Dachau:Schulalltag mit Hindernissen

In der Corona-Krise ist Flexibilität gefordert: Lehrer müssen auch nachmittags Kinder und Jugendliche in Quarantäne mit Aufgaben versorgen. Andersherum wird von den Schülern viel Disziplin gefordert

Von Johanna Hintermeier

Einen Tag nach dem Weltkindertag kam der ersehnte Moment: Kinder und Jugendliche an den weiterführenden Schulen im Landkreis dürfen seit Montag die Masken während des Unterrichts absetzen. Die ersten zwei Wochen im neuen Schuljahr mussten alle Schüler ab der fünften Klasse diese den ganzen Tag über tragen. In München gilt die Maskenpflicht wegen des hohen Infektionsrisikos übrigens noch immer.

Dennoch bleibt der Schulalltag für Kinder, Lehrkräfte und Eltern ein gefährlicher Seiltanz, schnell kann wieder eine Klassengemeinschaft ins sogenannte Homeschooling geschickt werden, wie Anfang dieser Woche, als eine Lehrerin der Mittelschule in Bergkirchen positiv auf das Coronavirus getestet wurde und 16 Schüler einer zehnten Klasse in Quarantäne geschickt wurden. Ähnlich erging es jüngst einer zweiten Klasse der Grundschule Dachau Süd und der Dr. Josef-Schwalber-Realschule in Dachau. Trotz solcher Rückschläge sind sich Schulen und Schulamt einig: Hauptsache Präsenzunterricht im Klassenzimmer.

Beate Rexhäuser, Englischlehrerin an der Grund- und Mittelschule in Erdweg und Vorsitzende des Kreisverbandes des Bayerischen Lehrerinnen und Lehrer Verbandes (BLLV) in Dachau fasst es so zusammen: "Man ist bereit, einen hohen Preis zu zahlen, um die Kinder an den Schulen zu haben, denn das ist unsere Priorität."

"Und dieser Preis ist eine hohe Flexibilität aller Beteiligten", sagt Michaele Frost, Schulleiterin der Grundschule Dachau Süd. Tritt ein Coronafall auf, müssen die Klassen wieder von zu Hause unterrichtet werden. Waren die infizierten Kinder zuvor in der Mittagsbetreuung, müssen auch alle anderen Kontaktpersonen in Quarantäne und zwei Tests machen lassen. Fallen beide negativ aus, entscheidet das Gesundheitsamt Dachau über eine verfrühte Rückkehr in den Präsenzunterricht. Eltern müssen in der Quarantänezeit wieder Betreuungsmöglichkeiten organisieren.

Für die Lehrkräfte gilt: Morgens in der Schule die Klasse unterrichten, nachmittags online wieder Aufgaben an die Kinder in Quarantäne verteilen. "In diesem Szenario wird es sehr schwierig keine Überstunden anzusammeln", sagt Schulrätin Petra Fuchsbichler vom Schulamt Dachau für Grund- und Mittelschulen. Der Bundesverband für Lehrkräfte für Berufsbildung forderte deswegen jetzt Vertrauensarbeitszeit für Lehrer statt fester Stundensätze, um so Überstunden abrechnen zu können. Gegenwärtig könne es aufgrund des Lehrermangels dann zu ständig wechselnden Lehrkräften kommen - eine belastende Situation für die Kinder, beklagt Rexhäuser.

Der Vorstoß des Bayerischen Kultusministeriums, um den Personalmangel abzudämpfen, ziele darauf ab, schwangere Lehrerinnen und Risikopatienten im Unterricht zu ersetzen - mit Hilfe von Zeitverträgen, erklärt Fuchsbichler. In einer großen Kampagne warb das Kultusministerium Lehramtsstudenten aus höheren Semestern und studierte Pädagogen an. Dem Landkreis wurden fünf Stellen zugesprochen, bisher wurde noch keine endgültig vergeben, wie das Schulamt mitteilt. Die Crux: Die Anstellung endet, wenn es sich um Ersatz für eine schwangere Lehrerin handelt, sobald der offizielle Mutterschutz beginnt. Die Verträge können also sehr kurz sein. "Das werden sich die Bewerber gut überlegen", so Fuchsbichler.

Auch der Schulalltag wird durch die Hygienemaßnahmen kräftig umgekrempelt: Einige Schulgänge sind nun Einbahnstraßen, das Mittagessen müssen die Kinder teilweise an Einzeltischen verzehren."Die Kinder sind unheimlich diszipliniert und brav - sie jammern nicht, weil sie lieber in der Schule sind als wieder zu Hause", sagt Rexhäuser. Das Schulamt hat ähnliche Erfahrungen: Bisher gab es laut Fuchsbichler kaum Fälle, in denen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung verweigert wurde. Nur Falschmeldungen im Internet über eine mögliche "Zwangsimpfung für Schulkinder" löste eine Welle von Anfragen im Schulamt aus. Fuchsbichler versicherte, dass dies nicht zur Debatte stünde.

Verschiedene Studien zur Corona-Pandemie und den Auswirkungen für Kinder hatten in den vergangenen Monaten belegt, dass Kinder besonders schwer unter den Beschränkungen litten. Das Risiko für psychische Auffälligkeiten habe sich demnach fast verdoppelt. Betroffen sind vor allem Kinder aus sozioökonomisch ärmeren Familien. Das heißt: "Die Kinder brauchen uns und wir brauchen die Kinder in der Schule", fasst die Kreisvorsitzende des BLLV, Beate Rexhäuser, die Situation zusammen.

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