Dachau hat eine schreckliche Bedeutung für Sinti und Roma. Mehr als 2300 Menschen dieser Minderheit sind vom NS-Regime ins Konzentrationslager Dachau verschleppt worden. Die Evangelische Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau lädt erstmals zum Welt-Roma-Tag, der seit 1990 jährlich begangen wird, zu einem thematischen Gottesdienst und einem Podiumsgespräch am Sonntag, 10. April, um 11 Uhr ein.
In Dachau mussten gefangene Geistliche dem "Rassenforscher" Robert Ritter für seine antiziganistischen "Gutachten" zuarbeiten, auf deren Grundlage oft die Deportation in Vernichtungslager erfolgte. Ritter arbeitete nach dem Krieg bis zu seinem Tod im Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt am Main.
Mercedes Kierpacz starb beim Anschlag in Hanau
Im Mittelpunkt des ökumenischen Gottesdienstes, den Pastoralreferentin Judith Einsiedel und der Pfarrer der Versöhnungskirche, Kirchenrat Björn Mensing, gestalten, stehen Kurzbiographien von Sinti und Roma, die in der NS-Zeit und danach verfolgt wurden. Unter ihnen die zwei Dachau-Häftlinge Rudolf Endress (1912-1981)und Jakob Bamberger. Der Neffe von Rudolf Endress, der Künstler Alfred Ullrich, ist als Ehrengast anwesend. Jakob Bamberger (1913-1989) beteiligte sich 1980 am Hungerstreik der Sinti und Roma in der KZ-Gedenkstätte Dachau. Es wird auch an Mercedes Kierpacz erinnert, deutsche Romni mit polnischen Wurzeln und Mutter von zwei Kindern, die im Februar 2020 bei dem rechtsextremen Terroranschlag in Hanau im Alter von 35 Jahren ermordet wurde.
Auf dem Podium berichtet Uta Horstmann, wie sie als junge Münchner Sozialarbeiterin dazu kam, sich damals dem Hungerstreik anzuschließen. Der Sinto Erich Schneeberger, Stellvertreter von Romani Rose (Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma) und Vorsitzender des bayerischen Landesverbandes, spricht über die Bürgerrechtsarbeit in Bayern. Radoslav Ganev vom Münchner Verein RomAnity, selbst Rom aus Bulgarien, steht für die junge Generation der Aktivisten. Der Künstler Alfred Ullrich ist ein wacher Beobachter und hinterfragt subtil-humorvoll althergebrachte diskriminierende Sicht- und Verhaltensweisen der Mehrheitsgesellschaft. Bei der Podiumsdiskussion in der Versöhnungskirche geht es auch um die aktuelle Situation der ukrainischen Roma. Viele von ihnen erleben auf der Flucht vor Putins Angriffskrieg antiziganistische Diskriminierung, auch in Deutschland.