Süddeutsche Zeitung

Dachau:Plädoyer für die Windkraft

Der Dachauer Stadtrat spricht sich dafür aus, im Sigmertshausener Wald eine 230 Meter hohe Anlage zu errichten. Viehhausen liegt nur 800 Meter vom geplanten Standort entfernt. Für die Genehmigung ist deshalb ein Bebauungsplan nötig

Von Petra Schafflik, Dachau

Kleine Tannen, die einmal Christbäume werden wollen, sprießen im Wald westlich von Viehhausen. Bereits in zwei Jahren könnte diese Bäumchen ein 230 Meter hohes Windrad überragen, das die Stadtwerke dort jetzt planen. Denn von allen Überlegungen, die der Stadtrat in den vergangenen Jahren in Sachen Windenergie angestrengt hat, ist dieser Standort als einzige Option für eine Windkraftanlage im Stadtgebiet übrig geblieben. Das Thema Windenergie mit der 10-H-Regelung und dem Scheitern der geplanten landkreisweiten Windkraft-Konzeption war längere Zeit aus der Debatte verschwunden. Bis die Stadtwerke in Dachau jetzt auf eine Grundsatzentscheidung drängten. Die fiel im Werkausschuss trotz einiger Bedenken positiv aus. Damit können Planungsverfahren und Naturschutzgutachten beginnen.

Pellheim von zwei Seiten eingekreist

Ob tatsächlich von 2019 an heimischer Windstrom im städtischen Leitungsnetz fließen wird, ist damit nicht gesagt. "Vom Rotmilan bis zur Gelbbauchunke könnte noch einiges das Projekt stoppen", sagte SPD-Stadtrat Volker C. Koch. Die Chance, ein Dachauer Windrad zu bauen, löste im Werkausschuss nicht nur Begeisterung aus. Zwar forderte Koch, "jetzt einstimmig den Startschuss zu geben". Überzeugt ist auch Umweltreferentin Sabine Geißler (Bündnis für Dachau): "Wir brauchen die regionale Wertschöpfung." Deutlich zurückhaltender äußerte sich Peter Strauch (CSU). "Wir sollten nicht nur auf die Energiewende schauen, sondern auch auf unsere Bürger." Schon jetzt erhalte er Anfragen und Beschwerden aus der Bürgerschaft. Klar kontra Windrad positionierte sich Norbert Winter (Bürger für Dachau). Denn im Dachauer Norden drehen sich bereits zwei Windräder. Eines in der Nähe von Steinkirchen auf der Anhöhe. Das zweite in Sichtweite auf dem Gelände der Ziegelei Hörl & Hartmann in Pellheim. Dieser Ort "fühlt sich von zwei Seiten eingekreist, nun kommt eine dritte Anlage dazu, das ist nicht in Ordnung", sagte Stadtrat Winter. Auch Peter Gampenrieder (ÜB), der pro Windrad plädierte, fragte nach Beeinträchtigungen für den Einödhof Viehhausen, der nur 800 Meter von der geplanten Anlage entfernt liegt.

Was ist zumutbar?

Welche Beeinträchtigungen erzeugt ein Windrad? Was ist zumutbar? Das Windrad in Etzenhausen, das von seiner Wohnung einen Kilometer entfernt liege, "habe ich noch nie gehört", sagte Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD). Anwohner störe aber eher die subjektive Wahrnehmung. "Man könnte sich erdrückt fühlen." Nicht, wenn eine Windmühle mehr als das Dreifache seiner Höhe von einer Ansiedlung entfernt steht, was in Viehhausen der Fall ist, erklärte Ingenieur Robert Sing vom gleichnamigen Landshuter Büro, der die Windmühle für die Stadtwerke konzipiert. Schließlich votierte eine Mehrheit im Ausschuss dafür, das Projekt zu starten. Gegen das Vorhaben stimmten Gertrud Schmidt-Podolsky, August Haas (beide CSU) und Norbert Winter.

Auch Bürger können sich beteiligen

Im Gegensatz zur politischen Debatte sind die technischen Rahmendaten für das geplante Projekt klar: Am nördlichen Stadtrand, einen Kilometer von Assenhausen und Prittlbach entfernt, soll eine Windanlage entstehen, deren Leistung von 3300 Kilowatt etwa der des Dachauer Wasserkraftwerks entspricht. Das Grundstück haben sich die Stadtwerke über einen Pachtvertrag langfristig gesichert, die Baukosten von 5,6 Millionen Euro sind im Wirtschaftsplan vorgesehen.

Auch Bürger sollen sich finanziell an dem Vorhaben beteiligen können. Geplant ist, gemeinsam mit der Dachauer Bürgerstrom-Genossenschaft eine Betreibergesellschaft zu gründen, an der die Stadtwerke mindestens 51 Prozent halten werden. Bevor das Windrad gebaut werden kann, sind aber aufwendige Voruntersuchungen nötig, erklärte Ingenieur Sing. Sofort starten soll nun eine Vogel-Kartierung, die allein 100000 Euro kosten wird.

"Wir können doch nicht einfach wegziehen"

Sollten geschützte Arten am Windrad-Standort brüten, könnte das Vorhaben damit bereits erledigt sein. Parallel wird die Stadt eine Flächennutzungsplanänderung plus einen Bebauungsplan Windkraft auf den Weg bringen. Das ist notwendig, da das geplante Windrad nicht den zehnfachen Abstand seiner Höhe - also 2,3 Kilometer - zur nächsten Siedlung einhält. Damit ist es laut der 10-H-Regelung nicht privilegiert. Für diesen Fall sieht das Gesetz vor, dass Kommunen per regulärem Bebauungsplan eine Windanlage genehmigen können. Diesen Weg wird die Stadt nun beschreiten.

Um die Bürger in die Planungen einzubeziehen und Akzeptanz für das Projekt zu schaffen, wird es noch vor der Sommerpause einen Info-Abend für die betroffenen Ortsteile geben. Eine Veranstaltung, die Gerhard Kreitmair sicher nicht überzeugen wird. Der Landwirt aus Viehhausen verfolgte als künftiger Windrad-Nachbar die Diskussion im Ausschuss und ist enttäuscht. Ein Windrad 800 Meter entfernt im Westen seines Bauernhofs, also in Hauptwindrichtung, das bedeutet Schall bis 50 Dezibel und Schattenwurf. "Wir können dort ja nicht einfach wegziehen, wir leben und arbeiten auf dem Hof", sagt Kreitmair, dessen Familie das Anwesen seit Generationen bewirtschaftet. Die Zeichen der Zeit stehen auf erneuerbaren Energien, das weiß Kreitmair. Aber er will sich wehren und "nicht kampflos aufgeben."

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SZ vom 25.02.2017/lela
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