Süddeutsche Zeitung

Schulbusverkehr im Landkreis Dachau:Schulbusse und Bahnen sind "knallvoll"

Überfüllte Busse, Fahrplanstreichungen und Kinder, die an Haltestellen stehen gelassen werden: Eltern im Landkreis Dachau sind wegen der Schülerbeförderung verärgert. Schuld daran ist der Busfahrermangel.

Von Anna Schwarz, Dachau

"Eingequetscht wie die Heringe", stehen die Schulkinder in den Bussen der Linie 708, kritisiert Veronika Wagner aus Vierkirchen - und das Problem besteht nicht nur dort, sondern auch in Schwabhausen. Seit rund drei Monaten besucht Wagners Tochter eine 5. Klasse am Gymnasium in Markt Indersdorf und fährt jeden Tag mit der Buslinie 708. Wegen der überfüllten Fahrzeuge seien viele Eltern besorgt, erzählt sie: Die Kinder stehen dicht an dicht bis zur Frontscheibe des Busses. Das habe sie selbst gesehen, als ihr ein Bus entgegenkam: "Wenn da mal ein Unfall passiert, fliegen die Kinder durch die Scheibe", warnt sie. Schuld an der angespannten Situation sei der Busfahrermangel, teilt das Landratsamt Dachau mit.

Grundsätzlich habe der Landkreis für die morgendlichen Fahrten auf der Linie 708 zwar Fahrzeuge mit einer ausreichenden Kapazität bestellt, aber: "Aufgrund des Fahrermangels und Krankheitsfällen kommt es leider immer wieder dazu, dass kleinere Fahrzeuge als bestellt zum Einsatz kommen oder in seltenen Fällen wohl auch Fahrten entfallen."

"Die Situation ist derzeit sehr angespannt", schreibt das Landratsamt

Das hat auch Veronika Wagner schon beobachtet. Sie kritisiert, dass der Landkreis seiner Schülerbeförderungspflicht aktuell nicht immer nachkomme: Ihre Tochter habe davon berichtet, dass Schüler nicht mehr in die übervollen Busse hineinkommen und an den Haltestellen, etwa in Jedenhofen, morgens stehen gelassen werden. Wegen der angespannten Bussituation hat Carolin Rohrbach, ebenfalls Mutter einer Gymnasiastin aus Vierkirchen, einen Beschwerdebrief an den MVV geschrieben und kritisiert: "Aktuell bleiben Schüler an den Haltestellen stehen, da die Busse so überfüllt sind, dass die Schüler an die Scheiben gepresst sind und kein weiterer Schüler mehr zusteigen kann." Für sie ist es unverständlich, warum es dazu gekommen ist: "MVV und Landkreis wissen doch ganz genau, wie viele Schüler im Landkreis befördert werden müssen", schließlich haben sie ein Jahresticket beim MVV beantragt. Wegen Krankheitsfällen in der Presseabteilung konnte sich der MVV dazu am Dienstag nicht äußern.

Das Landratsamt gibt zu, "dass die Situation derzeit sehr angespannt ist", gemeinsam mit dem MVV werde an einer Lösung gearbeitet. Dennoch sei es schwierig, den derzeitigen Busfahrermangel auszugleichen. Grundsätzlich versuche der Landkreis, die Auswirkungen auf den Schulbusverkehr zwar gering zu halten: Indem der Fahrplan auf anderen Linien ausgedünnt wird und diese Fahrer die Schulbusse übernehmen können. Doch das klappe nicht immer: "Bei sehr kurzfristigen Personalausfällen, etwa durch Krankheit, können Auswirkungen auf die Fahrten im Schülerverkehr nicht gänzlich ausgeschlossen werden", so das Landratsamt.

Wegen der überfüllten Busse müssen die Elterntaxis einspringen

Mitte September war der Busfahrermangel auch schon Thema im Umwelt- und Verkehrsausschuss des Kreistags. Die Gründe dafür, warum es derzeit zu wenige Fahrer gibt und der Beruf unattraktiv ist, sind schnell zu benennen: Die Tätigkeit ist anspruchsvoll, doch vergleichsweise schlecht bezahlt, vor allem im Großraum München. Hinzu kommen Führerscheinkosten von gut 13 000 Euro, welche die Busfahrer in vielen Fällen selbst bezahlen müssen. Derselbe Führerschein kostet in Österreich gerade einmal die Hälfte. Um das Gehaltsproblem zu lösen, stellte der MVV im Kreisausschuss zuletzt die Möglichkeit vor, den Busfahrer zwei Euro mehr pro tatsächlicher Arbeitszeitstunde zu bezahlen - final entschieden sei aber noch nichts. Das liege unter anderem daran, dass außertarifliche Löhne bei der Auftragsvergabe zu Problemen führen könnten.

Wenn es zu wenige Busfahrer gibt, dann müssen Eltern ihre Kinder eben selbst bringen: Wegen der überfüllten Schulbusse sind Rohrbach und weitere Mütter und Väter schon des Öfteren als Elterntaxi eingesprungen. In ihren Brief an den MVV fragt sie sich, "wer mir die verlorene Arbeitszeit ersetzt oder wie Kindern geholfen wird, die keine flexibel verfügbaren Eltern haben, die die Schulbeförderungsfeuerwehr spielen".

"Eigentlich müsste der ÖPNV doch ausgebaut werden und nicht abgebaut."

Engpässe gibt es auch auf der Buslinie 704 zwischen Schwabhausen und Dachau, wie Martina Breithaupt aus Schwabhausen erzählt. Ihre drei Töchter gehen in Weichs, Dachau und Karlsfeld zur Schule - doch seit den Herbstferien haben "Kinder und Arbeitnehmer weniger Möglichkeiten, in die Schule oder in die Arbeit zu kommen", bemängelt sie. Zuvor kamen in der Früh zwei Busse nacheinander, um die Schüler nach Dachau zu transportieren, um 7.09 und um 7.19 Uhr - nun wurde der zweite aus dem Fahrplan gestrichen. Die Folge seien auch hier überfüllte Busse gewesen. Mittlerweile habe sich das wieder geändert, sagt Breithaupt, aber nur "weil viele Kinder jetzt morgens von den Eltern in die Schule gefahren werden", obwohl eigentlich der Landkreis für die Schülerbeförderung zuständig sei, kritisiert sie. Außerdem habe die Streichung des morgendlichen Schulbusses dazu geführt, dass die ohnehin "schon knallvolle S-Bahn" um 7.15 Uhr ab Schwabhausen Bahnhof noch voller sei.

Auch nach dem Unterricht seien immer zwei Schulbusse ab dem Dachauer Bahnhof nach Schwabhausen gefahren, um 13.08 Uhr und um 13.18 Uhr, doch der frühere fällt nun ebenfalls aus. Die Busstreichungen umschreibt das Landratsamt und spricht davon, dass auf der Linie 704 "zwei morgendliche Hinfahrten und zwei mittägliche Rückfahrten zusammengelegt wurden". Der Grund dafür: "In erster Linie ist auch hier das Thema Personalmangel für die Fahrplanänderung entscheidend." Aus Sicht des Landratsamtes war die Zusammenlegung problemlos möglich, da es teilweise Alternativen gebe, zum Beispiel morgens die Regionalbuslinie 705.

Viele Eltern aus Schwabhausen sehen das anders, wie Martina Breithaupt. Vor allem in Zeiten des Klimawandels hat sie dafür kein Verständnis: "Eigentlich müsste der ÖPNV doch ausgebaut werden und nicht abgebaut. Das führt doch nur zu noch mehr Verkehr auf den Straßen". Allgemein findet sie, "dass der Landkreis sehr schlecht angebunden ist".

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