Süddeutsche Zeitung

Dachau:Prozess im Puff

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Nach 38 Jahren will die Stadt Dachau einen Sex-Club im Gewerbegebiet schließen, der Betreiber hat dagegen geklagt. Nun hat die Gerichtsverhandlung stattgefunden - in der Bar des Bordells.

Walter Gierlich

- Es ist ein unscheinbares Haus, ein Anbau an die Verkaufsräume eines Autohändlers, der auch das übrige Grundstück an der Karl-Benz-Straße nutzt. Tagsüber, so lange die Leuchtbuchstaben an der Fassade nicht eingeschaltet sind, ist kaum zu erkennen, dass sich in dem dreigeschossigen Gebäude der "Nightclub Cleopatra" befindet, Dachaus ältestes Bordell, in dem nachts nach Angaben des Betreibers Reiner Harjes drei bis sechs Frauen dem angeblich ältesten Gewerbe der Welt nachgehen. Wenn es nach der Stadt Dachau geht, soll damit Schluss sein. Sie hat im Juli vergangenen Jahres die Nutzung als sogenannter bordellähnlicher Betrieb untersagt. Betreiber Harjes und der Hausbesitzer haben dagegen geklagt. Am Donnerstagmorgen verhandelte die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts München darüber. Eine Entscheidung fiel noch nicht.

Insgesamt sieben Bordellbetriebe ("So viel wir wissen") gibt es nach Auskunft des städtischen Rechtsamtsleiters Josef Hermann im Dachauer Gewerbegebiet, von denen nur vier genehmigt sind. Grund für die Nutzungsuntersagung für den "Club Cleopatra", die nach einer Baukontrolle im Juli 2011 ausgesprochen wurde, war die Tatsache, dass er nicht in die Umgebung passe, sondern einen "Down-Grading-Effekt" habe, also zu einer Verschlechterung der Gegend führe. Zudem gebe es im Umfeld schon mehrere solcher Etablissements. Die 11. Kammer unter Vorsitz von Richter Johann Oswald machte sich im Schneeregen selbst ein Bild von der Umgebung des Clubs, ehe die Verhandlung an Ort und Stelle - in der Bar des Bordells - stattfand.

Richter Oswald führte aus, dass das Gebäude Anfang der 70er-Jahre als Büroanbau an einer Produktionshalle genehmigt worden sei. Im Jahr 2000 habe es eine Genehmigung gegeben, die Produktionshalle in eine Tanzbar mit Striptease umzuwandeln. Ein Jahr später sei eine Aufstockung des Gebäudes zu Wohnzwecken von der Stadt erlaubt worden, zitierte Oswald aus den Akten und wunderte sich etwas, dass die Stadt in ihren Bescheiden nie angesprochen habe, dass es um einen bordellartigen Betrieb gehe. "Das lag doch nach den Bauplänen sehr nahe", meinte er. Andere Behörden seien jedenfalls davon ausgegangen, denn das Gesundheitamt habe beispielsweise nach einer Kontrolle 2008 verlangt, dass auf eine Benutzungspflicht von Kondomen hingewiesen werden müsse: "Das liest sich nicht, als wäre das Gesundheitsamt überrascht gewesen."

"Eine Genehmigungsfähigkeit sehen wir nicht, auch keinen Vertrauensschutz", betonte Hermann. Er räumte ein, dass bei der Stadt schon lange bekannt gewesen sei, dass es sich um einen Bordellbetrieb handle. Doch, so sagte er: "Wissen heißt nicht positiv dulden." Warum die Stadt denn später andere Bordellbetriebe genehmigt habe, ausgerechnet den ältesten aber nicht, wollte der Vorsitzende Richter von Hermann wissen. Man habe wohl nicht gewusst, dass der Betrieb im "Cleopatra" nicht genehmigt sei.

Betreiber Harjes verwies darauf, dass der Club bereits seit 1974 bestehe. Sein Anwalt Hubert Schorr erklärte, dass einem von Harjes' Vorgängern im Rathaus gesagt worden sei, "so lange hier nichts passiert, dulden wir das". Und Markus Kolbeck, der Anwalt des Hausbesitzers, teilte mit, dass man seinem Mandanten einst bei der Stadt gesagt habe, dass man grundsätzlich keine Genehmigung erteile. Er warf daher der Stadt als Versäumnis vor, "das Bordell aktiv zugelassen" zu haben. Es sei nur schwer, in der Umgebung andere einschlägige Etablissements zu entdecken, meinte er. "Es ist weit übertrieben, von einer Rotlichtmeile zu reden." Eine Entscheidung ist für Freitag angekündigt.

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Quelle:
SZ vom 30.11.2012
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