Dachau:Stadt setzt nun doch auf Luftreiniger

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Schulen und Kindertageseinrichtungen sollen die mobilen Geräte erhalten. Die Stadträte stimmen anders als vor sieben Wochen mehrheitlich für den Einsatz der Filter - für die CSU kommt die Kehrtwende viel zu spät.

Von Julia Putzger, Dachau

Nun also doch: Trotz der weiterhin unklaren Faktenlage haben die Dachauer Stadträte im Familien- und Sozialausschuss am Dienstag mit nur einer Gegenstimme die Beschaffung von mehr als 200 mobilen Luftreinigern für Klassenzimmer und Kitas beschlossen. In der letzten Sitzung vor den Sommerferien hatten sie sich noch um diese Entscheidung gedrückt, um ein vom Landkreis in Auftrag gegebenes Gutachten über die tatsächliche Wirkung der Geräte abzuwarten. Da mit diesem aber wohl erst im nächsten Jahr zu rechnen ist, drängte nun die Zeit.

Peter Gampenrieder (ÜB) sollte Recht behalten: In einem Leserbrief schrieb er über die Entscheidung der Stadträte Ende Juli: "Dass es zur Anschaffung der Geräte kommen wird, wissen vermutlich alle Ausschuss-Mitglieder." Trotzdem fand sich in der Sitzung vor sieben Wochen keine Mehrheit für die kostspielige Anschaffung, für welche die Fraktionen von ÜB/FDP und CSU jeweils in Eilanträgen plädiert hatten. Gegen die Investition sprach aus Sicht von SPD, Grünen, Bündnis und AfD vor allem die hohe Lautstärke der Geräte und dass nicht vollends klar sei, welcher Nutzen zu erwarten sei.

"Für die vierte Welle sind wir jetzt zu spät dran"

An dieser Ausgangslage hat sich seitdem kaum etwas verändert - hinzu kam vor zwei Wochen lediglich die wenig konkrete Aussage von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), dass Luftreiniger möglicherweise Einfluss auf Quarantäneregeln haben könnten. "Dem Gesundheitsamt und dem Landratsamt liegt dazu weiterhin keine Richtlinie vor", berichtete Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) in der Sitzung. Doch nicht nur diese Vorgaben lassen auf sich warten: Auch das Gutachten zum Mehrwert von Luftreinigern im Klassenzimmer, dessen Beauftragung der Kreisausschuss im Juli beschlossen hatte, lässt auf sich warten. Auf Nachfrage im Landratsamt konnte die Stadtverwaltung in Erfahrung bringen, dass mit einer Bearbeitungszeit von sechs bis neun Monaten zu rechnen sei. Die Ergebnisse - wie ursprünglich beschlossen - abzuwarten, kam somit für die Dachauer Stadträte nicht mehr in Frage.

MeinungLuftfilter
:Ein großes Gedruckse

Wenn es um die Luftreiniger geht, schieben Bund und Land die Verantwortung auf die Kommunen ab.

Kommentar von Julia Putzger

Sichtlich frustriert äußerte sich Florian Schiller (CSU) zu dieser Entwicklung: "Es war von vornherein eine Illusion, dass die Ergebnisse in vier Wochen vorliegen könnten." Schon im Juli hatte er vergeblich versucht, seine Stadtratskollegen davon zu überzeugen, dass jeder Tag bei der Beschaffung zähle. "Es ist klar: Für die vierte Welle sind wir jetzt zu spät dran. Die Geräte werden allenfalls im Frühjahr in den Klassenzimmern stehen", so Schiller am Dienstag. Dahingegen verteidigte Anke Drexler (SPD) die Entscheidung ihrer Fraktion: Unter den "neuen Rahmenbedingungen", zu denen auch zähle, dass die Schulleiter die Anschaffung nun grundsätzlich befürworten, könne die SPD nun für die Anschaffung stimmen. Ähnlich argumentierte Luise Krispenz (Grüne), sie betonte jedoch: "Wir greifen nach einem Strohhalm, denn der Erkenntnisstand zur Wirksamkeit ist immer noch derselbe. Es ist ein Schuss ins Blaue." Trotzdem waren sich alle Stadträte einig, dass man alle Möglichkeiten nutzen müsse, um den Kindern eine Chance auf durchgängigen Präsenzunterricht zu geben. Lediglich Markus Kellerer (AfD) war nach wie vor nicht von der Anschaffung der mobilen Luftreiniger zu überzeugen und rezitierte eine Stellungnahme des Deutschen Städtetags: Demnach seien CO₂-Messgeräte in den Klassenzimmern vollkommen ausreichend, da auch mit Luftreinigern regelmäßig gelüftet werden müsse. Gleichzeitig würden die umstrittenen Geräte je nach Modell aufgrund des hohen Stromverbrauchs eine schlechte Umweltbilanz aufweisen und damit weiteres Steuergeld verschlingen. Kellerer war der einzige, der gegen die Anschaffung stimmte.

Für Diskussion sorgte die Frage, wie die Lautstärke, der Preis und der Liefertermin in die EU-weite Ausschreibung einfließen sollen. Nach längerem Hin und Her entschlossen sich die Stadträte dafür, diese Feinheiten der Stadtverwaltung zu überlassen mit dem klaren Wunsch, die möglichst leisesten Geräte so günstig und so bald wie möglich zu erhalten. Voraussichtlich kann ein Angebotszuschlag jedoch erst Anfang November erteilt werden, Lieferzeiten von zwei Monaten waren schon im Frühjahr, als die Nachfrage nach den Geräten wesentlich geringer war, nicht ungewöhnlich. Die hohe Nachfrage dürfte auch finanzielle Folgen haben: Da der Freistaat nur 50 Prozent der entstehenden Kosten, maximal aber 1750 Euro pro Raum fördert, gehen Preissteigerungen zu Lasten der städtischen Kasse. Nach bisherigem Stand werden für die ersten bis sechsten Klassen der Grund- und Mittelschulen sowie die Gruppen- und Funktionsräume der städtischen Kitas 219 Luftreiniger benötigt. Bei einem angenommenen Gerätepreis von 3500 Euro und einer 50-prozentigen Förderung entstehen der Stadt damit immer noch Kosten von mehr als 383 000 Euro.

© SZ vom 16.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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