Süddeutsche Zeitung

Problematische Personalie:Mal Sachbearbeiter, mal Sicherheitschef

Der Geschäftsführer der Sicherheitsfirma, die die Flüchtlingsunterkünfte betreut, arbeitet im Ausländeramt. Manche sehen darin einen Interessenkonflikt.

Von Viktoria Großmann, Dachau

Sicherheitsfirmen haben in diesen Tagen gut zu tun. Sie werden gebraucht, um Flüchtlingsunterkünfte zu bewachen und zu betreuen. Das Landratsamt Dachau hat eine Firma aus Altomünster beauftragt. Dessen Geschäftsführer hat nicht nur seit 15 Jahren Erfahrung im Objekt- und Personenschutz, er hat auch Erfahrung im Umgang mit Migranten. Er arbeitet als Vollzeitangestellter im Ausländeramt des Landkreises Dachau. Der Betrieb seiner Firma ist eine genehmigte Nebentätigkeit. Einen Interessenkonflikt seines Mitarbeiters kann Landrat Stefan Löwl (CSU) nicht erkennen.

Andere Politiker schon. Die Fraktionssprecherin der Grünen im Kreistag, Marese Hoffmann, hätte das Thema gern im nächsten Kreisausschuss am 9. Oktober behandelt gesehen. Ihr Antrag wurde vom Landrat allerdings abgewiesen, das seien staatliche Angelegenheiten, dafür sei zwar der Landrat in seiner Eigenschaft als unterste staatliche Verwaltungsbehörde, nicht aber der Kreistag zuständig, der kommunale Aufgaben hat. Das sei sachlich zwar richtig, sagt Hoffmann. Doch sie bedauert, dass diese Linie vom Landrat "in letzter Zeit häufig gezogen" und damit den Kreisräten signalisiert werde, das gehe sie nichts an. Sie wünscht sich mehr Abstimmung und mehr Miteinander gerade bei sensiblen Themen wie Asyl. Dass jemand "in Personalunion Landratsamt und Sicherheitsdienst vereint, das geht nicht", sagt sie. Nun wird sie immerhin eine offizielle Anfrage stellen, denn zumindest reden solle man darüber. So sieht das auch der Landtagsabgeordnete Martin Güll (SPD). Aus seiner Sicht ist die Personalie "mehr als problematisch". Es seien direkt Fragen der Abschiebung betroffen. Er will im Landtag eine Anfrage an das Bayerische Innenministerium als oberster Dienstbehörde stellen und "sich sachkundig machen", wie er sagt.

Die Sache habe schon ein "Geschmäckle". Im November 2014 wurde die Firma D&T Sicherheit und Service das erste Mal vom Landratsamt beauftragt, mit dem Schutz der Notunterkunft in Markt Indersdorf. Statt einer Ausschreibung waren damals vergleichende Angebote eingeholt worden, wie Löwl erklärt. Mittlerweile hat die Firma auch die Aufträge für die Turnhalle der Berufsschule sowie die Unterkünfte für die unbegleitenden Minderjährigen im Landkreis erhalten. Man habe alle Aufträge den Vorschriften entsprechend vergeben, sagt Löwl. D&T habe jeweils das wirtschaftlichste Angebot gemacht.

Alexander Dallmayr weiß, dass seine Zuständigkeiten nahe beieinander liegen, wenn nicht sich gar überschneiden. Bisher hat seine Firma etwa das Volksfest Indersdorf oder den Weichser Faschingsumzug betreut. Dallmayr ist kein Chef im Hintergrund, er ist immer auch selbst dabei. Auch in den Flüchtlingsunterkünften. Allerdings achtet er darauf, dass von den Flüchtlingen niemand seine Doppelfunktion wahrnimmt und vermeidet zu engen Kontakt zu den Bewohnern.

Im Ausländeramt vollzieht und vollstreckt der Verwaltungsfachwirt die Bescheide aus dem Bundesamt für Migration. Das Ausländeramt ist zuständig für die Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltsgenehmigungen und entscheidet über Anträge auf Arbeitserlaubnis. Laut Stefan Löwl hat Dallmayrs "Aufgabenwahrnehmung im Ausländeramt nichts mit seiner Nebentätigkeit zu tun". Wenn der 36-Jährige im Landratsamt auf einer Besprechung für seine Firma anwesend ist, geht er vorher ausstempeln. Über die Auftragsvergabe entscheiden seine Kollegen in der Sozialverwaltung. Dass Dallmayr einen Vorteil davon hat, dass man ihn in Dachau kennt, glaubt er nicht. Eher werde besonders genau hingeschaut. D&T betreut auch die Erstaufnahmeeinrichtung in Augsburg und Flüchtlingsunterkünfte im Landkreis Aichach. Und dort, sagt Dallmayr, kenne er keinen im Landratsamt.

Seine Firma bietet nicht nur Schutz, sondern auch Organisation. Er und seine Angestellten helfen beim Bettenaufbau, unterstützen bei der Registrierung der Ankommenden und regeln die Essensausgabe. Dallmayr packt selbst mit an, fährt persönlich die mobilen Toiletten auf den Hof der Turnhalle. Sein Prinzip: "Wir reden mit den Leuten." Aufeinander zugehen, freundlich sein, deeskalieren statt aggressiv sein - das sei das Erfolgsrezept seiner Firma. Und natürlich Zuverlässigkeit. Warum aber tut er sich überhaupt zwei Jobs an? Dallmayr sagt, das sei so gewachsen. Nach seiner Ausbildung im Landratsamt machte er sich mit einem Freund selbständig. So wuchs in 15 Jahren eine Firma, die heute bis zu 90 Männer und Frauen beschäftigt.

Wie gut Dallmayrs Firma auch sein mag, kann es sein, dass zwei Tätigkeiten eines Angestellten im öffentlichen Dienst so nah beieinander liegen? Dallmayrs Dienstherr Stefan Löwl könnte es erklären, vielleicht wird er es müssen. Eine Gelegenheit, die Kreisräte stärker einzubinden.

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SZ vom 30.09.2015/gsl
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