Süddeutsche Zeitung

Sabot Noir:Von Extremismus weit entfernt

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Die Empörung der Konservativen über den städtischen Zuschuss für die Dachauer Punkband "Sabot Noir" ist übertrieben. Die Stadträte von SPD, Grünen und Bündnis haben mit ihrer Entscheidung ein Zeichen für die Freiheit von Meinung und Kunst gesetzt.

Kommentar von Thomas Balbierer

Darf eine Punkband ungestraft ein Lied veröffentlichen, das in Titel und Refrain den Ausdruck "Fuck Cops" zelebriert? Und darf eine Stadt diese Band auch noch mit Steuergeldern unterstützen? Die Antwort auf beide Fragen lautet: Ja.

Bei der rechtlichen Beurteilung hilft ein Blick in ein fünf Jahre altes Urteil des Bundesverfassungsgerichts: 2015 entschieden die Richter, dass eine Beleidigung nur dann strafbar ist, wenn sie sich auf eine "überschaubare und abgegrenzte Personengruppe" bezieht. Was angesichts einer so großen und vielschichtigen Institution wie der Polizei bei "Fuck Cops" nicht der Fall ist, so die Richter. Ein Amtsgericht in Niedersachsen hatte eine junge Frau zu Arbeitsstunden verurteilt, weil sie einen Anstecker mit dem Code "FCK CPS" getragen hatte und daraufhin von Polizeibeamten angezeigt wurde - eine unzulässige Bestrafung, wie das höchste deutsche Gericht befand. Das Urteil stelle einen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht der freien Meinungsäußerung dar.

Wenn Sabot Noir einen abfälligen Polizeisong singt, bewegen sich die Musiker im Rahmen des Grundgesetzes. Dazu kommt: Die Künstler können sich auch noch auf die Freiheit der Kunst berufen, deren Einschränkung extrem hohen Hürden unterliegt. Die laute und unflätige Musik muss niemandem gefallen, man darf sie ablehnen und schrecklich finden - doch von Extremismus und Verfassungsfeindlichkeit, in deren Nähe die CSU und ausgerechnet die rechte AfD die Gruppe nun rücken wollen, sind die Texte der Band weit entfernt.

Der Unmut der Konservativen ist dennoch verständlich

Der Unmut der Konservativen ist dennoch verständlich, die CSU versteht sich als Partei der inneren Sicherheit und Patron der Polizei, auch die AfD hat die Beamten als potenzielle Wähler auserkoren. Dass Steuergeld für eine Anarcho-Band bei den Parteien auf breite Ablehnung stößt, ist logisch. Wie vehement die Kritik an dem 750-Euro-Zuschuss für eine Jugendveranstaltung aber ausfällt, hat mehr mit dem Zeitgeist als der Band an sich zu tun. Spätestens seit dem Tod des Afroamerikaners George Floyd durch einen weißen Polizisten ist ein neuer Kulturkampf um die Polizei entbrannt, der so kompromisslos geführt wird, dass Debattenteilnehmer regelrecht zu einer Positionierung gezwungen werden: Entweder man ist für oder gegen die Polizei. Kritik an Fehlern oder Missständen, und sei es in Form von provokanter Kunst, wird schwieriger - umso mehr nach den gewalttätigen Übergriffen auf Polizisten in Stuttgart oder Frankfurt.

Dass Stadträte von SPD, Grünen und dem Bündnis im Kulturausschuss trotzdem ihr Ja zu dem Konzertzuschuss gegeben haben, heißt noch lange nicht, dass sie die Inhalte der Lieder teilen oder auch nur die Musik gut finden. Man darf eher das Gegenteil vermuten. Der Beschluss zeigt aber, dass die Stadträte etwas von unvoreingenommener Kulturförderung verstehen und nicht die politische Bewertung einer Liedzeile zur Grundlage ihrer Entscheidung machen. Die Qualität der Musik können dann andere beurteilen.

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SZ vom 24.07.2020
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