Dachau:Sturm der Entrüstung

Die Bürgerversammlung in Pellheim spricht sich fast einstimmig gegen ein Windrad der Stadtwerke in ihrem Ortsteil aus.

Von Petra Schafflik, Dachau

Das nördlich von Pellheim geplante Windrad treibt die Bewohner des dörflichen Ortsteils von Dachau um. Die lange schon für Montagabend geplante erste Bürgerversammlung der Stadt in diesem Jahr kam den Bürgern gerade recht, um ihren Protest öffentlich kund zu tun. Der Saal im Gasthof Liegsalz ist bis auf den letzten Stuhl besetzt, 70 Windrad-Gegner wollen ihrem Ärger Luft machen. Die 10-H-Regelung, nach der ein Windrad zehnmal soweit von Wohnhäusern entfernt stehen muss, wie es hoch ist, gilt in Bayern mit einer Ausnahme: einem kommunalen Bebauungsplanverfahren. Dieses möchte die Stadt Dachau gern nutzen. Auch das Windrad der Ziegelei Hörl und Hartmann unterliegt allerdings als betriebliche Nebenanlage nicht der 10-H-Regelung.

"Wenn man uns den 10-H-Schutz wegnimmt, wollen wir vorher gefragt werden", erklärt Lorenz Kranz. Einen umfassenden Bürgerantrag gegen das Vorhaben legt Gerhard Kreitmair mit seiner Familie vor. Der Landwirt lebt im Einödhof Viehhausen 800 Meter vom geplanten Windkraft-Standort. Seine Forderung: Die Stadt soll auf Pellheimer Flur kein Windrad planen oder bauen. Hinter diesen Antrag stellte sich die Versammlung fast einstimmig, eine einzige Hand ging Pro-Windrad in die Höhe. Innerhalb von drei Monaten wird sich der Stadtrat nun mit dem Bürgerantrag befassen, erklärt Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD). Den Vorwurf, die Pellheimer würden nicht gefragt, weist er von sich. Eine separate Informationsveranstaltung sei geplant. "Und Sie werden doch im Genehmigungsverfahren umfassend beteiligt."

Die Stimmung ist aufgeheizt im Wirtssaal. So sehr, dass die Bürger am Ende am liebsten noch die Gebietsreform rückgängig machen wollen. Durch diese wurde 1972 das Dorf Pellheim in die Stadt Dachau eingemeindet. Nach dem Willen der Anwesenden sollen nur Pellheimer über den Bürgerantrag gegen das Windkraftprojekt abstimmen, fordert Lorenz Kranz. "Wir brauchen nicht Dachauer, die da mitstimmen." Der Hinweis des Oberbürgermeisters, dass rechtlich alle Gemeindebürger mitmachen dürfen beim Votum und die Bewohner von Pellheim schließlich doch Dachauer Bürger sind, stößt auf Widerspruch. "Jetzt reicht es", schimpft ein Zuhörer. "Das ist unsere Heimat, das geht die Dachauer nichts an." Doch die Sorge, einige "Stadterer" könnten den Bürgerantrag scheitern lassen, erweist sich als unbegründet. Fast alle im Saal stimmen gegen das Windkraftprojekt. Die Mitarbeiter der Stadtverwaltung und die meisten Stadträte im Saal nehmen an der Abstimmung nicht teil. So wie auch Hebertshausens Bürgermeister Richard Reischl (CSU), der mit seinem Stellvertreter Martin Gasteiger (Freier Bürgerblock) die Debatte als Gast verfolgt.

Keine Geheimniskrämerei

Schon vor dem Votum hatte eine intensive Debatte gezeigt, dass die Anwohner aus unterschiedlichen Gründen gegen das Windkraft-Vorhaben sind. Erst einmal stößt schlicht das Verfahren von Stadt und Stadtwerken sauer auf. Vor der Überlegung zum geplanten 230-Meter-Windrad hätten die Pellheimer gefragt werden wollen. Schließlich liegt das 459-Einwohner-Dorf zusammen mit Assenhausen und Viehhausen am nächsten zum Projektstandort. "Erst zwei Tage vor der Sitzung haben wir beiläufig etwas gehört, dabei wurde das Grundstück schon vor eineinhalb Jahren gepachtet", schimpft Maria Kreitmair, ehemalige Kreisbäuerin und CSU-Kreisrätin, die mit ihrer Familie in Viehhausen lebt.

Doch der Stadt gehe es nicht um Geheimniskrämerei. Um die Bürger zu informieren, sei der Beschluss im Werkausschuss "bewusst öffentlich gefasst worden", erklärt Oberbürgermeister Hartmann. Zudem sei nichts entschieden. "Es geht lediglich darum, dass wir in die Planung einsteigen wollen." Im Verfahren würden alle Bedenken gewürdigt. Doch allein die Idee, in Pellheim ein Windrad zu installieren, empfinden viele als Affront. Seit die Windkraftanlage der Ziegelei Hörl und Hartmann südlich des Dorfs aufgestellt ist, "war doch bekannt, dass in Pellheim mit Gegenwind zu rechnen ist", schimpft Bernhard Metz. Die zugesagte Bürgerbeteiligung hält Metz für ein Lippenbekenntnis. "Der Mensch zählt doch nichts", sagt er unter heftigem Applaus.

Das "Monstrum" vor der Haustür

Abgesehen von der Informationspolitik der Stadt stellen einige Redner den Sinn von Windkraft grundsätzlich in Frage. Andere wollen das "Monstrum" nicht vor ihrer Haustür, fühlen sich als Einwohner einer kleinen Ortschaft als Bauernopfer städtischer Ziele. "Es gibt doch zig andere Stellen im Stadtgebiet, aber da laufen nicht 300 Leute Sturm, sondern 3000", sagt Bernhard Metz. Sorge um konkrete Auswirkungen auf ihr Leben und ihre Gesundheit macht sich Maria Kreitmair. Im abgelegenen Viehhausen sei es nachts "mucksmäuschenstill", ein Windrad werde deutlich zu hören sein.

Vergeblich werben Florian Hartmann und der technische Stadtwerke-Geschäftsführer Gerald Nübel um Verständnis. Er sei für das Windrad, weil laut dem umweltpolitischen Leitbild der Stadt bis zum Jahr 2050 der Strom für Dachau aus erneuerbaren Energien kommen soll, erklärt Hartmann. Da könnten die Stadtwerke nicht nur anderswo in Windparks und Wasserkraft investieren. "Wir müssen Strom auch vor Ort erzeugen." Der jetzt diskutierte Standort sei schon Teil des interkommunalen Windkraft-Plans, also nicht neu. Zudem gehe es jetzt erst einmal in die Prüfung und das Genehmigungsverfahren. "Wir stehen doch am Anfang der Überlegungen." Hartmann signalisierte Verständnis für die Sorgen der Bürger, vor allem der direkten Nachbarn. "800 Meter sind verdammt nah." Genau deshalb würden alle Interessen berücksichtigt und das Genehmigungsverfahren "sauber abgearbeitet."

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