Süddeutsche Zeitung

Dachau:Nordost-Umfahrung vor dem Aus

Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann will das umstrittene Straßenbau-Projekt beerdigen. Er favorisiert stattdessen eine Lösung im Westen der Stadt.

Von Helmut Zeller

Die Pläne für die Nordost-Umfahrung Dachaus, das größte Verkehrsprojekt der Stadt, könnten bald schon im Papierkorb landen. Die Stadträte im Umwelt- und Verkehrsausschuss müssen an diesem Donnerstag zu dem umstrittenen Vorhaben endgültig Stellung beziehen, weil das staatliche Bauamt endlich eine definitive Entscheidung fordert. Geredet und gestritten wird seit Jahren über das Projekt, das die Stadt Dachau von den wachsenden Verkehrsströmen entlasten sollte. Inzwischen aber stellen Experten und Kommunalpolitiker den Sinn dieser Umgehungsstraßen im Norden und Osten grundsätzlich in Frage. Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) gehört zu den Zweiflern. Er erwarte von diesem Projekt keine wesentliche Abnahme des innerstädtischen Verkehrs, sagte Hartmann der SZ. Vielmehr will er eine andere, bereits vor 20 Jahren diskutierte Variante erneut zur Diskussion bringen: die Westumfahrung.

Die Befürworter der Nordost-Umfahrung berufen sich im wesentlichen auf ein Gutachten des Professors Harald Kurzack, der schon im Jahr 2000 vor einer Verkehrslawine warnte, die in zwei Jahren den südlichen Landkreis, die Stadt Dachau und ihre Umgebung unter sich begraben werde. 2009 wurden laut einer neuen Studie im Stadtgebiet am Tag 173 400 Fahrzeuge gezählt. 2025 würden es schon 217 500 bis 222 200 sein. Aber die Untersuchung brachte ein überraschendes Ergebnis: Der Anteil des Durchgangsverkehrs, der über die Umgehungsstraßen von der Stadt ferngehalten werden soll, liegt bei nur spärlichen zehn Prozent des gesamten Aufkommens. Kritiker nannten sogar eine Zahl von nur 3,7 Prozent. Die Naturschützer stemmten sich vor allem gegen die sieben Kilometer lange Ostumfahrung östlich des Gewerbegebiets in Richtung Hebertshausen, die durch ein geschütztes FFH-Gebiet mit der seltenen Libellenart Helm-Azurjungfer führen würde.

Oberbürgermeister Hartmann führt ein weiteres Gegenargument an: Die Ostumfahrung kostet die Stadt in Sonderbaulast nach Abzug der staatlichen Zuschüsse 7,8 Millionen Euro. "Ich glaube nicht, dass die Stadt diese Kosten bei der gegenwärtigen Haushaltslage und den vielen anderen notwendigen Projekten stemmen könnte", sagt Hartmann. Die Möglichkeit, das Projekt in Sonderbaulast zu verwirklichen, hatten der frühere Landrat Hansjörg Christmann, Hartmanns Vorgänger Peter Bürgel und der Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath (alle CSU) im April 2011 Bayerns Innenminister Joachim Herrmann abgerungen, nachdem sein Ministerium das Verkehrsprojekt auf die Zeit nach 2025 verschoben hatte. Damit würde die Ostumfahrung aus dem staatlichen Ausbauplan herausfallen und die auf Dringlichkeitsstufe 2 gesetzte Nordumgehung (Kosten: etwa 12,5 Millionen Euro) könnte nachrücken, also doch noch zeitnah gebaut werden, wurde damals erklärt. Doch Bürgel zweifelte offenbar zunehmend am Sinn des Projekts und rückte davon ab. In einem SZ-Interview im Mai bedauerte der ehemalige Landrat Christmann, dass die Stadt Dachau nicht mitgezogen sei. Im Stadtrat wurde diese Lösungsvariante nie besprochen, wie Hartmann sagt.

Für die jetzt fällige Grundsatzentscheidung legt der OB den Stadträten am Donnerstag ein neues in mehreren Varianten simuliertes Verkehrsmodell der Zukunft vor. Demnach würde der Verkehr bei einer Nordumfahrung vom Weblinger Weg über die Freisinger Straße wieder nur zurück in die Stadt gebracht. Die Ostumfahrung bringe, so Hartmann, der Stadt Dachau wenig, aber sie führe über die B 471 zu einer enormen Mehrbelastung von Karlsfeld. Das haben Bürger und Kommunalpolitiker der Nachbargemeinde auch schon erkannt und entsprechend besorgt kommentiert. Das sehen auch die Kritiker von SPD, Grünen und Bündnis für Dachau schon seit langem.

OB Hartmann will in der Ausschusssitzung dagegen wieder eine verkehrspolitische Variante zur Diskussion bringen, die vor zwanzig bis dreißig Jahren schon man im Gespräch war. Eine Westumfahrung erscheint ihm aus mehreren Gründen als wesentlich sinnvoller als eine Umgehung im Norden und Osten Dachaus. Sie müsse auf der bereits bestehenden Durchfahrt durch das Ampergebiet direkt zur A 8 geführt werden. Über diese Umgehungsstraße könne der Pendlerverkehr aus Schwabhausen und Markt Indersdorf nach München aufgefangen werden. Hartmann erklärt allerdings auch, dass diese Variante noch sehr vage sei. Für eine Westumfahrung, die sich über das Dachauer Gebiet hinaus erstrecke, müsse der Landkreis mit der Stadt an einem Strang ziehen, sagt Hartmann. Die Realität hat die Planer schon überholt: Es gibt, so Hartmann, bereits einen "Schleichverkehr" über Oberroth, Bachern und Bergkirchen zur A 8.

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SZ vom 03.07.2014
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