Süddeutsche Zeitung

Dachau:Smartphone-App für Flüchtlinge

Das Handyprogramm "Integreat" hilft neuen Bürgern durch den Alltag in Dachau

Von Viktoria Großmann, Dachau

Manchmal stürzt die App ab. Integration ist eben eine große Aufgabe. So ein kleines Computersystem kann damit schon mal überfordert sein. Ansätze, damit nicht das Gesellschaftssystem auch überfordert reagiert, gibt es einige. Dachau verfolgt nun einen weiteren mit der Smartphone-App "Integreat". Die Stadt setzt damit auf ein bundesweit bereits in 19 Städten und Landkreisen bewährtes System: Augsburg, Bochum oder der Main-Taunus-Kreis nutzen die App. Weil viele Inhalte immer wieder gleich sind, etwa Erklärungen zur Bildung oder zum Arbeitsmarkt, sind die Kosten für die Kommunen gering. Die Nutzer zahlen keine Gebühr. Die Informationen ergänzt jeder Ort um seine speziellen Adressen und Anlaufstellen. In der Dachauer Version sind etwa die großen Sportvereine und die Öffnungszeiten der Büchereien vermerkt. Es gibt außerdem kurze Texte zur Stadt und zum Freistaat Bayern - inklusive kleiner Dialektkunde. Da fehlt allenfalls ein Audiofile, um die Aussprache von "Pfiadi" und "Pfia Gott" zu üben.

Dachau bietet die Inhalte auf Deutsch, Englisch, Französisch sowie auf Arabisch, Farsi und Tigrinya an. Diese Sprache wird in Äthiopien und Eritrea gesprochen. Farsi ist in Afghanistan und Pakistan verbreitet. Am Erstellen der Dachauer Version haben der Arbeitskreis Asyl, einige Flüchtlinge und der Runde Tisch Jugend und Integration mitgearbeitet. Es gab also viel abzustimmen, "deshalb hat es dann letztlich auch ein halbes Jahr gedauert", sagt Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD). Er hat persönlich den Anstoß zu diesem Projekt gegeben. Kein Stadtratsantrag, kein Beschluss aus einem Ausschuss stehen dahinter. "Ich hab gesagt, ich möchte das haben", sagt Hartmann und lacht. Wichtig waren ihm und dem AK Asyl, dass Geflüchtete an den Inhalten mitarbeiten. "Sie sollten anderen Tipps geben können: Was hat ihnen selbst geholfen, welche Informationen hätten sie gebraucht", erklärt der OB. Doch die App sei nicht allein für Flüchtlinge geeignet. "Die ist universell einsetzbar." Sie könne jedem helfen, der in Dachau und auch in Deutschland neu ist. Einmal heruntergeladen können die Inhalte auch offline gelesen werden.

Die Entwickler sind eine Forschungsgruppe des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik der TU München, sowie Studenten aus Finanz- und Informationsmanagement und Software-Engineering. Die App vermarkten sie über das Unternehmen "Tür an Tür - Digital Factory gGmbH" mit Sitz in Augsburg. Offenbar äußerst erfolgreich: Für ihre Idee haben die Studenten bereits verschiedene Auszeichnungen bekommen, drei Bundesministerien unterstützen das Projekt. Diese Woche kündigten die Entwickler an, demnächst auch ein Job- und Lehrstellenportal in die App einzubauen.

An einer eigenen App arbeitet unterdessen das Landratsamt, das sein Vorhaben unter dem Titel "Integration mit Augenmaß" im Januar vorstellte. Helfer kritisierten damals, in die Entwicklung der App nicht eingebunden worden zu sein. Auf seiner Homepage verlinkt das Landratsamt derzeit noch auf die allgemeine App "Ankommen", ein Projekt von Goethe-Institut, Bundesministerium für Migration, Arbeitsagentur und ARD alpha. Sowohl die Stadt als auch das Landratsamt sehen die Apps allerdings nur als Zusatzangebot: Persönliche Gespräche und Beratung können sie nicht ersetzen.

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Quelle:
SZ vom 13.04.2017
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