Süddeutsche Zeitung

Angebot an Stadt Dachau:Katharina Sieverding will Dachau ihre Werke verkaufen

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Die bekannte Künstlerin bietet der Stadt und dem Landkreis zwei ihrer Arbeiten zum Vorzugspreis an. Die Frage ist: Kann sich die öffentliche Hand das leisten?

Von Gregor Schiegl, Dachau

Für die Ausstellung "Am falschen Ort II", die am Sonntag in Dachau zu Ende gegangen ist, hat die international renommierte Fotokünstlerin Katharina Sieverding zwei Werke angefertigt, die das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte aufgreifen und es mit der Gegenwart verknüpfen. Auf den zwei großformatigen Fotoarbeiten bildet sie die Reichstagskuppel ab, durch die man wie durch eine Linse auf zwei Konzentrationslager blickt: das KZ Dachau und das KZ Sachsenhausen.

"Ich würde nie hier in Dachau eine Kunstausstellung machen, die sich nicht mit dem Kontext des Ortes beschäftigt", hat Sieverding kürzlich in einem Interview gesagt. Nun hat die Künstlerin Stadt und Landkreis Dachau angeboten, die Arbeiten zu einem Vorzugspreis zu kaufen, damit sie in Dachau dauerhaft gezeigt werden können.

Die Stadt habe grundsätzlich Interesse, sagt der Oberbürgermeister

Doch sowohl im Landratsamt als auch im Rathaus tut man sich schwer mit der Offerte: Die Stadt habe grundsätzlich Interesse an den Kunstwerken, sagt Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD), "schon allein wegen des Dachau-Bezugs" und natürlich auch weil Sieverding eine international anerkannte Künstlerin sei. "Aber ich weiß nicht, wie wir das mit unserem städtischen Budget stemmen sollen." Der Marktwert der beiden Bilder wird mit rund 180 000 Euro angegeben, auch das deutlich vergünstigte Angebot für Dachau bewegt sich noch im sechsstelligen Bereich. Es beträgt damit ein Vielfaches dessen, was Stadt und Kreis als Jahresetats für sämtliche Kunstankäufe eingeplant haben; dies sind etwa 30 000 Euro, die sich auf eine Vielzahl lokaler Künstler verteilen, ähnlich sieht die Größenordnung beim Landkreis aus. "Das ist einfach nicht unsere Liga", sagt Hartmann.

Für Landrat Stefan Löwl (CSU) ist völlig klar, dass der Ankauf der Sieverding-Werke die finanziellen Möglichkeiten einer städtischen Kommune überfordern würde. "Auch der Landkreis bringt diese Summe nicht auf." Dennoch wirbt er dafür, zu prüfen, ob es nicht doch möglich sei, Sieverdings Arbeiten im Rahmen eines größeren Verbunds zu erwerben - mit dem Landkreis in der Rolle eines "Juniorpartners". Beteiligen könnte man in dieser Allianz der Financiers auch den Zweckverband Dachauer Galerien und Museen - dessen Vorsitz derzeit Dachaus OB Hartmann führt - sowie den Bezirk. Denn der ist beteiligt am gemeinsamen Projekt eines Museumsforums in der alten Dachauer Papierfabrik. Das Museumsforum wäre nach Löwls Ansicht auch der ideale Ort, Sieverdings Bilder zu zeigen. "Es hat ja keinen Sinn, viel Geld auszugeben, wenn die Bilder dann irgendwo in einem Depot verschwinden."

Auf den zwei großformatigen Fotoarbeiten bildet Katharina Sieverding die Reichstagskuppel ab, durch die man wie durch eine Linse auf zwei Konzentrationslager blickt: das KZ Dachau ...

... und das KZ Sachsenhausen. Damit verknüpft die 74-jährige Künstlerin das dunkeleste Kapitel der deutschen Geschichte mit der Gegenwart. Die Bilder haben einen Marktwert von rund 180 000 Euro. Stadt und Landkreis Dachau könnten sie aber für weniger kaufen.

Weil jede der beiden Fotoarbeiten schon 2,50 auf 3,50 Meter misst, hat Sieverding angeboten, sie im Format 1,25 auf 1,90 Meter noch einmal neu zu produzieren. Die Künstlerin will es den Dachauern damit erleichtern, einen geeigneten Ort zu finden, die Bilder zu zeigen. Bei der Ausstellung waren sie auf einer riesigen Stellwand im Festsaal des Schlosses präsentiert worden. Etwa 4000 Kunstfreunde haben die Ausstellung besucht, darunter etwa 350 Schüler und Lehrer und viele Besucher von auswärts. "Diese Ausstellung hat Dachaus Renommee als Ausstellungsort für internationale Kunst noch einmal gestärkt", bilanziert Kuratorin Bärbel Schäfer. Die Eintragungen im Gästebuch dokumentieren die große Begeisterung. Ein Eintrag lautet: "Es müsste unbedingt eine Möglichkeit geben, diese Arbeiten für Dachau zu bewahren." Das würde auch Schäfer begrüßen: "Diese Bilder haben für Dachau eine wahnsinnige Aussagekraft, die auch auswärts wahrgenommen werden", sagt die Kuratorin der Ausstellung.

"Wenn Stadt und Landkreis das nicht schaffen sollten, fände ich das schon sehr bemerkenswert"

Für die Volksbank-Raiffeisenbank Dachau, die die Sieverding-Schau nach Dachau geholt hatte, kommt es nicht infrage, sich auch noch an dem kostspieligen Ankauf zu beteiligen. "Wir haben die ganze Organisationsarbeit für die Ausstellung übernommen, wir tragen die Hauptkosten", sagt Karl-Heinz Hempel, Vorstandsvorsitzender der Volksbank. "Außerdem haben wir bereits selbst einige kleinformatige Werke der Künstlerin erworben. Wir haben unser Soll hinreichend erfüllt." Hempel erwartet, dass Stadt und Landkreis das Thema nun in ihren Gremien beraten und die Chance auf den Ankauf des Werks wahrnehmen. "Wenn Stadt und Landkreis das nicht schaffen sollten, fände ich das schon sehr bemerkenswert", sagt Hempel.

Die Bilder funktionierten zwar auch "als eigenständige Arbeit", erklärt Matthias Kunz von der Münchner Galerie Sabine Knust, der eng mit Sieverding zusammenarbeitet, doch die Beuys-Meisterschülerin hoffe, mit ihrem Kunstwerk in Dachau zu einer "Aktivierung des Orts" beizutragen. Gerade angesichts der derzeitigen Entwicklung in Deutschland seien die extra für Dachau angefertigten Bilder "ein starkes Statement".

Ein ähnlich eindringliches Werk wie die Dachauer Arbeiten hat die 74-jährige Künstlerin bereits 1992 für den Deutschen Bundestag an der Gedenkstätte für die verfolgten Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik gestaltet: Das fünfteilige Fotogemälde erweckt mit dem Hintergrundmotiv einer lodernden Sonnenkorona Assoziationen an den Reichstagsbrand und den von den Nationalsozialisten ausgelösten Weltenbrand, aber an die Wiedergeburt eines demokratischen Deutschlands als "Phönix aus der Asche". Galerist Matthias Kunz hält einen Vergleich der Dachauer Werke mit dieser bedeutenden Arbeit in Berlin für durchaus zulässig.

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Quelle:
SZ vom 19.09.2019
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