Dachau:Ohne Klischees

Dachau: Die Sinti und Roma hatten vorher keine Schauspielerfahrung.

Die Sinti und Roma hatten vorher keine Schauspielerfahrung.

(Foto: Milly Orthen/oh)

Sinti- und Roma-Kinder spielen Theater in der Versöhnungskirche

Noch immer herrscht ein Grundgefühl der Angst unter den Sinti und Roma, Familien lassen ihre Kinder nicht alleine auf die Straße hinaus. Verachtung und Ausgrenzung bekommt die Minderheit bis heute zu spüren. Eine halbe Million Sinti und Roma wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Dieses Trauma wirkt bis heute nach. So hat es Andreas Wolf bei seiner Arbeit beobachtet: Seit einem Jahr arbeitet der Schauspieler und Gründer des Improvisationstheaters Fastfood mit 15 Münchner Kindern dieser Bevölkerungsgruppe zusammen.

Die Kinder, alle im Alter zwischen zehn und 15 Jahren, entwickelten gemeinsam mit Wolf das Theaterstück "ImpRoma - Hier sind wir!", das auf Improvisation beruht. Im April hatte das Stück Premiere in den Münchner Kammerspielen. Mit dem Improvisationstheater wollen die Kinder auf ihre Situation aufmerksam machen, ihre Geschichte selbst erzählen. Anstatt sie immer von anderen zu hören, denn dann ist sie voll von Klischees und Vorurteilen.

Die Bevölkerungsgruppe sieht sich noch immer mit Diskriminierung konfrontiert. Deutsche haben erhebliche Vorbehalte gegen die Sinti und Roma und lehnen sie stärker ab als jede andere Bevölkerungsgruppe, wie es in einer kürzlich veröffentlichten Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes heißt. Das ImpRoma-Theater richtet sich gegen diese Vorbehalte. "Es wird so viel geredet über Sinti und Roma", sagt Sabine Böhlau von der gemeinnützigen Organisation Kairosis, die das Projekt initiierte. "Für sie selbst gibt es aber wenige Möglichkeiten, sich auszudrücken." Mit ImpRoma soll ihnen nun eine Bühne gegeben werden.

Das Stück soll den Kindern aber auch dabei helfen, sich selbst zu finden, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, wer sie sind und wie ihre Herkunft ihre Situation bedingt. "Sie haben gewaltige Identitätsprobleme", erklärt Regisseur Wolf. "Vor allem die fehlende Aufarbeitung der Vergangenheit macht ihnen zu schaffen." Beim Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau vor Kurzem seien die Kinder traurig gewesen, weil sie das Gefühl gehabt hätten, dass zu wenig explizit an die ermordeten Sinti und Roma erinnere. Auch diese Erfahrung verarbeiten die Kinder auf der Bühne.

"Hier sind wir!" ist ein Stück, das sich von Auftritt zu Auftritt verändert. Die Kinder improvisieren, erzählen ihre Geschichten immer wieder neu und gehen dabei auch auf die Ideen des Publikums ein. An diesem Donnerstag, 16. Juli, treten sie in der evangelischen Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau auf. Beginn ist um 19 Uhr, der Eintritt ist frei.

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