Dachau:Spieler in einer Welt der Phantasie

Ein Ufo im Landeanflug über einem nebelverhangenen Wald - mehr als tausend Besucher staunen auf der Modelleisenbahn-Ausstellung in Dachau über die detailverliebten Werke der Sammler.

Benjamin Emonts

Dachau: Mit Pinzette und viel Feingefühl bastelt Hobby-Modellbauer Peter Paintner an seinen Landschaften. Daneben braust ein Güterzug vorbei an Wiesen und Bäumen zum nächstgelegenen Bahnhof.

Mit Pinzette und viel Feingefühl bastelt Hobby-Modellbauer Peter Paintner an seinen Landschaften. Daneben braust ein Güterzug vorbei an Wiesen und Bäumen zum nächstgelegenen Bahnhof.

(Foto: © joergensen.com)

- Gegen Mittag herrscht reges Treiben in der Dachauer Georg-Scherer-Halle. Überall ein Wuseln und Murmeln. Eisenbahnen surren, Dampfloks geben Warnsignale ab und stoßen weiße Dampfwolken in die Luft, Händler verhandeln mit Kunden oder geben fachkundig Auskunft über ihre ausgestellten Liebhaber-Stücke. 250 modellbauinteressierte Besucher haben sich auf der Modelleisenbahn-Ausstellung in Dachau eingefunden. Mittendrin im Getümmel steckt Fritz Gruber, der die Veranstaltung seit 16 Jahren in Dachau organisiert. 25 Ausstellungs- und Verkaufsstände konnte er in diesem Jahr für sein Event gewinnen. Schon am Sonntagmittag zieht er ein positives Fazit: "Am ersten Tag hatten wir mehr als 450 Besucher, am zweiten sogar noch deutlich mehr."

Und in der Tat: Die Halle ist sehr gut besucht. Wer aber annimmt, dass sich überwiegend Kinder für das fahrende Spielzeug interessieren, der liegt falsch. Vielmehr sind größtenteils Herren älteren Semesters in der Halle. "Erwachsene Kinder", wie Modellbauer Thomas Fehler sie bezeichnet. "Echte" Kinder und Frauen kann man nur vereinzelt entdecken. Kein Wunder: Technik ist offenbar immer noch Männersache. Und davon bekommen die Besucher eine Menge geboten.

Da wäre zum Beispiel eine Holzbox, in der ein futuristisches, durch LED-Lichter beleuchtetes Film-Set aufgebaut ist. Darin befindet sich ein Ufo gerade im Landeanflug auf einen nebelverhangenen Wald vor einer Burg. "Ufos über Schreckenstein", gibt Modellbauer Helmut Feldhaus seinem Kunstwerk einen Namen und kann sich dabei ein schelmisches, kindlich wirkendes Grinsen nicht verkneifen. Ebenso stolz zeigt er auf seine präzisen, auf jedes Detail achtende Nachbauten der Titanic und der Bohrinsel "North Cormorant". Letztere habe es schon bis ins Fernsehen geschafft, sagt Feldhaus stolz.

Nicht weniger spektakulär, doch ganz und gar nicht futuristisch sind die Ausstellungsstücke von Thomas Fehler. Dass seine Modelleisenbahnen überhaupt noch surren, ist schon erstaunlich. Denn bei seinen Lieblingen handelt sich um historische Erbstücke des Großvaters: Wie etwa die weinrote Dampflok aus dem Jahr1898, die zwar keine Weichen mehr mag, aber immer noch unermüdlich ihre Kreise zieht. Oder die Lok "fliegender Holländer", die Mitte der 1930er Jahre hergestellt wurde und den Geist immer noch nicht aufgeben will. 50 000 Euro würde er für seine Lokomotiven bekommen, schätzt Fehler, doch ans Verkaufen habe er noch nie gedacht. Im Gegenteil: Er investiert nicht nur Geld, sondern auch viel Zeit in die Wartung der auf Schienen fahrenden Oldtimer. Etwa um Getriebe zu fetten oder Kontakte zu säubern. "Man wird niemals erwachsen und eher noch verrückter", sagt Fehler über sein Hobby. Dann zeigt er auf die zwei benachbarten Stände: "Aber die da drüben, das sind die wahren Freaks."

Also ab nach drüben. Dort steht Thomas Mössinger aus München. Er stellt seine beeindruckende Trix-Express-Anlage zur Schau: eine romantisch verklärte, nostalgisch anmutende Nachempfindung der Schwäbischen Alb mit der Ortschaft Burgdorf im Zentrum, drumherum saftig grüne Hügel und Wälder. Mössinger stellt Szenen aus dem Alltag dar: Auf der Straße ein Unfall, auf den Hängen schuftende Landwirte, das gut besuchte Restaurant auf dem Marktplatz oder die auf dem Hof des Kindergartens spielenden Kinder. Wo auch immer man hinsieht, die Modellbauer- und eisenbahner haben alle eins gemeinsam: den kindlichen Spieltrieb gepaart mit lebendiger Phantasie und Hang zum Detail.

So auch das Ehepaar Paintner aus Fürstenfeldbruck. Sie sitzen stolz vor ihrer im Maßstab 1:160 erbauten Miniaturstadt. Ob der gotische Kirchturm, das brennende Fachwerkhaus oder der Supermarkt, durch dessen Schaufenster man Regale erblicken kann - die Fantasiestadt der Paintners ist an Detailverliebtheit kaum zu überbieten. Vor nun 30 Jahren hat das Modellbau-Fieber die Paintners gepackt. 14 Quadratmeter ist die Modell-Landschaft mittlerweile groß. Mehr als 1600 Arbeitsstunden stecken drin. Die Arbeit teilt sich das Ehepaar auf: Während seine Frau die Ideen liefert, ist Peter Paintner für die Umsetzung zuständig. Dafür ist viel Geduld und Feingefühl erforderlich. Sein wichtigstes Arbeitsinstrument: eine Pinzette. Noch wichtiger: sein Spieltrieb.

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