Dachau:Sicherheitstraining statt Spazierfahrt

Fahranfänger bauen statistisch gesehen die meisten Unfälle, auch im Landkreis Dachau. Das soll sich jetzt ändern.

Corinna Hillebrand-Brem

In Juni 2010 verliert ein 18-Jähriger in Dachau die Kontrolle über den BMW seines Vaters und prallt in den Gegenverkehr. Zwei Menschen überleben schwer verletzt. Im März 2011 überschlägt sich ein Fahranfänger bei Odelzhausen auf regennasser Fahrbahn. Er kann sich leicht verletzt aus dem Wrack retten. Solche Unfälle sind keine Seltenheit. Nach Angaben des Polizeipräsidiums Oberbayern-Nord, das für den Landkreis Dachau zuständig ist, ist die Beteiligung junger Verkehrsteilnehmer zwischen 18 und 24 Jahren an schweren Verkehrsunfällen überproportional hoch. Das Präsidium verzeichnete in seinem Bereich im vergangenen Jahr 4915 Unfälle mit Fahranfängern, von denen die Führerschein-Neulinge 2926 verursachten.

Kinderdienst: Fuehrerschein mit 17 kommt

Im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Oberbayern-Nord ereigneten sich im vergangenen Jahr 4915 Unfälle, an denen Fahranfänger zwischen 18 und 24 Jahren beteiligt waren.

(Foto: dapd)

Die Bundesregierung will ihnen nun genauer über die Schulter schauen. Das Vorbild ist ein österreichisches Programm, bei dem es gelang, die Unfallrate um bis zu 30 Prozent zu senken. Drei Monate nach der Führerscheinprüfung sollen nun auch deutsche Fahranfänger nochmals eine Fahrt mit dem Fahrlehrer, sogenannte Feedbackfahrten, absolvieren. Für Fahrschulen, ADAC und Verkehrswacht im Landkreis Dachau geht dieser Vorstoß nicht weit genug: Sie fordern vielmehr ein obligatorisches Fahrsicherheitstraining.

"Wir hätten uns mehr erwartet", sagt Andrea Schmidt, die in einer Dachauer Fahrschule arbeitet. Eine "Spazierfahrt" ersetze kein verpflichtendes Fahrsicherheitstraining. Darin sind sich auch der ADAC und die Verkehrswacht Dachau einig. Für Dachauer ist die nächste Möglichkeit eines Fahrsicherheitstrainings der ADAC Verkehrsübungsplatz bei Augsburg. Alternativ dazu bietet die Verkehrswacht Dachau die kostenlose Schulung "Könner durch Erfahrung" für Führerschein-Neulinge an.

Die erneute Rückkopplung durch einen Profi könne dazu beitragen, dass Fahranfänger sich nicht mehr so leicht überschätzen, sagt Michael Eder, Fahrschulinhaber aus Dachau. Aufgrund der dramatischen Unfallbilanz der Fahranfänger sei die Neuerung also "generell eine gute Idee", erklärt Karl Englmann, Vorsitzender der Kreisverkehrswacht Dachau. Und auch Günter Raabe von der Dachauer Polizei hofft, dass die Maßnahme den jährlich etwa 1000 Fahranfängern in Dachau mehr Sicherheit bringe.

Im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Oberbayern-Nord stellen junge Fahrer etwa acht Prozent der Bevölkerung, sind aber an 11,7 Prozent der Verkehrsunfälle beteiligt. "Auch die Beteiligung von 26,4 Prozent an den Geschwindigkeitsunfällen und 34,1 Prozent an den Alkoholunfällen ist ein Beweis für die verhängnisvolle Risikobereitschaft der jungen Fahrer", schreibt das Präsidium in seiner Jahresbilanz für 2010.

Aufgrund dieser Zahlen hält der ADAC den Vorschlag der Bundesregierung für grundsätzlich sinnvoll. Alexander Kreipl lobt die Verlängerung der Lernzeit in einem "mehrphasigen System". Kritisch aber sieht er die Kostenfrage. Die zusätzliche finanzielle Belastung für junge Fahrer müsse in Grenzen gehalten werden, fordert der Automobilclub. Das aber sei schwierig, denn Fahrschulen könnten die Fahrten nicht umsonst anbieten. Der Landesverband Bayerischer Fahrlehrer beurteilt Feedbackfahrten lediglich als "flankierende Maßnahme", die eine gänzliche Umgestaltung des Fahrerlaubnisrechts keineswegs obsolet mache. Im österreichischen Modell gebe es zusätzlich ein Sicherheitstraining und eine psychologische Beratung, die einen großen Beitrag zur Verbesserung der Unfallbilanz geleistet hätten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: