Dachau/Schönbrunn:Unter Druck

Der Zustrom von Asylbewerbern hält weiter an. Mitarbeiter des Landratsamts, der Caritas und viele ehrenamtliche Helfer betreuen die Flüchtlinge mit großem Einsatz. Doch sie arbeiten an den Grenzen ihrer Belastbarkeit

Von Marco Fieber, Dachau/Schönbrunn

In den beiden weißen Wohncontainern am Rand von Schönbrunn ist es an diesem Morgen noch relativ ruhig. Einige der Bewohner lugen neugierig aus der Eingangstür, andere trotten noch verschlafen über den Flur. Sie grüßen trotzdem erfreut die Besucher. Hier, zwischen Kaiserstraße und Weihergraben, wohnen seit Januar 2014 insgesamt 52 Asylbewerber, jeweils zwei von ihnen teilen sich ein Zimmer. Die meisten Bewohner kommen aus Afrika.

Mindestens einmal die Woche schaut Nuala McGeady vorbei. Seit April arbeitet sie für den Asylbereich der Dachauer Caritas. Jeder Besuch dauert zwischen einer und zwei Stunden. "Es ist eine sehr schöne Arbeit, obwohl viele der Flüchtlinge Dinge gesehen und erlebt haben, die man sich selbst nicht vorstellen kann", erklärt McGeady. Die Kernaufgabe der Caritas ist die Beratung der Flüchtlinge im Asylverfahren. "Ich vermittle Rechtsanwälte, begleite die Flüchtlinge zu Terminen und stelle den Kontakt zu Ärzten, Behörden, Schulen oder Kindertagesstätten her", sagt McGeady. "Vor allem erkläre ich die Schreiben der Behörden. Besonders, wenn Post vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gekommen ist, will jeder etwas von mir wissen." Wegen der kurzen Fristen im Asylverfahren dürfe die Bearbeitung nicht lange dauern. Die Formulare gebe es zwar auch in einer englischen Fassung, sagt McGeady, deren Muttersprache Englisch ist. Doch viele Flüchtlinge würden die Behördensprache nur schwer oder überhaupt nicht verstehen. Dazu kommt, dass die Antworten auf Deutsch formuliert werden müssen.

Dachau/Schönbrunn: Alfred Sesay aus Sierra Leone hat neben den Wohncontainern in Schönbrunn einen Gemüsegarten angelegt.

Alfred Sesay aus Sierra Leone hat neben den Wohncontainern in Schönbrunn einen Gemüsegarten angelegt.

(Foto: DAH)

Jede der momentan neun über den ganzen Landkreis verteilten Gemeinschaftsunterkünfte wird mindestens einmal pro Woche von den Mitarbeitern der Caritas aufgesucht. Zweimal wöchentlich besuchen sie die Unterkunft in Dachau. Sie ist mit 120 Bewohnern die größte im Landkreis. Aktuell leben im Landkreis Dachau 316 Asylbewerber in den Gemeinschaftsunterkünften, dazu kommen noch einmal etwa 20 bis 40, die in private Wohnungen umgezogen sind. Damit kommt auf etwa 400 Einwohner ein Asylbewerber im Landkreis Dachau. Bayernweit liegt die Quote höher. Im Landesdurchschnitt beträgt das Verhältnis etwa 300 zu eins.

Dachau/Schönbrunn: Caritas-Mitarbeiterin Nuala McGeady unterstützt die Flüchtlinge beim Schrift- verkehr mit den Behörden.

Caritas-Mitarbeiterin Nuala McGeady unterstützt die Flüchtlinge beim Schrift- verkehr mit den Behörden.

(Foto: DAH)

Bis zum Frühjahr 2013 existierte nur die große Unterkunft in Dachau. Doch seitdem stiegen die Flüchtlingszahlen an. Innerhalb kurzer Zeit mussten weitere Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen werden. So wurde sogar eine ehemalige Tennishalle in Indersdorf zur Flüchtlingsunterkunft umfunktioniert, in der momentan 21 Asylbewerber unter prekären Bedingungen leben. "Wir haben bis zum Jahresende im Landkreis Dachau mindestens eine Verdreifachung der Asylbewerberzahlen im Vergleich zum Jahresanfang 2012", rechnet Irmgard Wirthmüller vor. Sie ist Fachdienstleiterin des Asylbereichs bei der Caritas in Dachau. Weitere 200 Asylbewerber sollen laut Landratsamt bis zum Jahresende noch folgen. Daher wird bereits in Schwabhausen eine Wohncontaineranlage für 52 Menschen gebaut, die Mitte September eröffnet werden soll. Und der Standort in Gröbenried soll bis Ende September um etwa 40 Plätze erweitert werden. Nicht nur der Zustrom der Asylbewerber, sondern auch ihre Zusammensetzung hat sich geändert: "Früher kamen vor allem allein stehende Männer. Nun beraten und begleiten wir vermehrt Familien, allein stehende Frauen, Schwangere oder Mütter mit kleinen Kindern", berichtet die Caritas-Sozialpädagogin.

Dachau/Schönbrunn: Im Gemeinschaftsraum der Unterkunft hängt eine Karte mit den Herkunftsländern der Asylbewerber.

Im Gemeinschaftsraum der Unterkunft hängt eine Karte mit den Herkunftsländern der Asylbewerber.

(Foto: Niels P.Jørgensen)

Die Arbeit der Caritas nimmt in diesem Bereich also zu. "Es ist unser christlicher Grundauftrag und eine gesellschaftliche Aufgabe, uns für Flüchtlinge stark zu machen", unterstreicht Wirthmüller. Der Bereich Asyl besteht momentan aus drei Mitarbeitern und zwei Vollzeitstellen. Eine vierte Mitarbeiterin und die Aufstockung auf dann drei Vollzeitstellen wird laut Wirthmüller in Kürze folgen. Die Stellen werden vom Freistaat und dem Landkreis, aber auch von der Caritas über das Ordinariat finanziert.

Dachau/Schönbrunn: Charles Nwankwo putzt die Küche und den Gemeinschaftsraum.

Charles Nwankwo putzt die Küche und den Gemeinschaftsraum.

(Foto: DAH)

Zwar koordiniert Wirthmüller die Asylarbeit im Landkreis, doch ist sie auf Unterstützung angewiesen. "Das Landratsamt, die lokalen Helferkreise und wir sind ein enger Schulterschluss, um diese Arbeit zu managen", sagt sie. Das Landratsamt stellt die Unterkünfte und die sozialen Leistungen zur Verfügung. Die ehrenamtlichen Helfer begleiten die Flüchtlinge im Alltag und dienen als direkter Ansprechpartner. Sie gehen mit den Asylbewerbern zum Arzt oder zur Sparkasse, verwalten die Sachspenden und organisieren Deutsch-Kurse und andere Weiterbildungs- und Freizeitangebote.

Sowohl dem Landratsamt als auch den Ehrenamtlichen und der Caritas bereiten die dramatisch zunehmenden Flüchtlingsströme Sorgen, sagt Wirthmüller. Sie lobt die Zusammenarbeit aller Beteiligten. "Allerdings arbeiten wir alle - Caritas, Landratsamt und die mehr als 160 Ehrenamtlichen im Landkreis - an unseren Grenzen." Dazu kommt, dass es in der Metropolregion München an bezahlbarem Wohnraum und Unterbringungsmöglichkeiten fehlt. Die Koordinierungsstelle, die im Landratsamt geschaffen werden soll, bewertet Wirthmüller als "gutes Zeichen". Eine Erhöhung des Stellenschlüssels in der Flüchtlingsbetreuung von derzeit eins zu 150 auf eins zu 100 wäre aus ihrer Sicht ebenfalls hilfreich für eine bessere Betreuung der Asylbewerber. "Wünschenswert wäre auch eine eigene Verwaltung für die größeren Gemeinschaftsunterkünfte, damit ein fester Ansprechpartner vorhanden ist." Eine solche Einrichtung gibt es bisher nur in der Dachauer Unterkunft. Zudem wünscht sich Wirthmüller mehr Unterstützung für die ehrenamtliche Arbeit und eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit aller Beteiligten, um Bürger über die Planungen im Landkreis schnell und umfassend zu informieren. Nur so könne eine Kultur des Willkommens und ein gutes soziales Miteinander entstehen.

Wie wichtig die Ehrenamtlichen für die Betreuung der Asylbewerber sind, wird auch in Schönbrunn deutlich. "Hier ist täglich jemand aus dem Helferkreis da", stellt Betreuerin McGeady fest. "Mit unserer Stundenzahl könnten wir nie diese Arbeit leisten - wir brauchen die Ehrenamtlichen." Diese haben in Schönbrunn Sitzmöbel, TV-Geräte, Radios, bessere Betten und für alle Bewohner ein Fahrrad besorgt. Das motiviert auch die Asylbewerber selbst Eigeninitiative zu zeigen. So legte Alfred Sesay, der in Sierra Leone als Landwirt arbeitete, zusammen mit einem Landsmann auf der Brachfläche neben den Wohncontainern ein großes Gemüsefeld an. "Eine riesige Steigerung der Lebensqualität", findet McGeady. Auch Sesay merkt man schnell an, dass er das Feld nicht nur wegen der Erträge angelegt hat. Es macht ihm sichtlich Freude, das Unkraut zu jäten oder die prächtig gedeihenden Pflanzen zu gießen. Schließlich bringt ihm die Arbeit auch ein Stück Normalität zurück. Das ist auch das Ziel der Helfer. Wirthmüller: "Die Flüchtlinge sollen sich hier ein bisschen wie zu Hause fühlen."

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