Süddeutsche Zeitung

Dachauer Altstadt:Machtlos gegen trickreiche Raser

Lesezeit: 3 min

Weil in die Straße eingelassene Poller nicht verhindern, dass getunte Autos nachts durch die Klosterstraße brettern, will die Stadt nun ein weiteres Verkehrsschild anbringen. Dass das Problem so zu lösen ist, glaubt allerdings keiner.

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Die Anwohner der Kloster- und Schloßstraße müssen sich nachts weiter auf aufheulende Motoren und quietschende Reifen einstellen. Die Stadt Dachau ist ratlos, wie sie der Poser- und Raserszene am Schlossplatz Herr werden soll. Regelmäßig brettern weit nach 23 Uhr getunte Autos das Kopfsteinpflaster der Kloster- und Schloßstraße rauf und runter und bringen so die etwa 150 Anwohner um ihren Schlaf. Seit Jahren treffen sich auf dem Schlossplatz junge Erwachsene, um dort mit ihren aufgemotzten Schlitten zu posen. Von hier aus starten sie mit ihren Karossen illegale Straßenrennen nach München. Die Poller auf Höhe der Hexengasse, welche die Stadt im vergangenen Jahr in der Straße einbauen ließ, erweisen sich als wirkungslos, da die Raser diese mit einem Trick umgehen. Auch verstärkte Kontrollen der Polizei schrecken die Poser laut Stadtverwaltung nicht ab. Jetzt will die Stadt ganz unten in der Klosterstraße auf Höhe der Buchhandlung Wittmann ein Verkehrsschild anbringen, das signalisiert, dass zwischen 23 und 5 Uhr nur Anlieger hochfahren dürfen.

Die neue Beschilderung ist nur ein weiterer verzweifelter Versuch, das Problem in den Griff zu bekommen. Die Erfolgsaussichten dürften gering sein. Dasselbe Schild ist bereits auf Höhe der Hexengasse angebracht und wird von den Rasern ignoriert. Zumal der Begriff Anlieger verkehrsrechtlich gesehen ohnehin schwammig ist. "Das Schild wird nichts helfen", sagt Anwohner-Sprecher Frank Teister. Die Autofahrer würden schließlich schon jetzt das Schild übersehen, das auf eine Geschwindigkeitsbegrenzung von zehn Kilometer pro Stunde hinweise. Teister und andere Anwohner haben eine Online-Petition gestartet. Diese haben inzwischen etwa 220 Menschen unterschrieben. Unterstützung bekommen sie auch von Restaurants in der Augsburger Straße. Teister glaubt, dass weitere Poller unten an der Einfahrt zur Klosterstraße etwas bringen würden. "Dann staut es sich an der Augsburger Straße. Das würde vielleicht viele abschrecken."

"Für solche Idioten so viele Steuergelder raushauen, tut mir in der Seele weh"

Die Stadträte diskutierten in einer Sitzung des Umwelt- und Verkehrsausschusses eineinhalb Stunden lang über diese und andere Möglichkeiten. Doch am Ende herrschte Ernüchterung, da keine Idee überzeugte. Der Einbau weiterer Poller an der Einfahrt zur Klosterstraße wäre aufwendig und teuer. Laut Stadtverwaltung verlaufen in diesem Bereich zahlreiche Strom- und Gasleitungen unter dem Kopfsteinpflaster. Diese müsste man komplett verlegen. Zudem ist fraglich, ob weitere Poller die Raser überhaupt ausbremsen würden. Wie die Stadtverwaltung berichtet, tricksen die Poser bereits die Poller auf Höhe der Hexengasse aus. Diese sind zwar täglich zwischen 23 und 5 Uhr hochgefahren; nur wer einen Schlüssel hat, kann dann noch von unten nach oben fahren. Doch wenn sich ein Fahrzeug von oben, also vom Schlossplatz den Pollern nähert, versinken diese automatisch im Boden. Die Raser nutzen das aus. Es reicht, wenn einer vor 23 mit seiner Karre auf dem Schlossplatz fährt und dann nach 23 Uhr seine Kumpels passieren lässt. Kurzum: Baut man zusätzliche Poller unten auf Höhe Buchhandlung ein, wird es für die Raser lediglich aufwendiger, da sie zwei Poller-Barrieren ausschalten müssen. "Ich befürchte, dass es immer wieder Tricksereien gibt", sagte Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD). Luise Krispenz (Grüne) sagte, ihre werde ein klein wenig schlecht bei dem Gedanken, wie viele Poller die Stadt noch aufstellen müsste. Ihr Fraktionskollege Helmut Esch wurde deutlich: "Für solche Idioten so viele Steuergelder raushauen, tut mir in der Seele weh." Die Idee mit den zusätzlichen Pollern verwarfen die Stadträte vorerst. Derzeit finden Bauarbeiten in der Klosterstraße statt, der starke Lkw-Verkehr setzt der Straße zu, weshalb diese nach Abschluss der Arbeiten saniert werden müsste. Eventuell wäre es dann billiger, die Poller im Rahmen der Sanierungsarbeiten einzubauen.

Die Stadträte diskutierten weitere Ideen. Peter Gampenrieder (ÜB) etwa sprach sich dafür aus, Huckel anzubringen, über die man mit tiefergelegten Autos nicht fahren kann. Doch Stefan Januschkowetz vom Ordnungsamt berichtete, dass die Stadt damit schlechte Erfahrungen gemacht habe. "Da hätte man dann den ganzen Tag Lärm vom Rauf- und Runterfahren." OB Hartmann schlug vor, die Poller an der Hexengasse per Video überwachen zu lassen. Die Verwaltung will nun prüfen, ob das überhaupt zulässig ist.

Im Gespräch war auch eine Sperrung des Schlossplatzes in den Nachtstunden. Dann könnte man zwischen 23 und 5 Uhr gar nicht mehr mit dem Auto abfahren. Doch das wolle die Bayerische Schlösserverwaltung nicht, sagte Hartmann. Eine Sprecherin teilt dazu auf SZ-Nachfrage lediglich mit: "Für die Bayerische Schlösserverwaltung ist es wichtig, eine gute Lösung für das Problem der nächtlichen Ruhestörung zu finden, die zugleich unseren Pächter im Schloss Dachau nicht weiter belastet." Letztlich beschlossen die Stadträte, es zunächst mit neuen Verkehrsschildern zu versuchen, wenngleich auch diese Idee nicht wirklich überzeugte. Hartmann sagte: "Das Beste wäre eigentlich ein Gesetz auf Bundesebene", das die Raser generell ausbremse.

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Quelle:
SZ vom 22.09.2020
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