Stadtleben:Oberbürgermeister ohne Mehrheit

Im zweiten Jahr seiner Amtszeit hat Florian Hartmann sein Lieblingsprojekt Bürgerbeteiligung vorangebracht. Doch er spürt auch, wie schwer es ist, wenn die eigene Fraktion in der Minderheit ist. Einige seiner Pläne werden blockiert

Von Viktoria Großmann, Dachau

Versöhnlich hat das Jahr für die politischen Parteien in Dachau begonnen. Im Januar hatte man Einigkeit demonstriert, als es darum ging, den Verein Runder Tisch gegen Rassismus zu gründen. Angehörige aller im Stadtrat vertretenen Fraktionen gehören ihm an. Bekenntnisse gehen als guter Vorsatz zum neuen Jahr vielleicht einfach von den Lippen. Schon bei der ersten spontanen Kundgebung im Oktober als Reaktion auf eine AfD-Veranstaltung im Thoma-Haus zeigte sich, dass es mit der Geschlossenheit nicht weit her ist. Von der Dachauer CSU ließ sich niemand blicken.

Stadtleben: Zum letzten Mal Ponyreiten auf dem Dachauer Volksfest: Von 2016 an ist es verboten, eine Stadtratsmehrheit hat sich knapp durchgesetzt.

Zum letzten Mal Ponyreiten auf dem Dachauer Volksfest: Von 2016 an ist es verboten, eine Stadtratsmehrheit hat sich knapp durchgesetzt.

(Foto: Toni Heigl)

Am Jahresende zerstritten sich die Stadträte. Auf eine gemeinsame Weihnachtsfeier hatte die Mehrheit keine Lust mehr, nachdem in der letzten Sitzung des Jahres der Haushaltsplan mit 21 zu 20 Stimmen abgelehnt worden war. Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) bekam nicht zum ersten Mal zu spüren, was es heißt, von einer Minderheit unterstützt zu werden. Kommunalpolitiker erklären gern, dass es in Stadt- und Gemeinderäten um das Miteinander gehe, oder, wie Volker C. Koch (SPD), eines der langjährigen Stadtratsmitglieder erklärt: "Es gibt keine rote, schwarze oder grüne Straße. Es gibt eine Straße oder keine." Doch wenn ein Oberbürgermeister eine Stadt gestalten möchte, dann braucht er eine Mehrheit. Um es mit den Begriffen aus der großen Politik zu sagen: Wenn seine Fraktion keine alleinige Mehrheit hat, dann braucht er eine verlässliche Koalition. Zwar hat Hartmann das überaus treue Bündnis an seiner Seite und die loyalen Grünen. Doch selbst mit den Stimmen der pragmatischen ÜB reicht das nicht zur Mehrheit. FW, BfD und CSU stimmen üblicherweise geschlossen ab. Die Pläne des OB sind dann schnell blockiert.

Stadtleben: Herzensprojekt des Oberbürgermeisters und der SPD: Die Bürgerbeteiligung zum MD-Gelände im Sommer.

Herzensprojekt des Oberbürgermeisters und der SPD: Die Bürgerbeteiligung zum MD-Gelände im Sommer.

(Foto: Heigl)

Knapp abgelehnt wurde im Sommer auch die Ausweisung eines Gewerbegebiets auf dem MD-Gelände, für welches Hartmann eintrat. Der Oberbürgermeister wird seither nicht müde zu betonen, dass dieser Beschluss ein Fehler war. Doch Beschluss ist Beschluss. Durchgesetzt haben Hartmann und die SPD im Jahr 2015 ihr Vorhaben, die Bürger stärker einzubinden. Ironischerweise wurde dazu zunächst das Programm integrative Stadtentwicklung beendet - als ihr Vorzeigeprojekt wurde im Oktober der Abschluss von Soziale Stadt Dachau Ost mit der Eröffnung des neuen Bürgertreffs gefeiert. An die Stelle des früheren Verfahrens trat eine neue Form der moderierten Bürgerbeteiligung. So felsenfest hielt die SPD an einmal beschlossenen Beteiligungsverfahren, dass sie sich in der Diskussion um das Schulgelände Mitterndorf verzettelte. Die Termine für die zukünftige Gestaltung und Nutzung des Geländes waren bereits geplant, da setzte die CSU die Prüfung des Areals als Standort für eine Flüchtlingsunterkunft durch. Hartmanns Ansehen tat die Debatte nicht gut. Als Asyl-Standort kam Mitterndorf allerdings letztlich ohnehin nicht in Frage.

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Für den TSV 1865 hatte die SPD verschiedene Ideen, doch seit dem Rücktritt des Vorstands im Juni, geht wenig voran.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Gleich am Jahresanfang stand eine Veranstaltung für Bewohner und Geschäftsinhaber in der Altstadt - Anliegen und Einladung des OB. Die Wünsche der Dachauer fasste danach die CSU öffentlichkeitswirksam in einem Antrag zusammen. Dreist, könnte man sagen. Aber auch, dass die kleine Dachauer Stadtrats-CSU ähnlich verfährt wie die große Schwester CDU im Bundestag: Sie eignet sich sozialdemokratische Themen an. Das zeigte sich auch beim lautstarken Fordern der CSU nach einer zusätzlichen Einlage für die Stadtbau GmbH. Im Ausschuss gab es nicht nur sofortige Einigkeit, sondern die geforderte Summe wurde auf 1,2 Millionen Euro verdoppelt - was zeigt, wie vertraut den anderen Fraktionen das Thema ist.

Das Prestigeprojekt der neuen Bürgerbeteiligung in diesem Jahr war ohne Zweifel die Befragung zu MD. Zwei Abendveranstaltungen, eine vierwöchige Ausstellung, eine ganztägige Planungswerkstatt, eine Marathonsitzung im Stadtrat, um so schnell wie möglich die Wünsche der Bürger zu beschließen. Es sollte bewiesen werden, dass die Dachauer gehört, ihre Anliegen umgesetzt und die Entwicklung des Geländes voran getrieben werden. Wenn nur nicht am Ende durch eine Sitzungsunterlage offenbar geworden wäre, dass die Kommunikation mit den Architekten Klaus und Verena Trojan offenbar ernsthaft gestört ist. Erneut eine Vorlage für die CSU, den Oberbürgermeister und die Verwaltung zu kritisieren. Eine Verwaltung, die Hartmann umstrukturieren und ausbauen möchte, damit sie der wachsenden Einwohnerzahl gerecht werden kann. Die CSU blockierte mit ihrem Nein zum Haushalt explizit dieses Thema mit ihrem Unwillen, Geld für weitere Stellen auszugeben.

Dabei beschäftigen auch die Fraktionen die Verwaltung. Mehr als 90 Anträge haben die Stadträte 2015 gestellt - und sich damit auch gegenseitig genervt. Vom Bündnis-Antrag, das gesamte MD-Gelände zur Gewerbefläche zu machen, über den heftig umstrittenen und letztlich abgelehnten Antrag der SPD, die Reservierungen in Volksfestzelten zu begrenzen bis zum Antrag der Freien Wähler zum Schaustellerbetrieb mit lebenden Tieren auf dem Volksfest eine Grundsatzentscheidung zu treffen. Diese ging nicht im Sinne der Fraktion aus: Das Verbot des Ponyreitens wurde im Stadtrat beschlossen. Das Ergebnis war knapp und wurde nur erreicht, weil die CSU nicht geschlossen abstimmte. Es wäre ein guter Vorsatz für das neue Jahr: Für die Sache stimmen, nicht gegeneinander.

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