Tag gegen Rassismus„Du bist nicht allein“

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Peter Heller vom Runden Tisch gegen Rassismus (l.) und Manuel Liebig vom Kreisjugendring (r.) flankieren das Siegerteam von der Realschule Weichs bei der Preisverleihung des Videowettbewerbs.
Peter Heller vom Runden Tisch gegen Rassismus (l.) und Manuel Liebig vom Kreisjugendring (r.) flankieren das Siegerteam von der Realschule Weichs bei der Preisverleihung des Videowettbewerbs. (Foto: Toni Heigl)

Beim Tag gegen Rassismus in Dachau werden die Preise des Videowettbewerbs verliehen, den der Runde Tisch gegen Rassismus veranstaltet hat. Die Siegerinnen und Sieger kommen aus Weichs, doch es hat sogar eine Gruppe aus Hessen mitgemacht.

Von David Kulessa, Dachau

Schon vor acht Wochen fand am Ernst-Reuter-Platz so etwas wie ein Tag gegen Rassismus statt. Damals bekannten sich dort über 5000 Menschen zu Demokratie und Vielfalt bei der wohl größten Demonstration, die es in Dachau je gab. Am Freitag erinnerte Peter Heller, Sprecher vom Dachauer Runden Tisch gegen Rassismus, noch einmal an jenen Sonntag Anfang Februar – und sagte: „Das reicht nicht.“ Der Kampf gegen Rechtsaußen, er muss weitergehen. So wie am Freitag mit dem — diesmal auch ganz offiziell so betitelten — „Tag gegen Rassismus“, organisiert unter anderem vom Runden Tisch und der Stadt Dachau, erneut am Ernst-Reuter-Platz.

Nachdem Schulklassen vormittags verschiedene Workshops besucht hatten, wurde der Adolf-Hölzel-Saal am Nachmittag für Besucher und Neugierige geöffnet. Schülerinnen und Schüler standen trotzdem zunächst weiter im Mittelpunkt. Bei der Preisverleihung des Videowettbewerbs „Was bedeutet Rassismus für dich?“ wurden auf der Bühne im gut gefüllten Saal drei Schulgruppen ausgezeichnet. Die Siegerinnen und Sieger kamen von der Theresia-Gerhardinger-Realschule in Weichs.

„Euer Video macht Rassismus und Diskriminierung greifbar“, würdigte eine junge Jurorin das kurze Video, in dem mit Zeichnungen reale Diskriminierungserfahrungen nachgestellt werden, etwa bei der Wohnungssuche. Und es sendet eine wichtige Botschaft: „Wenn du Diskriminierung bemerkst oder sogar selbst erfährst, ist es wichtig, darüber zu sprechen.“ Ausschnitte aller eingereichten Videos teilte der Runde Tisch am Freitag auf seiner Instagramseite.

Das Sieger-Video der Realschule Weichs stellt mit Zeichnungen reale Diskriminierungserfahrungen nach.
Das Sieger-Video der Realschule Weichs stellt mit Zeichnungen reale Diskriminierungserfahrungen nach. (Foto: Toni Heigl)
Der Studenten Dominik Lucha macht auf Instagram Alltagsrassismus sichtbar. Unter dem Titel „Was ihr nicht seht“ teilt er im Netz gefundene verbale Angriffe mit seinen mehr als 100 000 Abonnenten.
Der Studenten Dominik Lucha macht auf Instagram Alltagsrassismus sichtbar. Unter dem Titel „Was ihr nicht seht“ teilt er im Netz gefundene verbale Angriffe mit seinen mehr als 100 000 Abonnenten. (Foto: Toni Heigl)
Im Bürgertreff Ost bereiten Einheimische, Migrantinnen und Migranten gemeinsam internationales Fingerfood zu.
Im Bürgertreff Ost bereiten Einheimische, Migrantinnen und Migranten gemeinsam internationales Fingerfood zu. (Foto: Toni Heigl)
Für die Musik sorgt Krafunkel aus Dachau mit Folk für Punks & Queers.
Für die Musik sorgt Krafunkel aus Dachau mit Folk für Punks & Queers. (Foto: Toni Heigl)

Manuel Liebig vom Kreisjugendring war Initiator des Wettbewerbs, er erklärte den Gedanken dahinter: „Studien zeigen, dass rechte Kräfte die Inhalte in den sozialen Medien sehr stark besetzen und insbesondere viele Jugendliche erreichen.“ Dem habe man etwas entgegensetzen wollen. „Der politische Diskurs spielt sich dort ab, also haben wir überlegt, wie Content entstehen kann, der zur Beteiligung anregt.“

Es entstand ein Wettbewerb, dessen Ausschreibung weite Kreise gezogen hat: Mit dem zweiten Platz wurden vier Schülerinnen und Schüler einer Gesamtschule im hessischen Gleiberger Land ausgezeichnet, über 450 Kilometer von Dachau entfernt. Den Preis nahmen sie dennoch persönlich entgegen, gemeinsam mit ihrem Lehrer hatten sie den weiten Weg auf sich genommen und am Vorabend die Gedenkstätte des früheren Konzentrationslagers besucht. Ihr Kurzfilm stelle eine reale Situation aus dem eigenen Schulalltag nach, erzählten die Preisträger auf der Bühne: Ein russisches Mädchen wird von einer Mitschülerin wegen ihrer Herkunft gehänselt.

Den Abschluss des Abends bildete der sehenswerte Film „Heimaten der Töchter“ von Uli Bez

„Die gesellschaftspolitischen Entwicklungen wirken sich auf den Alltag von jungen Menschen aus“, glaubt Manuel Liebig. „Wir haben den Eindruck, es gibt eine massive Zunahme von rassistischen Übergriffen an Schulen.“ Umso wichtiger seien Zeichen der Solidarität, wie er sie in den Workshops am Vormittag vielfach erlebt habe – und die auch durch die prämierten Beiträge eindrücklich transportiert wurden. Das Gewinnervideo schließt mit den Worten: „Du bist nicht allein.“

Vom Versuch, die sozialen Medien nicht nur menschenfeindlichen Positionen zu überlassen, handelte auch die Ausstellung im benachbarten Bürgertreff. „Was ihr nicht seht“ ist ein Projekt des Studenten Dominik Lucha, der auf Instagram Alltagsrassismus sichtbar macht. Vor allem verbale Angriffe, die Schwarze Menschen erfahren und ihm zusenden, teilt Lucha mit seinen mehr als 100 000 Abonnenten. Schwarz wird in dem Zusammenhang groß geschrieben, weil es kein Adjektiv, sondern eine politische Selbstbezeichnung ist. Im Bürgertreff hingen nun einige der Beiträge an der Wand, die Lucha gesammelt hat. Bloß ein Beispiel: „Vor 60 Jahren hätte man sowas noch vergast.“

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Den Abschluss des Abends bildete der sehenswerte Film „Heimaten der Töchter“ von Uli Bez. Die Münchener Filmemacherin hat fünf Frauen mit Migrationshintergrund unterschiedlichen Alters begleitet und lange mit ihnen gesprochen. Sie alle erzählen ausführlich von ihrer komplizierten Beziehung zu Deutschland; dem Land, in dem sie sich heimisch und fremd zugleich fühlen. Dem Land, in dem sie sich eine Existenz aufgebaut haben und in dem sie trotzdem die Erfahrung machen, nicht vollständig akzeptiert zu werden. Da ist die Enkelin türkischer Einwanderer, die über Migration sagt: „Der Mensch ist schon immer gewandert, das hält ihn fit.“ Da ist die brasilianische Künstlerin, die sich fragt, warum die Deutschen bloß immer so ernst sind. Und da ist die Tochter griechischer Gastarbeiter, die schon in der Grundschule zu hören bekam, ihre Eltern würden den Deutschen die Jobs wegnehmen.

„Man braucht wohl immer eine Menschengruppe, die man schlechtmachen kann“, sagte Regisseurin Uli Bez anschließend in kleiner Runde. „Das macht mich unendlich traurig. Wir könnten schon eine so viel bessere Gesellschaft sein.“ Es wird noch viele Tage gegen Rassismus benötigen. Aber dieser war ein schöner Anfang.

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