalb, die sogenannten Mayr-Terrassen im Bereich zwischen Erich-Ollenhauer-Straße, Freisinger Straße und Bahnlinie Isaria abzukaufen und dann selbst Firmen auszusuchen, die sich dort ansiedeln könnten.

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