Votum gegen Livestream:Zum Amt gehört die Öffentlichkeit

Votum gegen Livestream: Eine Sitzung des Dachauer Stadtrates im Ludwig-Thoma-Haus.

Eine Sitzung des Dachauer Stadtrates im Ludwig-Thoma-Haus.

(Foto: Toni Heigl)

Einige Stadträte lehnen es ab, in öffentlichen Sitzungen gefilmt zu werden. Sie müssen dringend ihr Amtsverständnis überdenken.

Kommentar von Thomas Radlmaier

Es ist richtig, dass eine Mehrheit im Stadtrat einen Livestream der Sitzungen unter diesen Umständen ablehnt. Wenn jeder dritte Stadtrat und einige Verwaltungsmitarbeiter es ablehnen, in öffentlichen Sitzungen gefilmt zu werden, ist ein Livestream sinnlos. Es wäre unmöglich, den Inhalt einer solchen Peep-Show zu verstehen. Und es wäre verantwortungslos, dafür auch noch jedes Mal 2000 Euro auszugeben. Zumal die Stadt wegen Corona in anderen Bereichen (Sport, Kultur) sparen muss. Dennoch ist es schade, dass sich der Stadtrat so entscheiden musste. Vor allem in Zeiten der Pandemie, da viele Menschen ihre Kontakte reduzieren, wäre die Stadt mit der Einführung eines Livestreams mit gutem Beispiel vorangegangen. Leider steht sich der Stadtrat selbst im Weg, wie sich Peter Gampenrieder (ÜB) ausdrückte.

Einige Stadträte müssen dringend ihr Amtsverständnis überdenken. Wer sich in so ein Gremium wählen lässt, muss in Kauf nehmen, in der Öffentlichkeit zu stehen. Dazu gehört zum Beispiel, dass die Presse einen zitiert (oder in einem Kommentar kritisiert). Und dazu gehört selbstverständlich auch, dass Stadträte in Sitzungen gefilmt werden, während sie reden oder abstimmen. Es gibt kaum einen Raum, der öffentlicher ist als eine Stadtratssitzung. Datenschutz ist ein hohes Gut, doch er darf nicht auf Kosten der Demokratie vorgeschoben werden. Genau das passiert hier aber.

Der Hass verschwindet nicht, nur weil Hetzer auf ihren Bildschirmen schwarze Löcher sehen

Es stimmt zwar, dass es einen Unterschied macht, ob jemand ehrenamtlicher Stadtrat oder Berufspolitiker ist. Es stimmt auch, dass der Hass im Netz auch immer öfter Kommunalpolitiker trifft. Doch das ist kein Argument dafür, sich hinter dem Datenschutz zu verstecken. Vielmehr ist es ein Trugschluss: Der Hass verschwindet nicht, nur weil Hetzer auf ihren Bildschirmen schwarze Löcher sehen. Es würde dadurch eher noch stärker. Umso bedeutender ist es, dass auch ehrenamtliche Politiker im Internet Stellung beziehen und zu dem stehen, was sie sagen. Leider haben einige Kommunalpolitiker immer noch nicht verstanden, dass das Internet auch Öffentlichkeit ist.

Hoffentlich setzt sich bei den Zweiflern im Stadtrat noch die Einsicht durch, dass ein Livestream sinnvoll und zeitgemäß ist. Meistens schauen sich nur ein paar Menschen die Stadtratssitzungen an. Gäbe es einen Livestream, würden sich sicher mehr Menschen auch für die Politik vor Ort interessieren.

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Beschluss
:Stadtrat lehnt Livestreams ab

Wer Debatten in der Dachauer Politik verfolgen will, muss sich dazu weiterhin in den Sitzungssaal begeben. Ein Drittel der Stadträte aber auch viele Amtsleiter sind nicht bereit, sich für Online-Übertragungen filmen zu lassen.

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