Eine Institution macht zu:Addio Amalfi

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20 Jahre hat Giovanni Cirigliano in der Küche Pasta zubereitet, zwischendurch mit den Gästen geflirtet und sich unterhalten. Am Samstag wird er dies zum letzten Mal tun. (Foto: Niels P. Jørgensen)

51 Jahre war das italienische Restaurant in der Altstadt eine Institution, jetzt muss es schließen. Der zweite Lockdown war zu viel

Von Benjamin Emonts, Dachau

Ruhig ist es keineswegs am Donnerstag im Ristorante "Piccolo Amalfi". Andauernd klingelt das Telefon, erst die Presse, dann wieder Kunden, die ein letztes Mal ihre Pizza bestellen wollen. Ein Eintrag auf Facebook hatte am Vorabend Gewissheit gebracht: Das italienische Traditionslokal in der Dachauer Altstadt macht nach 51 Jahren am Samstag endgültig zu. "Ich habe gekämpft und versucht, das Piccolo Amalfi durch diese schwierige Zeit zu bringen. Leider ist es mir nicht mehr möglich, das Restaurant alleine weiterzuführen und so muss ich schweren Herzens für immer schließen", schrieb Koch und Betreiber Giovanni Cirigliano. Der plötzliche Tod seiner Lebenspartnerin Nella Conson im Januar und die Pandemie seien für das Restaurant schlichtweg zu viel gewesen.

Die Pandemie fordert damit die erste dauerhafte Schließung in der Dachauer Gastronomie - und leider trifft es ein besonderes Lokal. "Das Amalfi war über Jahrzehnte eine Institution in der Dachauer Altstadt", sagt der städtische Kulturamtsleiter und Stammgast Tobias Schneider. Bei der Eröffnung im Jahr 1969 durch die Familie Conson aus Treviso war es das erste italiensche Restaurant, das sich nach Dachau gewagt hatte. Es eröffnete in einer Zeit, in der man Pizza und Pasta vorwiegend aus dem Urlaub am Gardasee oder an der Amalfiküste kannte. Für viele Dachauer war das Lokal der erste Berührungspunkt mit italienischer Kultur und Kulinarik. Der ehemalige Dachauer Oberbürgermeister Peter Bürgel erzählt noch heute die Anekdote, wie er als junger Mann hier zum ersten Mal in eine Pizza gebissen hat. So wie ihm erging es vielen aus der Stadt.

Nachdem die Dachauer anfangs noch misstrauisch gewesen waren, schätzten sie bald die Kochkunst und das herzliche Temperament der Familie Conson. Das Geschäft am Karlsberg florierte. Vor 20 Jahren übernahm die Küche dann Giovanni Cirigliano, während seine Lebensgefährtin Nella Conson mit ihrem Notizblock Bestellungen entgegen nahm. Conson war bis zu ihrem Tod die gute Seele des Lokals. Sie war humorvoll und unterhielt sich aufrichtig mit ihren Gästen, von denen sie die meisten beim Vornamen nannte. Gemeinsam mit Giovanni gab sie ein authentisches und liebenswürdiges Duo ab, das die Dachauer Banker, Stadtangestellten und Stammgäste gerne besuchten. Sie kamen mittags, um preiswert Pizza oder eines der wechselnden Menüs zu essen. Und abends, um mit Wein und Kerzen auch mal länger sitzen zu bleiben.

Wenige Monate nach dem Umzug in die Augsburger Straße jedoch starb Nella Conson plötzlich im Alter von nur 66 Jahren. Für die Familie war es ein Schock. Cirigliano musste den Laden nun selbst schmeißen. Nach Ausbruch der Pandemie liefen die Geschäfte trotz der Unterstützung vieler Stammgäste jedoch zusehends schlechter. Nella fehlte. "Wir haben 30 Jahre lang zusammen gelebt und gearbeitet. Wir haben uns Kraft gegeben. Immer, wenn ich hier reinkomme, muss ich an sie denken. Das macht mich traurig", sagt Cirigliano.

Die wirtschaftlichen Einbußen durch den neuerlichen Lockdown gaben dem Geschäft nun den Rest. "Der Staat hat uns zugesperrt und die Leute gehen nicht mehr so oft zum Essen", sagt Cirigliano. Bei seinen Stammgästen ist die Betroffenheit nun groß. Karin Förg beispielsweise, die scheidende Leiterin des Dachauer Standesamts, sagt: "Ich bin sehr traurig." Sie saß 20 Jahre lang nahezu jeden Wochentag im Amalfi und aß dort zu Mittag, weil sie das gute, preiswerte Essen und die vielen Bekanntschaften schätzte. Kulturamtsleiter Tobias Schneider wiederum wurde von Cirigliano immer wieder mit Spezialkreationen überrascht, seitdem er Vegetarier ist. "Ich werde das Amalfi sehr vermissen", sagt er. Auch beim Dachauer Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) ist das Bedauern groß: "Auf die Kochkunst von Giovanni konnte man sich immer verlassen", sagt er. Regelmäßig brachte Hartmann Gäste der Stadt in das Restaurant, beispielsweise nach Zeitzeugengesprächen oder Besuchen aus Dachauer Partnerstädten. "Für die Stadt und uns alle ist das ein großer Verlust. Viele Dachauer verbinden persönliche Geschichten mit dem Amalfi", sagt Hartmann.

Und wie geht es mit Giovanni weiter? "Ich weiß es nicht", sagt er. "Ich muss jetzt erst mal runterkommen und mich auf mich selbst besinnen." Es klingt so, als müsste der 60-Jährige dieses so schwere Jahr noch eine Weile verarbeiten. "Es ist so, als würde ich Nella ein zweites Mal verlieren", sagt er über die Schließung seines Lokals. Der Stadt Dachau aber will Giovanni Cirigliano treu bleiben, auch um seinen Söhnen und Enkelkindern nahe zu sein. Für die vielen schönen Jahre ist der Italiener überaus dankbar. "Ich bedanke mich für Eure Treue und Verbundenheit, die ihr Nella und mir in den vielen Jahren entgegengebracht habt. Wir haben viele schöne Stunden zusammen verbracht - haben gelacht und gefeiert", schreibt er an seine Gäste. Der Abschied fällt Cirigliano schwer, aber wer weiß: Vielleicht wird er in besseren Zeiten als Koch wieder arbeiten, ohne selbständig zu sein. Für möglich hält er es jedenfalls. "Als Koch habe ich einen guten Namen", sagt er und lacht. "Sie werden mich kontaktieren." Als Dachauer kann man sich das nur wünschen.

© SZ vom 20.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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