Dachauer Schlosskonzert:Eigenwillige Interpretationen

Dachauer Schlosskonzert: Tamaki Kawakubo an der Violine und Yu Kosuge am Klavier bestritten das erste Dachauer Schlosskonzert im neuen Jahr.

Tamaki Kawakubo an der Violine und Yu Kosuge am Klavier bestritten das erste Dachauer Schlosskonzert im neuen Jahr.

(Foto: Toni Heigl)

Die Geigerin Tamaki Kawakubo und die Pianistin Yu Kosuge hinterlassen beim Dachauer Schlosskonzert gemischte Gefühle: Trotz ihres musikalischen Könnens passen Lautstärke und Zusammenspiel nicht immer.

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Das erste Dachauer Schlosskonzert im neuen Jahr, ein Abend mit Werken für Violine und Klavier und noch dazu ein sehr schönes Programm, das an die besten Zeiten dieser traditionsreichen Konzertreihe erinnerte: Mozart, Ravel, Schumann und Brahms. Was will man mehr? Begonnen hat es - wie ideal! - mit einem Vorspiel (Präludium). Es war "Präludium und Allegro" von Fritz Kreisler oder besser gesagt, nach Fritz Kreisler. Man kennt ja die Violinstücke Kreislers auf heute noch erhältlichen, von ihm selbst bespielten Tonträgern, da klingt es aber ganz anders.

Im Dachauer Schloss interpretierten die amerikanische Geigerin Tamaki Kawakubo und die japanische Pianistin Yu Kosuge Fritz Kreislers komponierte Musik im Stil des italienischen Barockkomponisten Gaetano Pugnani auf ihre Weise. Da gab es zunächst einen wunderbaren Geigenton. Tamaki Kawakubo spielt auf einer 1779 von Giovanni Battista Guadagnini gebauten Geige, die klanglich an die schönsten Stradivari-Geigen erinnert, die man je im Dachauer Schloss gehört hat.

Kawakubo holt aus ihrer Geige heraus, was sie hergibt

Kawakubo holt aber auch aus ihrer Geige heraus, was sie hergibt, vom zartesten Schmelz bis zum großen runden und überwältigend strahlenden Ton. Dass sie dabei über die von Fritz Kreisler gewollten und auf seiner Stradivari praktizierten Klang-, aber auch Tempo- und Gestaltungsdifferenzierungen hinausgeht, kann man bei diesem Stück als Freiheit der Interpretation hinnehmen. Problematisch war aber schon jetzt das Zusammenspiel mit der Pianistin.

Ihr hatte man einen großen Steinway-Flügel hingestellt, der im Münchner Herkules-Saal wohl besser aufgehoben gewesen wäre. Im Renaissance-Festsaal des Dachauer Schlosses dominiert zwar auch Herkules, aber im Hinblick auf die sehr schöne Holzdecke und die wunderbare Akustik dieses Saales müsste man einen großen Konzertflügel bei ganz geöffnetem Deckel ausgesprochen sensibel traktieren. Das aber ist Yu Kosuges Sache nicht. War sie schon im Allegro des Kreisler-Stückes zu massiv, so kam es noch dicker, vor allem bei Ravel und leider auch bei der Sonate e-Moll KV 304 von Mozart.

Mozart hat mit seinen 1777/78 geschriebenen sechs "Mannheimer Sonaten" ein neues Kapitel der Musikgeschichte aufgeschlagen, denn Sonaten für Klavier und Violine (so die richtige Reihenfolge bei Mozart und bis ins 19. Jahrhundert hinein) dieser Art gelten als seine Erfindung, und die Sonate e-Moll ist der Höhepunkt, die Königin dieser ersten Violinsonaten. Wie schön und richtig wäre eine klassische Interpretation gewesen!

Tamaki Kawakubo und Yu Kosuge aber spielten Mozarts wahrhaft klassische Sonate als wäre sie eine Komposition von Robert Schumann oder eines noch späteren Romantikers. Sie missachteten Mozarts klassisches Maß mit einer Reihe von romantischen Drückern und Lasuren und übertriebenen Schwankungen der Dynamik. Mozart verlangt einen klaren Wechsel von forte und piano, aber keine krassen forte-Einbrüche, wie wir sie in Dachau vor allem beim fast durchgehend zu lauten Klavier erleben mussten.

Der erste Satz begann verheißungsvoll

Das war aber noch gar nichts gegen das, was bei der Sonate für Violine und Klavier von Maurice Ravel geboten war. Der erste Satz begann verheißungsvoll, Ravels klanglich raffiniert differenzierte und virtuose französische Musik scheint dem Duo Kawakubo/Kosuge besser zu liegen als Musik der Wiener Klassiker, zu der es wohl kein rechtes Verhältnis hat. Aber wie spielten sie den von Ravel selbst als Blues komponierten und bezeichneten zweiten Satz! Das Klavier wurde unglaublich laut und massiv, und von einem Blues war schließlich so wenig zu spüren, wie vorher wohl kaum ein Zuhörer nachvollziehen konnte, dass Mozart den zweiten Satz seiner e-moll-Sonate mit "Tempo di Menuetto" überschrieben hat.

Pause, und nach der Pause das nach der romantisierenden Mozart-Interpretation erwartete glücklich und musikalisch vollendete Spiel bei "Drei Romanzen für Violine und Klavier, op. 22" von Clara Schumann. Unserem Dachauer Kulturreferenten ist es zu verdanken, dass diese drei schönen Stücke als Musik einer Frau in einem sonst rein männlich bestimmten Programm aufgenommen wurden. Hier war Kawakubos überaus einfühlsame Tongebung am rechten Platz, und Yu Kosuge behandelte den großen Flügel entsprechend zart.

Damit war eine gute Voraussetzung für die Interpretation der Violinsonate d-Moll op. 108 von Johannes Brahms gegeben. Drei Sätze lang hielt die dem späten Brahms weitgehend gemäße Interpretation an, aber beim vierten Satz "Presto agitato" dominierten barbarische Wucht, hoch virtuoses, aber vor allem am Klavier donnerndes und kaum beseeltes Spiel. Ein wenig erfreulicher Abschluss eines Abends mit eigentlich sehr schönem Programm? Nein! Tamaki Kawakubo und Yu Kosuge spielten als Zugabe "Liebesleid" von Fritz Kreisler berückend schön.

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