Dachau plant Wohnhaus für Asylbewerber:"Vorbildcharakter für ganz Bayern"

Flüchtlinge wohnen in Deutschland oft in dreckigen engen Baracken mit wenig Privatsphäre. In Dachau, dem ehemaligen KZ-Standort, spürt man nun eine besondere Verantwortung - und will ein eigenes Haus für Asylbewerber bauen. Es wäre eine neue Qualität der Unterbringung.

Gregor Schiegl

Aus den Kriegs- und Krisengebieten dieser Welt fliehen die Menschen. Tausende von ihnen kommen jeden Monat nach Deutschland. Allein der Bezirk Oberbayern bekam im Juli 172 Asylbewerber neu zugewiesen. "Wir suchen händeringend nach Unterbringungsmöglichkeiten", sagt die Sprecherin der Regierung von Oberbayern. "Wir sind für jeden konstruktiven Vorschlag dankbar."

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Flüchtlinge, wie hier in der Münchner Bayernkaserne, müssen oft in Massenquartieren unterkommen.

(Foto: Catherina Hess)

Die alten Sammelunterkünfte, sofern sie überhaupt noch existieren, reichen nicht aus. Und für eine dezentrale Unterbringung - für die die Landkreise zuständig sind - fehlt im boomenden Ballungsraum München schlicht bezahlbarer Wohnraum.

Doch die Not macht erfinderisch: Im Landkreis Fürstenfeldbruck gibt es die Idee, die Flüchtlinge in leer stehenden Gebäuden auf dem Fliegerhorst unterzubringen. In Erding leben sie verteilt auf ein altes Haus, einen Gasthof und ein Hotel. Ebersberg überlegt, in einer Schulturnhalle ein Notlager aufzuschlagen, der Landkreis München ist sogar auf die Idee verfallen, die Burg Schwaneck in Pullach, eine recht bekannte und beliebte Jugendherberge, zur Unterbringung der Flüchtlinge heranzuziehen.

Einen völlig anderen Weg geht man in Dachau. Die Stadt will nun selbst ein Wohnhaus für Flüchtlinge hinstellen: mit abschließbaren Wohnungen für Familien, einer eigenen Nasszelle für jedermann und auch ein bisschen mehr Platz.

Es wäre eine neue Qualität der Unterbringung von Flüchtlingen hierzulande. Eine, die nicht mehr geprägt ist von drangvoller Enge, mangelnder Privatsphäre und fragwürdigen hygienischen Zuständen. SPD-Stadtrat Horst Ullmann, der in Dachau das Amt des Integrationsreferenten bekleidet, redet stolz von einem Leuchtturmprojekt. "Das könnte Vorbildcharakter für ganz Bayern haben."

Vorausgesetzt die Pläne lassen sich auch so umsetzen. Die Regierung von Oberbayern steht noch in Verhandlungen mit dem Eigentümer des Grundstücks an der Kufsteiner Straße, auf dem das Haus zügig entstehen soll. Nach dem Bau wäre die Stadt nur noch Vermieter an die Regierung von Oberbayern, die sich weiterhin um den Betrieb im Hause kümmert.

Ganz neu ist die Konstruktion nicht: "Grundsätzlich ist es möglich, dass der Freistaat Bayern durch Kommunen errichtete Unterkünfte anmietet", so die Regierung. Entsprechende Pläne gebe es in Oberbayern aktuell "in mehreren Kommunen". In wie vielen und wo ist nicht zu erfahren. "Wir reden nicht über ungelegte Eier." Man werde die Bevölkerung informieren, "sobald es konkret wird".

Viele Dachauer empfinden die Zustände in den alten, gammeligen Baracken am Rande der Stadt als untragbar und beschämend. Erst recht für ihre Stadt, die doch aufgrund ihrer Geschichte als Standort des ersten Konzentrationslagers eine besondere Verantwortung habe, für Menschenwürde einzustehen.

Die Pläne des Neubaus orientieren sich daher auch weniger an den gesetzlichen Mindestvorgaben als an den tatsächlichen Bedürfnissen der Flüchtlinge. Der örtliche Arbeitskreis Asyl spricht anerkennend von einem "großen Fortschritt".

Die akuten Probleme bei der Unterbringung von Flüchtlingen lassen sich mit den Neubauplänen freilich nicht lösen. Ende des Jahres läuft die Baugenehmigung für die alten Baracken aus; das Dachauer Leuchtturmprojekt - so es überhaupt kommt - wird aber keinesfalls vor 2014 fertig sein.

Werner Staritz, Leiter des Aufnahmelagers Zirndorf, rechnet damit, dass der Zulauf der Flüchtlinge "auf hohem Niveau" weitergeht: "Ich kann keine Entwarnung geben." Deshalb läuft in Dachau auch schon die gleiche fieberhafte Suche nach Unterkünften wie andernorts.

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